Per Pflaster besser verfügbar |
15.05.2000 00:00 Uhr |
Pharmakodynamisch betrachtet ist Buprenorphin eine Substanz mit interessanten Eigenschaften für die Schmerztherapie - wenn die Pharmakokinetik keinen Strich durch die Rechnung machen würde. Der hohe First-pass-Effekt sorgt bei peroraler Gabe dafür, dass Buprenorphin nur in geringem Umfang bioverfügbar ist. Diesen Nachteil soll in Zukunft ein Transdermales Therapeutisches System (TTS) kompensieren, das im Spätsommer auf den Markt kommen soll, hieß es auf dem Internisten-Kongress Anfang Mai in Wiesbaden.
Wird Buprenorphin als Sublingualtablette verabreicht, erhöht sich zwar die Bioverfügbarkeit im Vergleich zur Tablette. Diese ist aber dennoch extrem abhängig von der Art und Weise, wie der Patient die Formulierung handhabt, sagte Professor Dr. Kay Brune, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Erlangen, auf einer Pressekonferenz von Grünenthal. Noch problematischer gestalte sich die Wirkstoffaufnahme bei Patienten mit Schluckstörungen. Dieses Handicap umgeht man mit der transdermalen Applikation des Arzneistoffs (voraussichtlicher Handelsname Transtec®). Buprenorphin kann mit einer hohen Lipophilie aufwarten, weshalb es besonders geeignet ist, die Haut zu durchwandern.
Buprenorphin ist ein stark wirksames Opioid, das nach dem Schema der Weltgesundheitsorganisation zur Schmerztherapie in Stufe III eingesetzt wird. Es wirkt an µ-Rezeptoren als partieller Agonist mit antagonistischen Eigenschaften an k-Rezeptoren. Von dieser Kombination erhofft man sich ausreichende Analgesie bei gleichzeitig geringer Irritation der gastrointestinalen Motilität. Diese Substanzeigenschaft kombiniert mit der transdermalen Applikation von Buprenorphin führt tatsächlich seltener zu Übelkeit und Erbrechen, die Obstipationsrate ist mit 5,3 Prozent in den klinischen Studien auffallend gering.
Da Buprenorphin lange am Rezeptor verweilt und so kontinuierlich wirksam ist, bietet es sich für die Therapie chronischer Schmerzen an. Das Buprenorphin-TTS soll drei Tage auf der Haut bleiben, bevor ein neues Pflaster an anderer Stelle aufgeklebt wird. So erreicht man über einen langen Zeitraum konstante Wirkstoffspiegel. Im Unterschied zum bereits auf dem Markt befindlichen Fentanyl-Pflaster handelt es sich beim neuen TTS um ein Matrixpflaster. Der Wirkstoff ist also direkt in eine Matrix eingebettet; das macht das Pflaster robuster und widerstandsfähiger als ein Reservoirpflaster.
Laut Dr. Klaus Böhme von der Schmerzambulanz am Burgfeld Krankenhaus in Kassel hat das neue Schmerz-TTS einen wichtigen Vorteil: Es ermöglicht erstmals eine Schmerztherapie, bei der die Basismedikation transdermal gegeben wird und der gleiche Wirkstoff peroral als Add-on-Behandlung bei durchbrechenden Schmerzen verabreicht werden kann. Das Pflastersystem bringe ein Stück Alltag, weil die Patienten nicht nach wenigen Stunden durch eine neuerliche Tabletteneinnahme an ihre Krankheit erinnert werden. Es eigne sich besonders für Betroffene mit hoher Tablettenlast. Die Compliance verbessere sich, hieß es in Wiesbaden. Das Pflaster wird in drei Wirkstärken verfügbar sein, und zwar mit einer Freisetzungsrate von 35, 52,5 und 70 µg pro Stunde, was einer Tagesdosis von 0,8, 1,2 und 1,6 mg Buprenorphin entspricht.
Dass sich durch das Buprenorphin-Pflaster eine effektive Analgesie realisieren lässt, belegen drei Doppelblindstudien mit insgesamt 445 Teilnehmern, sagte Böhme. Nahezu die Hälfte aller Patienten litten dabei unter nicht tumorbedingten Schmerzen wie des Bewegungsapparates oder Neuropathie. In den Studien wurde unter anderem die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Buprenorphin-TTS nach Vorbehandlung mit Buprenorphin-Sublingualtabletten oder nach Umstellung von anderen Opioiden untersucht. In den Untersuchungen reduzierte sich der Schmerz um bis zu 70 Prozent im Vergleich zur Vorbehandlung mit Sublingualtabletten. Gleichzeitig erhöhte sich unter transdermaler Therapie die Anzahl der Patienten, die durch Schmerz ungestört länger als sechs Stunden schlafen konnten, unter Placebo nahm sie jedoch ab.
Die Umstellung von der peroralen Therapie mit Analgetika der Stufe II und III auf die
transdermale Therapie mit Buprenorphin ist problemlos möglich, sagte Böhme. Der Schmerz
nahm während der Umstellungsphase nicht zu, und eine Entzugssymptomatik trat nicht auf.
Allerdings war die Versagerrate unter den Tumorpatienten doppelt so hoch wie unter den
Nichttumorpatienten (10,4 Prozent versus 5,7 Prozent).
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