Pharmazie
Zwischen verabreichter Chemotherapeutika-Dosis und der Verminderung
der Tumormasse besteht eine direkte Beziehung. Dies ist die Voraussetzung
für die Hochdosistherapie mit Zytostatika. Bei der Therapie maligner
Tumoren werden maximale, hinsichtlich der Organtoxizität jedoch tolerable
Dosen zytotoxischer Pharmaka appliziert. Mitunter werden die Patienten
gleichzeitig auch bestrahlt. Dabei nimmt man in Kauf, daß das
hämatopoetische System zerstört wird, und später eine Transplantation
hämatopoetischer Stammzellen nötig ist.
Neuere Richtlinien empfehlen, innerhalb kürzester Zeit eine Induktionstherapie und
auch die eigentliche Hochdosistherapie durchzuführen. Die Dosissteigerung und
damit die Möglichkeit, ein maximales Ansprechen zu erzielen, ist in erster Linie durch
die Zerstörung der Hämatopoese limitiert. Wenn bei besonders chemosensitiven
Tumoren eine maximale Wirkung durch Einsatz einer sogenannten
Hochdosis-Chemotherapie erreicht werden soll, wird zwangsläufig das
hämatopoetische System zerstört. Dann können die Patienten nur überleben, wenn
Stammzellen transplantiert werden. Diese können dem Patienten vor der Therapie
entweder aus dem Knochenmark (Knochenmarktransplantation) oder aber unter
bestimmten Bedingungen aus dem peripheren Blut (periphere
Stammzelltransplantation PBSC-T) entnommen werden.
Bei der PBSC-T verwendet man mobilisierte Stammzellen, die ins periphere Blut
gelangt sind. Normalerweise befindet sich nur eine winzige Menge dieser
Stammzellen im Blut. Bei starker Stimulation der Hämatopoese, zum Beispiel in der
Erholungsphase nach Chemotherapie oder bei Gabe von hämatopoetischen
Wachstumsfaktoren, können die Stammzellen jedoch auch ins Blut mobilisiert
werden und dort zirkulieren.
Die zusätzliche Gabe von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren wie dem
Granulozyten-Colonie-stimulierenden-Faktor (G-CSF) führt zu einer deutlich
größeren Anzahl von Progenitorzellen im Blut und gleichzeitig zu deren früheren
Erscheinen. Mittels ambulant durchgeführter Blutzellseparation (Leukapherese)
können die Zellen zum Zeitpunkt ihres Erscheinungsgipfels einfach aus Patientenblut
gewonnen und bis zur späteren Transplantation tiefgefroren werden. Verglichen mit
der früher durchgeführten autologen Knochenmarkstransplantation hat dieses
Verfahren wesentliche Vorteile: Es muß kein Eingriff unter Narkose vorgenommen
werden, die Vorbestrahlung des Beckens ist nicht kontraindiziert und vor allem
erholt sich die Blutbildungen viel schneller innerhalb von 10 bis 14 Tagen nach
Hochdosistherapie.
Die Patienten erhalten also zunächst eine Standarddosis-Chemotherapie als
Induktionsbehandlung und anschließend einen hämatopoetischen Wachstumsfaktor;
in der Regel G-CSF (1).
Mit dieser Methode werden bereits Hochrisiko-Brustkrebspatientinnen behandelt.
Die Therapie ist allerdings sehr teuer und weist ein gewisses Morbiditäts- und
Mortalitätsrisiko auf. Es gilt inzwischen als unbestritten, daß maligne Zellen auch
Präparate von PBSC kontaminieren und wahrscheinlich zu einem Rezidiv bei einigen
Erkrankungen beitragen können.
Unkontrollierte Studien zeigen jedoch: Die Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten
mit fortgeschrittenem Brustkrebs und multiplen Metastasen in den axillaren
Lymphknoten bringt Vorteile. Es existieren hierzu aber bislang keine randomisierten
Studien, die eine Überlegenheit gegenüber einer konventionellen Chemotherapie
belegen.
Rodenhuis und Kollegen prüften jetzt deshalb diese Therapieform in einer
randomisierten Phase-II-Studie (2). Sie gaben 97 brustkrebskranken Frauen, die
jünger als 60 waren und deren Lymphknoten auch befallen waren, zunächst
Cyclophosphamid (500 mg/m²), Epirubicin (120 mg/m²) und 5-Fluorouracil (500
mg/m²) einmal wöchentlich über drei Wochen.
Nach der operativen Entfernung von Tumor und Lymphknoten erhielt ein Teil der
stabilen Patientinnen oder derjenigen, die auf die Primärchemotherapie ansprachen,
randomisiert weiterhin eine konventionelle Chemotherapie (vier Zyklen der oben
genannten Initialtherapie gefolgt von einer Bestrahlung und einer zweijährigen
Therapie mit Tamoxifen, falls sich der Tumor als estrogenpositiv erwies). Die
restlichen Frauen bekamen die gleiche Therapie, ergänzt durch eine Gabe von 300
µg Filgrastim und eine auf vier Tage verteilte Hochdosistherapie mit 6 g/m²
Cyclophosphamid, 480 mg/m
² Thiotepa und 1600 mg/m² Carboplatin und die
unterstützende Gabe von peripheren Stammzellen.
Kriterium für die Beurteilung des Therapieerfolges beider Strategien war die
absolute und erkrankungsfreie Überlebenszeit. Kein Patient starb an den toxischen
Effekten der Chemotherapie. Bei einer Nachbeobachtungszeit von insgesamt 49
Monaten lag die Gesamtüberlebensrate bei 75 Prozent, wobei 54 Prozent der
Patientinnen nicht erneut erkrankten. Zwischen den Patientinnen beider Gruppen
ergab sich kein signifikanter Unterschied.
Die Hochdosis-Chemotherapie ist mit erheblichen Kosten, Nebenwirkungen sowie
möglicherweise mit irreversiblen Langzeitschäden verbunden. Sie kann jedoch
entsprechend dieser Studienergebnisse die Prognose der Patientinnen nicht
verbessern. Die Hochdosis-Chemotherapie sollte deshalb bis zum Vorliegen
positiver Befunde aus Phase-III-Studien außerhalb von randomisierten Studien nicht
mehr zur adjuvanten Therapie des Brustkrebses eingesetzt werden.
PZ-Artikel von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden
Quelle: (1) Kanz, L., Internist 38 (1997) 1045-49.
(2) Rodenhuis, S. et al., Lancet 352 (1998) 515-21.
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