Pharmazie
Pharmakokinetische und pharmakodynamische Wechselwirkungen von
Arzneimittein und Nahrung zeigte Privatdozent Dr. Horst Wunderer,
München, auf. Aus einer Einnahme von Medikamenten zur Mahlzeit
resultiert immer eine verzögerte Resorption, betonte er. Ist diese bei
Akutbehandlung, zum Beispiel von Schmerzen mit Analgetika oder bei Gabe
von Hypnotika, nicht erwünscht, so ist prinzipiell die Nüchterneinnahme zu
empfehlen.
Unbedingt 1 bis 2 Stunden vor oder notfalls 2 bis 3 Stunden nach der Mahlzeit
sollten magensaftresistente formstabile Tabletten oder Kapseln eingenommen
werden. Bei Einnahme direkt nach dem Essen dauere es möglicherweise 10 bis 12
Stunden, bis diese den Magen verlassen. Werden mehrere Mahlzeiten im Laufe des
Tages eingenommen, so besteht die Gefahr einer Kumulation und Überdosierung.
Verminderung der Bioverfügbarkeit
Wunderer zeigte auf, daß Nahrung die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin auf 67
Prozent, von Penicillin auf 63, Furosemid auf 56, Didanosin auf 53, Norfloxacin auf
52, Penicillamin auf 49, Erythromycin auf 43, Eisen auf 42, Tetracyclin auf 41,
Estramustin auf 36, Indinavir auf 22 und Oxytetracyclin auf 16 Prozent vermindert.
Calcium in Milch oder Mineralwässern beeinflußt die Bioverfügbarkeit aller
Biphosphonate, der Gyrasehemmer Ciprofloxacin und Norfloxacin, von Tetracyclin,
Oxytetracyclin und Estramustin. Gerbstoffe vermindern die Resorption von
Maprotilin und von Eisen-II-Salzen. Ballaststoffe wirken sich bei Doxepin,
Desipramin, Amoixicillin, Penicillin und Lovastatin negativ aus.
Steigerung der Bioverfügbarkeit
Die gleichzeitige Aufnahme von Nahrung steigert die Bioverfügbarkeit von Mefloquin
auf 140, Dixyrazin auf 160, Propranolol auf 163, Itraconazol auf 170, Spironolacton
auf 171, Acitretin auf 190, Cefluroximaxetil auf 197, Vinpocetin auf 200,
Erythromycinethylsuccinat auf 200, Griseofulvin auf 220, Atovaquon auf 330,
Methoxsalen auf 385 und Albendazol auf 500 Prozent. Durch Blockade des
First-Pass in der Dünndarmwand steigert Grapefruitsaft die Bioverfügbarkeit einiger
Dihydropyridin-Calciumantagonisten, von Ciclosporin und Lovastatin.
Retardpräparate
Immer zum gleiche Zeitpunkt, sprich: im gleichen Abstand zur Mahlzeit sollten
Retardpräparate eingenommen werden, deren Resorption vorrangig durch die
Galenik bestimmt wird. Unabhängig von den Eigenschaften des Wirkstoffes kann
Nahrung eine Steigerung oder eine Verminderung der Bioverfügbarkeit aus
Retardformulierungen verursachen beziehungsweise überhaupt keinen Einfluß haben,
so Wunderer.
Pharmakodynamische Wechselwirkungen: Der irreversible unspezifische
MAO-Hemmer Tranylcypromin hemmt den Abbau von Tyramin aus der Nahrung
und führt in Konzentrationen von wenigen Milligramm zu Vasokonstriktionen und
Blutdrucksteigerung bis hin zur Blutdruckkrise mit ihren Folgen. Der Verzicht auf
Nahrungsmittel, deren Tyramingehalt pro Einzelportion über 6 mg liegt, ist angezeigt.
Deutlich sicherer sind die selektiven MAO-Hemmer Modobemid und Selegilin,
führte der Referent aus.
Bei oralen Antikoagulantien vom Cumarintyp, die als Vitamin-K-Antagonisten
wirken, ist Vorsicht geboten vor allem bei Gemüsearten wie Broccoli, Rosenkohl,
Spinat und Weißkraut. Sie enthalten Vitamin K in Mengen, die sich störend auf die
Wirkung der Antikoagulantien auswirken können.
PZ-Artikel von Christiane Berg, Westerland
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