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"Der Apotheker muß sich einmischen"

22.09.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

"Der Apotheker muß sich einmischen"
Pharmacon Westerland

Der Apothekerverband Nierdersachsen hat ein Modell entwickelt, wie Apotheker gemeinsam mit Ärzten das Arzneimittelbudget steuern können: Die Ärzte werden aktuell über den Stand der Budgetausschöpfung informiert, wodurch ein angstgesteuertes irrationales Verordnungsverhalten vermieden werden soll.

"Der Apotheker muß sich noch mehr in das Gesundheitswesen einmischen", forderte Heinz-Günter Wolf, Vorsitzender des Niedersächsischen Apothekerverbandes, auf dem Fortbildungskongreß der Bundesapothekerkammer (BAK) in Westerland. Wenn sich die Apotheker in Zurückhaltung übten, liefen sie Gefahr, schrittweise aus der Arzneimittelversorgung herausgedrängt zu werden. Die heute bekannten Modellversuche hätten eines gemeinsam: Sie laufen ohne Apotheker, obwohl sie sein Arbeitsfeld tangieren. Und auch das Ziel sei bei allen Modellen gleich: Sparen auf Kosten anderer.

Die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 1997 deuteten darauf hin, daß bis zum Jahresende in zahlreichen KV-Bezirken das Budget überschritten werde. Lediglich in 6 von 24 Gebieten lägen die Verordnungen im vorgeschriebenen Budgetrahmen, so Wolf. Verschärft werde die Situation dadurch, daß Ärzte und Krankenkassen in einigen KV-Bezirken Budgetunterschreitungen vereinbart hätten, um Überschreitungen aus den vergangenen Jahren zu kompensieren und Regresse zu vermeiden. Die prekäre Situation verunsichere viele Ärzte und führe zu einem irrationalen Verordnungsverhalten. Dies wolle der Apothekerverband Niedersachsen verhindern, indem er die Ärzte monatlich über ihre individuellen Verordnungen informiert, erläuterte Wolf weiter. Denjenigen Ärzten, die auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung zusteuern, sollen Apotheker ihres Vertrauens Wege aufgezeigt werden, wie die Arzneimittel ökonomischer und gleichzeitig effizienter eingesetzt werden können.

Im einzelnen sieht das Niedersachsen-Modelll vor, daß die Apotheker über das Norddeutsche Apotheken-Rechenzentrum (NARZ) fachgruppenspezifische Monatsdaten über die verordneten Arzneimittel an die Ärzteschaft liefern. Zusätzlich erhalten die einzelnen Ärzte Monatsauswertungen, in denen Brutto- und Nettowerte ihrer Verordnungen aufgelistet sind.

Mit dem Einverständnis des betreffenden Arztes kann auch eine Apotheke Daten über die ärztlichen Verordnungen beim NARZ anfordern. Der Apotheker erhält allerdings nur die Daten über die Verordnungen in seiner Apotheke. Nach Wolfs Einschätzung sind für eine Analyse des Verordnungsverhaltens und ein fundiertes Beratungsgespräch mit dem Arzt 20 bis 30 Prozent der Rezepte einer Praxis ausreichend. In vielen Großstadtapotheken werde wohl auch dieser Wert nicht erreicht, räumte Wolf ein. Er sehe jedoch keinen Grund dafür, warum dieses ungelöste Problem verhindern solle, das Niedersachsen-Modell dort anzuwenden, wo es funktionieren kann.

Neben der Vereinbarung über die Datenlieferung an Ärzte sieht das Niedersachsen-Modell auch eine Vereinbarung über die Aut-idem-Substitution in der Apotheke vor. So sollen mit den Krankenkassen Regelungen zur Aut-idem-Auswahl getroffen werden. Das vom Apothekerverband Niedersachsen vorbereitete Vertragswerk sieht vor, daß Apothekern mindestens fünf Medikamente aus jeder Festbetragsgruppe zur Auswahl stehen und zusätzlich alle Medikamente, deren Preis im unteren Drittel der Festbetragsgruppe liegt. Der Apotheker verpflichtet sich, kein teureres Medikament abzugeben, als der Arzt verordnet hat, es sei denn, der Preis des verordneten Medikamentes liegt im unteren Viertel der Festbetragsgruppe. Wolf betonte, daß sein Verband keine Aut-idem-Quote anstrebe. "Aut idem muß das Resultat eines vertrauensbildenden Prozesses zwischen Ärzten und Apothekern sein."

Keine Regeln ohne Ausnahmen

Wichtig seien die ebenfalls vom Apothekerverband geforderten Ausnahmeregelungen im angestrebten Vertragswerk, nach denen der Apotheker aus pharmazeutischen Erwägungen auch andere Medikamente abgeben darf, etwa wenn Complianceprobleme zu erwarten seien oder wenn der Apotheker qualitative Bedenken gegen eines oder mehrere Präparate habe. Letzteres hält Wolf für selbstverständlich, denn als Heilberufler sei der Apotheker grundsätzlich dazu verpflichtet, auf eine angemessene Qualität der Therapie zu achten. Diese Ausnahmeregelungen treffen bei den Krankenkassen bislang auf wenig Sympathie. Wolf will hier jedoch in keinem Fall nachgeben: "Wir werden keinen Vertrag ohne die Ausnahmeregelungen unterschreiben."

Die in den vergangenen Wochen geübte Kritik an seinen Vorschlägen kann Wolf nicht nachvollziehen. Sein Verband bewege sich hier im Rahmen der These 1 des ABDA-Konzeptes (Verbesserung der Qualität und Sicherheit durch Arzneimittelauswahl) von 1993 und der Petersberger DAV-Empfehlung (Aufforderung an die Landesorganisationen, sich in das Budget- und Richtgrößenmanagement einzubringen).

Wolf hält ein stärkeres Engagement des Berufsstandes bei wirtschaftlichen Fragen für unabdingbar. "Pharmazeutische Mitgestaltung ist nur möglich, wenn wir pharmazeutische Mitverantwortung übernehmen." Das Ziel des Niedersachsen -Modells sei die Institutionalisierung der Rolle des Apothekers. Auch wenn, wie er einräumt, noch nicht alle Detailfragen zur Aufbereitung und Analyse von Verordnungsdaten geklärt seien, sollten die Apotheker jetzt ihr Wissen dafür einsetzen, den Budgetrahmen auf qualitativ hohem Niveau einzuhalten. Passivität sei in der augenblicklichen Situation gefährlich, denn auch andere seien daran interessiert, den Arzt in seinem Verordnungsverhalten zu beraten. Wolf: "Wenn wir nichts tun, bedeutet das nicht, daß sich nichts verändert."

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Westerland Top

 

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