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Enzymblockade entlastet das Herz

27.10.2003  00:00 Uhr
Aldosteronsynthase

Enzymblockade entlastet das Herz

von Brigitte M. Gensthaler, Würzburg

Die Therapie der Herzinsuffizienz ist keine Erfolgsstory. Allein in den USA erkranken jährlich etwa 400.000 Menschen neu und rund 39.000 sterben daran. Die Normalisierung der pathologisch erhöhten Aldosteronsynthese könnte die zunehmende Fibrose am Herzmuskel aufhalten.

Die kardiale Funktionsstörung, die einer Herzinsuffizienz zu Grunde liegt, setzt einen Teufelskreis in Gang. Die durch chronische Herzinsuffizienz bedingte Minderperfusion der Niere aktiviert das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS). In der Folge wird unter anderem vermehrt Aldosteron aus der Nebennierenrinde freigesetzt, was zur Rückresorption von Natrium und Wasser in den Nierentubuli führt und damit das Plasmavolumen erhöht. Außerdem werden durch Aldosteroneinwirkung die Fibroblasten am Herzen stimuliert. Auf Dauer entsteht eine myokardiale Fibrose, die die Herzleistung schwächt, wodurch die Nierendurchblutung weiter abnimmt. Das Herz wird immer mehr belastet und geschädigt.

Die bisherige Therapie der Herzinsuffizienz setzt auf die Anregung der Pumpleistung, zum Beispiel durch positiv inotrop wirkende Digitalisglykoside, und/oder die Entlastung des Herzens durch Wirkstoffe, die die Vor- und Nachlast senken. Dazu gehören Diuretika sowie ACE- und Angiotensin-II-Hemmer.

Dass der Eingriff in das RAAS den Patienten wirklich nützt, zeigte vor wenigen Jahren die RALES-Studie. Die Gabe des Aldosteron-Antagonisten Spironolacton in niedriger Dosierung zusätzlich zur etablierten Therapie reduzierte die Mortalität um fast 30 Prozent. Ähnlich positiv verlief die EPHESUS-Studie mit dem selektiven Antagonisten Eplerenon. Die Mortalität bei akutem Herzinfarkt nahm um 15 Prozent, der plötzliche Herztod um 21 Prozent ab. Diese Wirkstoffe blockieren aber „nur“ die Rezeptoren für Aldosteron und senken nicht dessen Konzentration im Körper. Die myokardiale Fibrose wird nicht gestoppt, gab Hartmann zu bedenken.

Neues Target im Visier

Seine Arbeitsgruppe suchte daher nach Aldosteronsynthese-Hemmern und identifizierte die Aldosteronsynthase als lohnendes Zielenzym. Diese Synthase ist eine mischfunktionelle Oxigenase aus der Gruppe der Cytochrom-P450-Enzyme und heißt auch CYP 11B2. Lokalisiert ist das Enzym in der inneren Mitochondrienmembran der Glomerulosa-Zellen der Nebennierenrinde. Es katalysiert die Umwandlung von 11-Desoxycorticosteron in Aldosteron und wäre das ideale Target, wenn es nicht einen sehr nahen Verwandten hätte, das CYP 11B1. Dieses Enzym, eine Steroid-11β-Hydroxylase, ist für die Umwandlung von Desoxycortisol in Cortisol verantwortlich. Die beiden Verwandten ähneln sich enorm: Sie sind zu 95 Prozent homolog gebaut.

Die Forscher suchten daher Stoffe, die CYP 11B2 blockieren, ohne die Cortisolsynthese oder CYP-Enzyme, die für die Sexualhormonbildung nötig sind, zu beeinflussen. Zudem sollten sie peroral verfügbar sein. Die Suche in früher angelegten Substanzbibliotheken von CYP-Inhibitoren führte zu verschiedenen, Erfolg versprechenden Strukturen.

Wirkstoffe mit Macken

Derivate von Aryl-substituierten Cyclopropa-Tetrahydronaphthalenen banden wie gewünscht gut an CYP 11B2 und reduzierten in vivo die Aldosteronspiegel. Da sie jedoch auch hepatische CYP-Enzyme blockieren, schieden sie als Arzneistoffkandidaten bald aus, berichtete Hartmann. Di- und Tetrahydronaphthalene erwiesen sich als starke CYP-11B1-Hemmer, aber dafür gibt es derzeit keine Indikation. Aus der Reihe der Arylmethyl-substituierten Tetraline und Indane trat die peroral bioverfügbare Substanz HB60 hervor, die selektiv das gewünschte Target hemmt und andere CYP-Enzyme nur in hohen Konzentrationen beeinflusst. Der Stoff hatte nur einen entscheidenden Nachteil: Seine Struktur war veröffentlicht und daher nicht patentierbar.

Die Weiterentwicklung dieser Leitstruktur in Hartmanns Laboratorien führte zu hochpotenten, selektiven CYP-11B1- und CYP-11B2-Inhibitoren. Bis zum Einsatz am Patienten ist es allerdings noch ein weiter Weg. Dennoch werden die Verbindungen schon intensiv genutzt: Am Center for Bioinformatics Saar tragen sie dazu bei, Computermodelle der beiden CYP-Enzyme zu validieren. Diese sollen das Design von aktiven und selektiven Aldosteronsynthese-Hemmern künftig erleichtern.

 

Wirkstoffsuche Stark wirksam, selektiv angreifend, nicht toxisch und nach peroraler Gabe gut bioverfügbar: So sieht der ideale Enzyminhibitor aus. Wie man solchen Arzneistoffen auf die Spur kommt, erklärte Professor Dr. Rolf W. Hartmann von der Universität des Saarlandes bei der Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft Anfang Oktober in Würzburg.

Die Suche, neudeutsch Drug discovery process, beginnt generell mit der Identifizierung und Überprüfung des „richtigen“ Zielmoleküls (Target) für die angestrebte Therapie. Außerdem muss ein geeignetes Testsystem aufgebaut werden, das auf die angestrebte Indikation ausgerichtet ist. Die potenziellen Wirkstoffe werden zunächst in vitro, dann in vivo auf Aktivität und Selektivität geprüft. Möglichst früh sollten Absorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination geklärt werden. Ist das Kandidatenmolekül in vivo aktiv, lohnen sich weitere Tests im Labor.

Dank moderner Methoden gibt es mehrere Wege, eine Substanz zu finden, die optimal an das Target, in der Regel ein Enzym, andockt. Der Fachmann berichtete über „hit finding strategies“. Ist die dreidimensionale Proteinstruktur bekannt, kann man virtuell am Computer den besten Liganden kreieren. Ist sie nicht bekannt, aber das Protein selbst verfügbar, muss der Forscher Molekülbibliotheken im realen Hochdurchsatz-Screening (HTS) auf mögliche Bindungspartner durchforsten. Kennt man nur den endogenen Liganden des Enzyms, kann dessen Modifikationen zu neuen Erkenntnissen führen. Schwierig wird es, wenn weder das Zielprotein verfügbar noch ein Ligand bekannt ist. Dann könne man cDNA (komplementäre DNA) des Proteins von fremden Organismen exprimieren lassen und in Substanzbibliotheken nach einem Liganden fahnden.

Ist erst einmal eine bindende Substanz entdeckt, können die Forscher daraus eine Leitstruktur (Lead) entwickeln, optimieren und prüfen.

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