Pharmazie
Die therapeutischen Möglichkeiten bei Leberentzündungen sind
begrenzt. Fatal ist dies vor allem bei den chronisch verlaufenden Formen der
Hepatitis. Professor Dr. Michael Manns von der Medizinischen Hochschule
Hannover, gab auf der Fortbildungsveranstaltung der
Bundesapothekerkammer in Westerland einen Überblick, welchen Schaden
die verschiedenen Virustypen anrichten, und welche Behandlungsoptionen
bestehen.
"Das Alphabet der Hepatitisviren reicht mittlerweile bis zum Buchstaben G." Als
Krankheitserreger seien vor allem die Typen A bis E interessant, sagte Manns.
Während die Hepatitisviren A und C sowie D und E RNA-Viren sind, liegt das
Erbgut des Hepatitis-B-Virus (HBV) auf einem DNA-Molekül.
Der Schweregrad einer Hepatitis A, sei in erster Linie vom Alter des Kranken
abhängig, erklärte Manns. Während die Krankheit bei Kindern und Jugendlichen
zumeist symptomlos verläuft und vollständig ausheilt, muß bei älteren Patienten mit
Komplikationen gerechnet werden. Bei den über 50jährigen sterben immerhin 2,7
Prozent der Infizierten. Nach dem Abheilen der Krankheit verfügt der Körper über
eine vollständige Immunität. Ebenfalls sicheren Schutz gewährt die Impfung, die mit
einer HBV-Imfung kombiniert werden kann. Hepatitis A verläuft immer akut.
Die Infektion mit HEV verläuft ebenfalls nur akut. Allerdings ist die Wahrscheinlich
im Deutschland an Hepatitis E zu erkranken gleich Null, das Virus komme nur in den
Tropen vor, erläuterte Manns. Wie die Hepatitis A heilt die Krankheit in der Regel
vollständig aus. In einem von hundert Fällen komme es allerdings zum akuten
Leberversagen. Ein Impfstoff steht noch nicht zu Verfügung. Nach Manns
Informationen wird zur Zeit eine Vakzine entwickelt.
Wesentlich gefährlicher als die beiden akuten Hepatitis-Formen sind die chronischen
B, C und D. Die Hepatitis B bezeichnete Manns als eine der wichtigsten
Geschlechtskrankheiten, denn Sexualkontakte sind neben gemeinsam benutzte
Drogenspritzen der häufigste Infektionsweg. Zudem haben bestimmte Berufsgruppen
wie Ärzte und Krankenschwestern oder -pfleger ein erhöhtes Risiko.
Nach Manns Angaben verläuft eine HBV-Infektion in fünf bis zehn Prozent der Fälle
chronisch. Von diesen entwickelt jeder vierte eine Leberzirrhose. Chronische
Verläufe gebe es in erster Linie bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem.
Einen sicheren Schutz vor einer Infektion bietet der Kombi-Impfstoff gegen HAV
und HBV.
Indirekt schützt der Impfstoff auch gegen das Hepatitis-D-Virus, denn
Voraussetzung für eine HDV-Infektion ist eine Hepatitis-B-Erkrankung. Hepatitis D
sei eine Superinfektion, die einen noch aggressiveren Verlauf habe als B, sagte
Manns. Bis zu 90 Prozent der Infektionen würden chronisch. Dabei sterben die
Patienten im allgemeinen im Stadium der Zirrhose. Aufgrund der schnellen
Progression seien Krebsfälle selten.
Auch bei einer Infektion mit dem HCV ist das Risiko eines chronischen Verlaufes
sehr hoch. Je nach Untersuchung wird die Wahrscheinlichkeit mit 0,5 bis 0,8
angegeben. In der akuten Phase verläuft die Krankheit meist symptomlos. Wird die
Krankheit chronisch, steigt nicht nur das Risiko einer Zirrhose dramatisch an,
sondern auch die Gefahr an Leberkrebs zu erkranken. Übertragen wird das HCV
durch gemeinsam genutzte Spritzen, Tätowierungen und wahrscheinlich auch beim
Piercing, sexuelle Übertragungen sind dagegen selten.
Manns wies darauf hin, daß 65 Prozent der Lebertumoren auf Virusinfektionen
zurückzuführen seien. Früher hätten Ärzte den Leberkranken unterstellt, sie seien
Alkoholiker, dies sei jedoch nachweislich falsch..
Für die Therapie der Virushepatiden stehen Interferon-alpha 2a, 2b sowie die
natürliche Variante zur Verfügung. Bei HCV-Infektionen ist die Responderquote mit
50 Prozent allerdings relativ gering. Zu einer vollständigen Heilung kommt es sowohl
bei HBV als bei HCV selten. Allerdings belegen Studien, daß bei beiden Infektionen
die Progression zu Leberzirrhose und -krebs verlangsamt wird. Das Therapieregime
ist bei beiden Infektionen gleich. Über sechs Monate werden dreimal pro Woche 3
bis 6 Millionen Einheiten gegeben. Bei HCV-Infektionen seien die Mediziner
mittlerweile dazu übergegangen, nach drei Monaten den Therapieerfolg zu
kontrollieren. Bei Non-Respondern werde die Therapie dann abgebrochen, bei
Respondern werde sie auf ein Jahr ausgedehnt.
Die Versuche, Non-Responder mit Ribavirin weiter zu behandeln, beurteilt Manns
kritisch. Die Substanz habe zumindest in der Monotherapie nicht den erwarteten
Erfolg gezeigt. Hinweise gebe es allerdings darauf, daß die Kombination von
Interferon-alpha mit Ribavirin bei Non-Respondern die Progression verlangsamt.
Responder, die einen Rückfall erleiden, sollten nach Manns Erfahrung ebenfalls mit
der Kombination behandelt werden. In einer schwedischen Studie konnten 40
Prozent der Rückfallpatienten mit Interferon plus Ribavirin langfristig geheilt werden.
Von den Patienten, die Interferon plus Placebo erhielten, wurden nur 20 Prozent
wieder gesund.
In naher Zukunft stehe mit dem HIV-Medikament Lamivudin auch für
immunsupprimierte Hepatitispatienten eine Therapie zur Verfügung, sagte Manns
weiter. Die Therapie mit dem Interferon-alpha sei bei Immunsupprimierten nicht
möglich, da die Substanz das Immunsystem anregt. Lamivudin blockiert bei der
Virusreplikation die Kettenverlängerung und stoppt so die Vermehrung. In Studien
konnte Lamivudin während der Therapie die Viruslast senken, nach dem Absetzen
gab es allerdings häufig einen Rebound.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Westerland
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de