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Leflunomid - Karten in der Rheumatherapie neu gemischt

07.12.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

Leflunomid - Karten in der Rheumatherapie neu gemischt

Sulfasalazin, Methotrexat, Gold, Hydroxychloroquin, vielleicht noch Ciclosporin und Penicillamin - das sind die wichtigsten Basistherapeutika in der Rheumatologie. Die Fachwelt wird sich bald einen weiteren Namen merken müssen: Leflunomid, ein Hemmstoff der Pyrimidinsynthese hat in den Vereinigten Staaten die Zulassungshürden genommen und wurde bereits am 12. Oktober als AravaÒ eingeführt.

In der Europäischen Gemeinschaft befindet sich Leflunomid seit Februar im zentralen Zulassungsverfahren und könnte im Sommer 1999 auch in Deutschland verfügbar sein. Mit AvaraÒ möchte die Frankfurter Hoechst-Gruppe von den weltweit mehr als 6 Millionen Polyarthritispatienten (etwa 1 Prozent der Bevölkerung) profitieren; das Unternehmen hofft, besonders den Anbietern von Sulfasazin- und Methotrexatpräparaten den Rang ablaufen zu können. Rund 750 Millionen DM jährlich soll die Novität in die Konzernkassen spülen, wenn sie erst einmal in den wichtigsten Märkten zugelassen ist.

Ein ambitioniertes Ziel, denn gegenwärtig wächst der Markt der Basistherapeutika nur moderat (in der Bundesrepublik von 51,6 auf jetzt 55 Millionen DM) und therapeutische Neuerungen wie monoklonale Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor a (zum Beispiel Etanercept (EnbrelÒ) oder Centocors Infliximab (RemicadeÒ ) könnten die forsche Prognose verdüstern.

Paul Emery aus Leeds, eine Autorität in Sachen Polyarthritis ist weniger euphorisch. Zwar nennt er - so das Fachblatt Scrip - Leflunomid eine "major addition" für das Repertoire der Basistherapeutika, als Mittel der ersten Wahl will er allerdings den neuen Wirkstoff nicht einsetzen.

Die Zurückhaltung mag überraschen, denn in placebokontrollierten Studien hat sich Leflunomid im Vergleich mit den Hauptwidersachern Sulfasalazin und Methotrexat achtbar geschlagen: Das gilt gleichermaßen für Frühformen der rheumatoiden Arthritis und für Fälle, bei denen die Krankheit schon mehr als zwei Jahre besteht. Drei große klinische Studien aus Nordamerika, Europa und Südafrika belegen die Wirksamkeit des neuen Mittels, selbst wenn man harte Parameter heranzieht, beispielsweise die röntgenologische Verlaufskontrolle erkrankter Fuß- und Fingergelenke. Gerade die schleichende Zerstörung dieser Gelenke macht viele Rheumapatienten schließlich zu Invaliden. Glaubt man einer Arbeitsgruppe amerikanischer Rheumatologen, bremst Leflunomid, im Röntgenbild nachweisbar, die fortschreitende Gelenkdestruktion besser als Methotrexat.

Erhöhte Leberwerte, Haarausfall, Diarrhoen, Rush, seltener ein leichter Blutdruckanstieg; für ein Immunsuppressivum, das die Pyrimidinsynthese hemmt, klingt das Spektrum der häufigsten Nebenwirkungen eher günstig, jedenfalls wenn man es an den Risiken einer Methotrexattherapie mißt. Professor Dr. Scott vom King´s College in London vergaß auch nicht, das vorteilhafte Verträglichkeitsprofil auf dem Rheumatologen-Kongreß in San Diego gebührend zu würdigen. Gewiß, Leflunomid wirkt hepatotoxisch und ein Transaminasenanstieg ist nicht unbedingt selten. Für Rheumatologen jedoch gilt das als handhabbares Risiko, denn Sulfasalazin und Methotrexat erfordern ebenfalls eine regelmäßige Kontrolle der Leberfunktion.

Leflunomid ist eine Präkursorverbindung, die im Serum nur in geringen Konzentrationen vorkommt. Die klinische Wirkung geht von dem aktiven Metaboliten A77 1726 aus, einem Nitril, das durch Spaltung des Isoxazolrings aus der Muttersubstanz entsteht und eine Halbwertszeit von gut zwei Wochen besitzt.

Die lange Halbwertszeit des Wirkmetaboliten A77 1726 ist nur scheinbar ein Nachteil, auch wenn überraschend Nebenwirkungen auftreten: Die Substanz wird überwiegend mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden und unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf. Notfalls läßt sich A77 1726 mit Aktivkohle oder Cholestyramin innerhalb von zwei Tagen weitgehend aus dem Organismus entfernen. Die lange Halbwertszeit hat sogar ihr Gutes; sie ermöglicht ein einfaches Therapieschema. In den ersten drei Tagen nehmen die Patienten zur Aufsättigung einmal täglich 100 mg Leflunomid, danach als Erhaltungsdosis einmal 20 mg jeden Tag. Angepaßt an dieses Dosierungsschema ist AravaÒ in drei Stärken verfügbar: als 10-, 20- und 100-mg-Tablette.

Trotz aller Fanfarenklänge - Leflunomid hat auch Nachteile, die Teratogenität beispielsweise. Frauen im gebärfähigen Alter sollten das Präparat nur erhalten, wenn eine zuverlässige Empfängnisverhütung gewährleistet ist. Und wer sich zu einem Kind entschließt, muß sich erst einer Entgiftungstortur unterziehen: 8g Cholestyramin dreimal täglich - 11 Tage lang bis der Plasmaspiegel des Wirkmetaboliten unter 0,02mg/Liter liegt. Das etablierte Sulfasalazin bietet da entscheidende Vorteile. Es kann auch während der Schwangerschaft genommen werden.

Auch sonst bleibt einiges unklar. A77 1726 erhöht die Plasmakonzentration von freiem Ibuprofen und Diclofenac, verbreitete Antirheumatika, mit denen Rheumapatienten ihre Schmerzen bekämpfen. Da ist die Frage nach häufigeren Nebenwirkungen dieser Mittel durchaus berechtigt.

Wo hat nun Leflunomid seinen Platz? Spontan befragt, möchten es deutsche Rheumatologen Patienten geben, die mit etablierten Mitteln nicht zurechtkommen. Eine zusätzliche Behandlungsoption, also kein Präparat, das die Therapie umkrempeln wird. Tatsächlich, vielen Patienten, deren Krankheit mit Sulfasalazin oder Methotrexat alleine nicht zu beherrschen ist, helfen ausgefeilte Kombinationstherapien beider Medikamente weiter. Hoechst hat diesen Trend in der Rheumatologie erkannt und arbeitet an Kombinationsstudien.

Quellen: http://www.pharminfo.com/drugdb/dbgn_mnul.html, Scrip, No. 2370 vom 16. 9. 1998, S. 22, Abstracts on ARAVA presented at the American College of Rheumatology, 62nd National Scientific Meeting 9-12th Nov. 98.

PZ-Artikel von Win Chit Oo, Erlangen Top

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