Pharmazie
Währen der Tour de France wurden mehrere Radrennfahrer des Dopings
überführt und disqualifiziert. Als Dopingmittel wurde in der Presse neben
Epoetin auch PFC genannt. Was verbirgt sich hinter dieser Abkürzung?
Chemisch betrachtet, handelt es sich um Perfluorcarbone, also Kohlenwasserstoffe,
deren Wasserstoffatome alle durch Fluoratome substituiert sind. Anfang der
siebziger Jahre verkörperten diese Verbindungen den Traum vom künstlichen Blut:
immer verfügbar, ohne Infektionsgefahr, blutgruppenunabhängig. Spektakulär waren
die ersten Tierversuche, bei denen Mäuse in sauerstoffgesättigte Perfluorcarbone
eingetaucht wurden und überlebten.
Die Perfluorcarbone können in Abhängigkeit vom Partialdruck große Mengen an
Sauerstoff und Kohlendioxid lösen und auch wieder abgeben. Sie sind chemisch
inert, so daß keine toxischen Metaboliten gebildet werden. Weil es sich um ölige
Flüssigkeiten handelt, müssen sie aber in Form von Emulsionen eingesetzt werden.
Als Blutersatz eignen sich nur flüchtige Perfluorcarbone, die über die Atemluft
ausgeschieden werden. Daher kommen nur wenige Verbindungen in Frage - etwa
Perfluordecalin, Perfluortributylamin oder Perfluoroctylbromid.
Bei der klinischen Prüfung der PFC-Emulsionen traten schwerwiegende Probleme
auf. Die Verbindungen wurden im retikuloendothelialen System gespeichert,
beeinflußten die Makrophagenfunktion, setzten Zytokine frei, waren hepato-,
spleno- und pulmotoxisch, zeigten Effekte auf das Komplementsystem, Tachykardie
sowie Blutdruckabfall. Diese unerwünschten Wirkungen wurden wahrscheinlich
überwiegend von den verschiedenen Emulgatoren hervorgerufen (zum Beispiel
Pluronic F 68 und Eigelb-Phospholipide).
Heute sind die Einsatzmöglichkeiten der Perfluorcarbone sehr beschränkt. Nach wie
vor werden verschiedene Formulierungen als Blutersatz klinisch geprüft. Es ist aber
nur ein kurzfristiger Einsatz in Kriegs- und Katastrophenfällen denkbar. Spätestens
nach 24 Stunden müssen Erythrozyten ersetzt werden, da diese über den
Sauerstofftransport hinaus weitere wichtige Funktionen erfüllen, zum Beispiel im
Kohlendioxidstoffwechsel. PFC könnten auch bei Patienten hilfreich sein, die
Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnen.
Zur Zeit werden sie nur in besonders risikoreichen Fällen bei koronarer Angioplastie
eingesetzt. Bei der Ballondilatation von Koronararterien kann es jenseits des Ballons
zu verminderter Blutversorgung des Gewebes mit Herzrhythmusstörungen und
Angina-pectoris-Anfällen kommen. Dies versucht man, mit der Applikation von
Perfluorcarbon-Emulsionen durch das Lumen des Ballonkatheters hindurch zu
verhindern. Routinemäßig wird dieses Verfahren jedoch nicht eingesetzt. Daneben
kommen einige andere therapeutische Nischen für Perfluorcarbone in Frage, unter
anderem in der Augenchirurgie, in der Strahlenbehandlung von Tumoren und als
Diagnostika.
In welcher Form die Perfluorcarbone beim Doping eingesetzt werden, ist bislang
noch nicht bekannt. Offensichtlich erhofft man sich eine bessere
Sauerstoffversorgung des Gewebes bei Spitzenbelastungen. Die möglichen Folgen
einer solchen illegalen Anwendung, besonders bei wiederholter, häufiger Gabe, sind
unabsehbar.
Artikel von der PZ-Redaktion
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