Pharmazie
"Was nutzt uns die pharmazeutische Qualität von Phytopharmaka bis zur
dritten Stelle nach dem Komma, wenn deren therapeutischer Effekt nicht
belegt ist?", merkte Professor Dr. Hermann P. T. Ammon, Präsident der
Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPHG) an. In der Tat: Das
valide Datenmaterial zu Wirksamkeitsnachweisen fällt bei pflanzlichen
Arzneimitteln ziemlich dürftig aus. Das DPHG-Symposium "Qualität von
Phytopharmaka" Anfang April 1998 in Bad Homburg versuchte, die
Marschrichtung für die Zukunft abzustecken.
Phytopharmakahersteller lassen sich nur ungern in die Karten schauen.
Spezialextrakte unterlägen nun mal dem Patentschutz, begründen sie ihre oft spröde
Verhaltensweise. Das macht es besonders schwer, Vergleiche zwischen den
einzelnen Präparaten zu ziehen. Grundsätzlich sei aber die Entwicklung von
Spezialextrakten zu begrüßen, sagte Dr. Markus Veit von der Würzburger Julius
Maximilians-Universität.
Um sie jedoch vergleichen und bewerten zu können, müsse deren Standardisierung
transparent gemacht werden. "Die Dokumentation zu allen
Standardisierungsverfahren gehört in die Fachinformation", forderte Veit. So könne
das Unternehmen, das Qualität bietet, auch Qualität dokumentieren, und der
Apotheker die Spreu vom Weizen trennen. Stand der Dinge sei allerdings, daß die
Transparenz schon bei der Verfügbarkeit von validierten Referenzsubstanzen
aufhöre. Jedes Unternehmen arbeitet mit eigenen primären Referenzstandards, die
zwar firmenintern gut dokumentiert sind, sich aber von Standards anderer Firmen
unterscheiden, vermutete Veit.
Option der Pharmakodynamik verfolgen
Professor Dr. Henning Blume, Bad Homburg, führte den Begriff der
pharmakodynamischen Untersuchungen ins Feld. Pharmakodynamische Modelle
seien eine Alternative zu pharmakokinetischen, klinischen oder
In-vitro-Freisetzungsuntersuchungen, um Bioäquivalenz zu belegen. Dem Nachweis
der Bioäquivalenz komme bei einer bezugnehmenden Zulassung zentrale Bedeutung
zu. Vorteil pharmakodynamischer Methoden beziehungsweise Bioassays sei, daß
das gesamte wirksame Prinzip und nicht nur Einzelkomponenten dargestellt werde.
Außerdem ließen sich damit gut Lagerungs-, Zersetzungs- und Freisetzungsprofile
erstellen.
Was geeignete pharmakodynamische Modelle für die Erkundung von
Phytopharmaka-Wirkprinzipien betrifft, steckt die Forschung noch in den
Kinderschuhen. Aber Blume nannte ein ermutigendes Beispiel. Dem
Wirkmechanismus von Hypericin ist man auf der Spur anhand von
Synaptosomen-Präparationen, um den Serotonin-Reuptake zu untersuchen.
Was zählt, sind klinische Studien
Wirkprinzipien, Chargenkonformität und Leitsubstanzen sind zwar für die
Vergleichbarkeit pflanzlicher Arzneimittel unabdingbar, sie sagen aber noch lange
nichts über deren Wirksamkeit aus. Nur klinische Studien oder
Anwendungsbeobachtungen können den Effekt für den Patienten nachweisen, und
nur dieser ist für den Beratungsalltag in der Offizin relevant. Die derzeitige
Verfügbarkeit von validem klinischen Datenmaterial läßt sich auf ein paar Pflanzen
einkreisen, sagte Dr. Hartmut Morck, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung.
So sei beispielsweise die Wirksamkeit von Johanniskraut oder Präparaten zur
Behandlung der benignen Prostatahyperplasie gut dokumentiert, während es bei
Baldrian recht dünn ausschaue.
Unterziehe man klinische Studien einer kritischen Analyse, liege oft einiges im argen.
Morck: "Die Schwachstellen bei klinischen Studien von Phytopharmaka
konzentrieren sich auf die Randomisierung, die Grundgesamtheit und vor allem auf
die Fragestellung des Autors." So finde die Randomisierung häufig nur eingeschränkt
statt, weil sie nicht individuell, sondern in Clustern oder erst nach der Behandlung
erfolgt. Außerdem sei die in die Studie aufgenommene Patientenzahl oft zu gering,
um eine statistische Relevanz herausarbeiten zu können. Wenige Patienten ergeben
automatisch eine geringere Trennschärfe.
Fragestellung besser fokussieren
Morcks Kritik galt jedoch der Fragestellung des Autors. Oft sei dessen Intention
unklar, der Anspruch der Studie zu hoch geschraubt oder die Quintessenz aus dem
Untersuchungsergebnis werde falsch "verkauft". Beispielhaft stellte Morck eine
Untersuchung vor, die die cholesterolsenkende Wirkung von Knoblauch nach vier
bis sechs Wochen als Zielparameter propagiert und nachweist. Es stellt sich für
Morck jedoch die Frage, inwieweit eine Cholesterolsenkung nach eineinhalb
Monaten überhaupt relevant ist. Hier seien vielmehr Langzeiteffekte gefragt. Ein
Aspekt, der auch im Hinblick auf den immensen Kostenaufwand für eine Studie zu
sehen ist. Er riet, sich beim Knoblauch nicht auf die Cholesterolsenkung zu
versteifen, sondern sich beispielsweise den Fließeigenschaften des Blutes, den
antioxidativen Effekten auf LDL und der Inzidenz von Herzinfarkten unter einer
Knoblauchtherapie zuzuwenden.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Bad Homburg
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