Pharmazie
Neben der erfolgreichen Behandlung klimakterischer Beschwerden
verspricht die postmenopausale Hormonsubstitutionstherapie (HST), die
Gefahr kardiovaskulärer Erkrankungen, osteoporotischer Frakturen oder
eines Endometrium-Karzinoms zu verringern. Dem Nutzen der HST steht
eine geringe Akzeptanz gegenüber. Sie wird vor allem durch Ängste vor
erhöhtem Brustkrebs- und Embolierisiko begründet. Die Referenten
appellierten auf einer Presseveranstaltung der Firma Opfermann an
Fachpresse und Ärzte, diese Vorbehalte zwar ernst zu nehmen, ihnen aber
mit gutem Wissensstand und differenzierter Beratung entgegenzutreten.
46 Prozent der postmenopausalen Frauen entwickeln eine kardiovaskuläre
Erkrankung, dagegen nur 10 Prozent ein Mammakarzinom, berichtete Professor Dr.
J. Matthias Wenderlein, Ulm. Die kardiovaskuläre Mortalität sei zehnmal höher als
die Brustkrebsmortalität. Das Risiko, nach den Wechseljahren einen Herzinfarkt
oder einen Schlaganfall zu erleiden, könne durch langjährige Estrogengabe gemindert
werden.
Die Häufigkeit einer Brustkrebserkrankung nehme unter einer Estrogentherapie zwar
minimal zu, das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, verringere sich aber
gleichzeitig. Dieses Phänomen wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Lancet als
Ergebnis einer Reanalyse von 51 Studien aus den letzten 17 Jahren veröffentlicht. Es
erklärt sich dadurch, daß Estrogene die Tumorbildung nicht induzieren, sondern
lediglich das Wachstum eines vorhandenen Geschwürs beschleunigen. Er kann dann
früher diagnostiziert und behandelt werden.
Zur kardioprotektiven Wirkung der Hormontherapie tragen viele Einzeleffekte bei.
Das Gesamtcholesterol wird gesenkt, das atherogene LDL wird nachhaltig reduziert,
die HDL-Werte steigen an. Hinzu kommen eine estrogenvermittelte Gefäßdilatation
und antioxidative Eigenschaften. Nach Auffassung von Wenderlein könne auch noch
in höherem Lebensalter mit einer Hormontherapie begonnen werden.
Bei Risiko Langzeitprophylaxe
Zahlreiche Studien belegen, daß die Hormonsubstitutionstherapie bei
postmenopausalen Frauen den Knochenumbau normalisiert und Verluste an
Knochenmasse aufhält. Wie Professor Dr. Johann Ringe aus Leverkusen ausführte,
erlischt aber der prophylaktische Effekt einer fünf- bis siebenjährigen
postmenopausalen Hormonanwendung einige Jahre nach Ende der Therapie. Bei
75jährigen ehemaligen Anwenderinnen sei ein Nutzen nicht mehr nachweisbar.
Gerade ab diesem Alter brechen sich Menschen leichter die Knochen.
Eine Langzeitprophylaxe sei daher aus osteologischer Sicht mindestens für all die
Frauen zu fordern, die ein erhöhtes Osteoporoserisiko aufweisen. Das ist der Fall
bei Frauen mit früher oder iatrogener Menopause, Ovarektomie, sekundärer
Amenorrhoe, familiärer Osteoporosebelastung oder bei Koinzidenz von
Bewegungsmangel, Calcium-Mangelernährung und übermäßigem Nikotin- und
Alkoholkonsum.
Geringere Dosen als zur Kontrazeption
Frau Dr. Martina Dören aus London arbeitete wesentliche Punkte heraus, die über
die Akzeptanz einer Hormonsubstitution entscheiden. Befürchtungen hinsichtlich
unerwünschter Nebenwirkungen seien nicht notwendig. Das vieldiskutierte Risiko,
unter der HST eher einer Brustkrebserkrankung zu erliegen, bestehe nicht, denn:
- Thromboembolische Prozesse werden unter den bei der HST gebräuchlichen
niedrigen Estrogen-Gestagen-Dosen nicht häufiger beobachtet als bei
unbehandelten Frauen. Die Besorgnisse richten sich oft irrtümlich am
Risikoprofil der oralen Kontrazeption aus, wo wesentlich höhere Dosen
eingenommen werden.
- Die estrogenbedingte Gewichtszunahme entsteht durch die sehr erwünschte
Rehydrierung des Gewebes und beträgt nie mehr als ein bis zwei Kilogramm.
Steigt das Körpergewicht weiter an, so ist meist eine chronische
Fehlernährung die Ursache.
- Das Wiederauftreten uteriner Blutungen ist für die verordnenden Ärzte eine
logische Konsequenz der Hormonwirkung auf das Endometrium. Von der
Patientin wird es aber oft als Komplikation aufgefaßt und führt nicht selten
zum Therapieabbruch. Im Beratungsgespräch sollte die Patientin deshalb über
die Wirkung der Hormonsubstitution auf die Uterusschleimhaut informiert
werden.
Bei individuell erkennbarem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen oder
Osteoporose sollte der Arzt die Hormontherapie empfehlen. Ergänzend sollten die
Frauen bei Übergewicht abnehmen, sich viel bewegen sowie auf eine fettarme und
faserreiche Ernährung achten. So könne die Lebensqualität der Frauen über die
Vermeidung von Wechseljahresbeschwerden hinaus verbessert werden.
PZ-Artikel von Halmut Renz, Bremen
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