Bei AIDS Anlaß zu vorsichtigem Optimismus |
17.02.1997 00:00 Uhr |
Pharmazie
Anläßlich
der 4. Konferenz über Retroviren und opportunistische
Infektionen gaben zahlreiche Experten ihrer Überzeugung
Ausdruck, daß es möglicherweise schon bald gelingen
werde, alle in den menschlichen Körper eingedrungenen
AIDS-Erreger medikamentös abzutöten. Selbst Dr. David
Ho, der erst kürzlich vom Nachrichtenmagazin Time
aufgrund seiner Leistungen in der AIDS-Forschung zum Mann
des Jahres 1996 gewählt worden war, räumte ein, daß er
einen Totalsieg über den AIDS-Erreger für durchaus
vorstellbar hält.
Obgleich Ho in seinen Vorträgen immer wieder
vor unrealistischen Hoffnungen warnte, waren die von ihm
und seinen Mitarbeitern vorgelegten
Untersuchungsergebnisse doch Anlaß für allgemeinen
Optimismus. In den am Aaron Diamond AIDS Research Center,
New York, durchgeführten Therapiestudien war es durch
den Einsatz verschiedener Arzneimittelkombinationen
sowohl bei chronisch kranken AIDS-Patienten als auch bei
frisch Infizierten gelungen, alle im Blut und anderen
Körperflüssigkeiten nachweisbaren AIDS-Erreger zu
vernichten.
Insbesondere der frühzeitige und aggressive Einsatz von
Proteasehemmern könnte schon bald in Kooperation mit den
zur Zeit in der Entwicklung befindlichen
immunmodulatorischen Maßnahmen die völlige Vernichtung
der in den Organismus eingedrungenen AIDS-Erreger
einleiten. Doch Ho warnte: Bis zum heutigen Tag gibt es
keinen Beweis für die in bestimmten Risikogruppen
kolportierte These, daß die Abwesenheit von
vermehrungsfähigen Viren, beispielsweise im Sperma oder
der Vaginalflüssigkeit, "Safer Sex"
überflüssig mache.
Erstmalig konnte in Washington auch die These widerlegt
werden, daß die Proteasehemmer für den breiten Einsatz
zu teuer sind. Während die Zahl der im Zusammenhang mit
AIDS registrierten Krankenhausaufenthalte seit Mitte der
80er Jahre ständig zugenommen hatte, konnte jetzt
erstmals ein Rückgang schwerer Krankheitsverläufe
beobachtet werden. So mußten beispielsweise am St.
Vincent´s Hospital, New York, im Jahr 1996 im Vergleich
zum Vorjahr 10,5 Prozent weniger AIDS-Patienten
stationär aufgenommen werden.
Dr. Peter Ruane berichtete aus Los Angeles sogar von
einem Rückgang der AIDS-bedingten Krankenhausaufenthalte
um mehr als 55 Prozent. Der AIDS-Experte stellte
außerdem klar: Durch den massiven und frühen Einsatz
der Proteasehemmer kann man nicht nur mit deutlich
sinkenden Krankenhauskosten, sondern auch mit einer
allmählichen Abnahme der bei HIV-Infizierten vermehrt
auftretenden und extrem kostenintensiven
opportunistischen Infektionen sowie der Krebserkrankungen
rechnen.
Darüber hinaus hat sich bei den Patienten der
verschiedenen Zentren gezeigt, daß die mit
Proteasehemmern Behandelten aufgrund des Rückgangs der
AIDS-Komplikationen weniger häufig zu Fachärzten
überwiesen werden mußten und auch weniger
Begleitmedikamente benötigten. Diese und andere in
Washington vorgestellte Studien zeigen, so Dr. Ramin
Torres, einer der Autoren der
Wirtschaftlichkeitsberechnungen, daß die frühzeitig
eingeleitete moderne Kombi-Arzneimitteltherapie nicht nur
die Lebensqualität der AIDS-Kranken deutlich erhöht,
sondern aufgrund eines unerwartet großen
Einsparpotentials auch den Kostenträgern des
Gesundheitswesens nutzt.
PZ-Artikel von Jochen Kubitschek, Waddeweitz
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