Pharmazie
Nicht ausreichend genutzt werden nach Auffassung von Experten die
Chancen der Lipidsenkung bei Risikopatienten mit Hyperlipidämie. Durch
die richtige medikamentöse Therapie könnten, zumindest bei der
Wirkstoffgruppe der Statine, neben den direkten Effekten auch günstige
Wirkungen auf das Gefäßendothel erwartet werden, hieß es bei einem
internationalen Symposium in Rom.
Selbst wenn eine ausgeprägte Dyslipoproteinämie bekannt ist, erhalten einer
europäischen Erhebung zufolge lediglich knapp ein Drittel der Patienten die
notwendige medikamentöse Therapie. Dabei wurde in verschiedenen klinischen
Studien, unter anderem der 4S-Studie (Scandinavian Simvastatine Survival Study),
gezeigt, daß sich durch eine effektive Reduktion erhöhter Blutfettwerte bei der
Risikogruppe der Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) die Rate
kardiovaskulärer Ereignisse um 30 bis 40 Prozent senken läßt. Dies komme einer
deutlichen Prognoseverbesserung gleich, betonte Professor Dr. Terje R. Pedersen
aus Oslo bei der von MSD unterstützten Veranstaltung.
Besonders wichtig ist die Behandlung nach seinen Ausführungen bei Diabetikern, wie
eine Nachuntersuchung der 4S-Studie ergeben hat. Eingeschlossen waren nämlich
auch 202 Diabetiker mit KHK, deren Daten genauer unter die Lupe genommen
wurden. Das Ergebnis: Diabetiker haben unter Simvastatin fast die gleiche
Prognoseverbesserung wie Nicht-Diabetiker. Allerdings mit einem Unterschied: Da
ihr kardiales Risiko infolge der Stoffwechselstörung per se massiv erhöht ist, dürfte
die Risikominderung absolut gesehen besonders ausgeprägt sein.
"Während wir bei Nicht-Diabetikern zehn Patienten fünf Jahre lang behandeln
müssen, um ein kardiales Ereignis zu verhindern, sind es wegen des größeren Risikos
bei der Gruppe der Diabetiker nur fünf", kommentierte Pedersen das Resultat. Es
sollte seiner Meinung nach zu einer Neubewertung des therapeutischen Vorgehens
führen, wobei in Zukunft nicht nur der Blutzuckerkontrolle, sondern gleichzeitig der
Lipidkontrolle große Bedeutung zugemessen werden sollte.
Doch nicht nur bei Diabetikern, sondern generell bei erhöhtem Arterioskleroserisiko
und bestehender Dyslipoproteinämie sollten nach Ansicht der Wissenschaftler die
therapeutischen Chancen besser genutzt werden. Denn Lipidsenker wie die Statine
reduzieren nicht nur die Blutfettspiegel, sie haben offenbar auch direkt günstige
Wirkungen auf das Endothel, welches eine Schlüsselrolle bei der Atherogenese
spielt. Die Atherogenese werde, so Professor Dr. Peter Libby aus Boston, mehr und
mehr mit entzündlichen Veränderungen in Verbindung gebracht, wobei das
pathogenetische Geschehen offenbar durch zwei inflammatorische Zytokine,
Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor-alpha, forciert wird.
Unabhängig davon gibt es Beobachtungen, wonach eine Hyperlipidämie direkt die
Gefäßwand schädigt und eine endotheliale Dysfunktion bedingt. Solche Prozesse
werden schon früh wirksam, wie Untersuchungen bei Kindern mit familiärer
Hypercholesterolämie gezeigt haben. "Jeder unbehandelte Risikofaktor verursacht
bereits in sehr frühen Stadien endotheliale Schäden", erklärte dazu Professor Dr.
John E. Deanfield aus London. Er sprach sich deshalb für eine konsequente und vor
allem schon frühzeitig einsetzende Hyperlipidämiebehandlung aus.
PZ-Artikel von Christine Vetter, Bonn
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