Pharmazie
Die Deutsche Schmerzhilfe ist ein gemeinnütziger Verein, der sich als
Bindeglied zwischen chronisch schmerzkranken Patienten und
Schmerztherapeuten versteht. Mitglieder sind Schmerzpatienten,
Schmerztherapeuten, Psychologen, Zahnärzte und Apotheker.
Die DSH
(DSH, Sietwende 20, 21720 Grünendeich, Tel.: 04142/810434, Fax:
04142/810435) sucht die Zusammenarbeit mit dem Apotheker, weil
Untersuchungen gezeigt haben, daß der Apothekenkunde bei häufig
wiederkehrenden Beschwerden sehr an kompetenter Beratung interessiert ist und
daß das Thema Schmerz mit 76 Prozent dabei eine Spitzenposition einnimmt. Oft
sind Apotheker die ersten Ansprechpartner für die Schmerzpatienten. Die DSH
möchte die Apotheker mit einem Servicepaket und durch eine Fortbildungsreihe auf
ein hohes Niveau in der Schmerzberatung bringen, so war es bei einer dezentralen
Fortbildungsveranstaltung zu hören, die gemeinsam von den Apothekerkammern
Niedersachsen und Bremen und dem Bundesverband DHS initiiert worden war.
Therapiemöglichkeiten
Durch peroral applizierte Schmerztherapeutika lassen sich etwa 90 Prozent aller
chronischen Schmerzzustände ausreichend behandeln. Es gelten folgede
Grundregeln:
o regelmäßige Analgetikagabe nach festem Zeitschema;
o individuelle Dosisanpassung (-titration) nach Schmerzintensität;
o Gabe nach dem Prinzip der Antizipation, das heißt, die Medikamentengabe muß
erfolgen, bevor der schmerzstillende Effekt der vorangegangenen Dosis aufgebraucht
ist;
o Prophylaxe von möglichen Analgetika-Nebenwirkungen;
Die Zusatzmedikation kann je nach Notwendigkeit bestehen aus:
o Laxantien gegen opiatbedingte Obstipation;
o Antiemetika, falls die Schmerzmedikation Brechreiz erzeugt (besonders bei
schwachen Opioid-Analgetika zu beachten);
o Antidepressiva;
o Corticosteroiden bei Schmerzen durch Entzündungen, Schwellungen oder
perifokale Ödeme;
o Carbamazepin bei neuropathischen Schmerzen mit einschießendem, anfallsweisem
Charakter;
o Muskelrelaxantien;
o H2-Blockern als Schutz gegen NSAR-induzierte Magenschleimhautläsionen;
o Calcitonin bei destruierenden Knochenprozessen.
Wenn krankheitsbedingt eine perorale oder rektate Applikation der Analgetika nicht
möglich ist, können die Wirkstoffe parenteral als Dauerinfusion gegeben werden. Die
perorale Gabe ist jedoch immer vorzuziehen, weil sie den Patienten unabhängig vom
Arzt beziehungsweise Pflegepersonal macht.
Nichtmedikamentöse Therapien wie Psychotherapie, Akupunktur,
Bewegungstherapie, Massagen, Wärmetherapie, TENS (transkutane elektrische
Nervenstimulation) und autogenes Training beziehungsweise progressive
Muskelentspannung können bei vielen Krankheitsbildern als Zusatzbehandlung oder
auch alternativ erfolgreich eingesetzt werden, wurde in Hannover betont.
Wenn auf diese Weise kein ausreichender analgetischer Effekt erreicht wird, sollte
der Schmerzpatient sich ambulant oder stationär in einer spezialisierten
Therapieeinrichtung versorgen lassen. Es können dort Verfahren wie die peridurale
Opiatanalgesie, Nervenblockaden und Neurolysen eingesetzt werden. Die
Anschriften von niedergelassenen Schmerztherapeuten, Schmerzambulanzen und
Schmerzkliniken sind über den Bundesverband der Deutschen Schmerzhilfe zu
beziehen und sollten auch in der Apotheke bei Bedarf genannt werden.
Nebenwirkungen bei der Beratung nicht vergessen
Ebenso wie die analgetische Wirkung werden auch die meisten Nebenwirkungen
über Opiat-Rezeptoren vermittelt. Die Nebenwirkungen verschwinden nach
Absetzen der Medikation vollständig. Zu Therapiebeginn ist mit Benommenheit und
Müdigkeit, mit Übelkeit und Erbrechen zu rechnen. Beide Symptome lassen meist im
Laufe der Therapie nach oder verschwinden ganz. Die atemdepressive Wirkung ist
bei einer dem Schmerz angepaßten Dosierung nur schwach ausgeprägt, weil
Schmerzen das Atemzentrum stimulieren und daher der atemdepressiven Wirkung
der Opioide entgegenwirken. Allerdings steigt die Gefahr einer Atemdepression mit
dem analgetischen Effekt, was bei zusätzlichen schmerzstillenden Maßnahmen (wie
eine Nervenblockade) oder bei zusätzlicher Gabe von zentraldämpfenden
Medikamenten (wie Benzodiazepinen) zu berücksichtigen ist. Opioide unterdrücken
außerdem durch Kontraktion der glatten Muskulatur das Gefühl des Harndrangs.
Dies kann zu Restharnbildung bis hin zu Harnverhalt führen.
Eine immer auftretende und sich im Laufe der Therapie verstärkende Nebenwirkung
ist die Obsti<pation. Eine Aktivierung der im Verdauungstrakt befindlichen
Opiat-Rezeptoren hat eine unkoordinierte Darmbewegung zur Folge und verhindert
die Propulsivmotorik. Jeder länger durchgeführten Opioid-Therapie muß daher von
Anfang an ein Laxans beigegeben werden. Im seltenen Extremfall kann die
Opiat-induzierte Obstipation einen Therapieabbruch erforderlich machen.
Eine Toleranzentwicklung ist bei Opioiden nach Angaben der Referenten nicht sicher
nachzuweisen. Die eventuell erforderliche Dosiserhöhung könne auch Konsequenz
einer krankheitsbedingten Schmerzintensivierung sein. Eine physische Abhängigkeit
ist nach Meinung der Fachleute unvermeidbar, jedoch therapeutisch beherrschbar
durch ausschleichende Dosierung zur Verhinderung von Entzugssymptomen. Das
Risiko einer psychischen Abhängigkeit sei äußerst gering, wenn nach festem Zeitplan
mit peroralen Depotarzneimitteln behandelt werde. Das gewährleiste beim Patienten
ein gleichmäßiges analgetisches Niveau und vermeide ein Lernverhalten, bei dem
eine Verbindung zwischen Schmerzfreiheit und Opioideinnahme hergestellt wird.
PZ-Artikel von Halmut Renz, Hannover
© 1997 GOVI-Verlag
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