Pharmazie
Die Ursodeoxycholsäure hat eine steile Karriere hinter sich. Zunächst
zur medikamentösen Therapie bei Gallensteinen eingesetzt, ist die
endogene Gallensäure inzwischen Mittel der Wahl bei allen Erkrankungen
mit cholestatischer Komponente. Darüber hinaus gibt es erste Hinweise
darauf, daß Ursodeoxycholsäure in das Wechselspiel zwischen
Zellerneuerung und Apoptose eingreift und möglicherweise präventiv beim
Kolonkarzinom wirkt.
Immer noch herrscht unter Wissenschaftlern großes Rätselraten darüber, wie
Ursodeoxycholsäure (UDC) wirkt. UDC beeinflußt den Gallensäurepool und fördert
die Ausscheidung aggressiver Gallensäuren wie Chenodeoxycholsäure. Gleichzeitig
werden toxische Metabolite und direkte Toxine über die forcierte
Gallenausscheidung rascher eliminiert. Beides zusammen mindert schädigende
Einflüsse auf die Hepatozyten und könnte erklären, wieso UDC bei Patienten mit
cholestatischer Lebererkrankung lebensverlängernd wirkt, so Professor Dr. Gustav
Paumgartnern aus München.
Zwar sei der genaue Wirkmechanismus noch ungeklärt, UDC habe sich aber bislang
als einzige wirksame Therapieform neben der Transplantation bei cholestatischen
Lebererkrankungen wie der primär biliären Zirrhose etabliert. Es bessere die
Symptome und Laborparameter. Der Zeitpunkt einer Lebertransplantation könne
deutlich hinausgezögert werden, erklärte der Mediziner bei einem internationalen
Symposium der Falk Foundation in Titisee.
Die Wissenschaftler stellten im Schwarzwald neue wissenschaftlichen Daten zur
UDC vor. Tierexperimentelle Studien, die Professor Thomas A. Brasitus aus
Chicago präsentierte, zeigen, daß die Gallensäure neben nichtsteroidalen
Antirheumatika und Mesalazin der Entstehung eines kolorektalen Karzinoms
vorbeugen kann. Ratten, denen UDC unter das Futter gemischt wurde, entwickelten
seltener ein Karzinom als Kontrolltiere.
Die Untersuchung habe die Diskussion, wie Gallensäure wirkt, erneut belebt. Die
Forscher glauben, daß UDC in das komplexe Gleichgewicht zwischen
Zellerneuerung und Apoptose eingreift und das Absterben älterer Zellen in der
Dickdarmschleimhaut stimuliert, berichtete Professor Dr. Wolf Schmiegel aus
Bochum.
Als gewagt bezeichneten anwesende Wissenschaftler dagegen eine neue Theorie von
Professor Dr. Alan Hofmann aus San Diego: Er stellte in Titisee neue
Untersuchungen vor, wonach UDC die Aufnahme und Akkumulation von
Gallensäuren in Zellorganellen und hier insbesondere in Mikrosomen hemmt.
Hofmann: "Ursodeoxycholsäure scheint eine regelrechte Organellen-Blockade zu
bewirken, auch das könnte seine zytoprotektiven Eigenschaften erklären."
PZ-Artikel von Christine Vetter, Titisee
© 1997 GOVI-Verlag
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