Pharmazie
Mit der Entwicklung des kurz vor der Zulassung stehenden
COMT(Catechol-0-Methyltransferase)-Hemmers Tolcapon hält ein
pharmakologisch neues Wirkprinzip Einzug in die Therapie von
Parkinson-Patienten, so hofft man. Tolcapon katalysiert sowohl den Abbau
von Levodopa zu 3-0-Methyldopa als auch den von Dopamin.
Großen klinischen Studien zufolge ist die Substanz in der Lage, die Off-Zeiten
(Phasen eingeschränkter Bewegung) der Patienten signifikant zu reduzieren und ihren
Bedarf an dem Standard-Parkinsontherapeutikum L-Dopa zu senken.
Bei Patienten ohne Fluktuationen (Zeiten eingeschränkter Beweglichkeit im Wechsel
mit Zeiten ohne Einschränkung), insbesondere zu Beginn der Erkrankung, lasse sich
der Beginn der Komplikationen hinauszögern, heißt es von seiten des
Herstellerunternehmens Hoffmann-La Roche. In den Studien profitierten auch
Patienten, bei denen die konventionellen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft waren,
von der Behandlung mit Tolcapon. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei dreimal
100mg oder dreimal 200mg und kann sofort ohne langsame Auftitration verabreicht
werden; vorgesehener Handelsname ist Tasmar®.
Den Untersuchungsergebnissen zufolge hemmt Tolcapon im menschlichen Körper
die COMT. Der Wirkeintritt erfolgt ohne Verzögerung, der therapeutische Effekt
bleibt auch bei Langzeitanwendung gleichmäßig erhalten. Die relative Verfügbarkeit
von L-Dopa wird bei gleichzeitiger Gabe von Tolcapon ohne Beeinflussung der
Maximalkonzentration erhöht, was eine gleichmäßige L-Dopa-Zufuhr in das Gehirn
bewirkt. Der positive Effekt des COMT-Hemmers sei dabei unabhängig von der
Dosis und der galenischen Formulierung der L-Dopa-Präparation, teilt der Hersteller
mit.
In einer doppelblinden, placebokontrollierten US-amerikanischen Multicenterstudie
erhielten 298 Parkinson-Patienten zusätzlich zur L-Dopa-Therapie entweder
Placebo oder dreimal täglich 100mg beziehungsweise dreimal täglich 200mg
Tolcapon. Nach sechs Monaten zeigten sich in beiden Verumgruppen signifikante
Verringerungen des ADL-Scores (Maß für die subjektive Befindlichkeit der
Patienten), obwohl die Dopa-Dosis um 6 Prozent (in der 100-mg-Gruppe)
beziehungsweise um 9 Prozent ( in der 200-mg-Gruppe) reduziert wurde.
Gleichzeitig verbesserten sich die motorischen Skalenwerte der Tolcaponpatienten.
Der therapeutische Effekt bleibt über einen 12monatigen Beobachtungszeitraum
bestehen. In der Placebogruppe mußte dagegen die L-Dopa-Dosis um 13 Prozent
pro Tag erhöht werden, um eine Verschlechterung der ADL-Werte zu verhindern.
Hintergrund: Die medikamentöse Therapie des Morbus Parkinson hat zum Ziel, das
Überwiegen cholinerger und glutaminerger Erregungsübertragungsmechanismen in
den Basalganglien auszugleichen. Von den zur Verfügung stehenden
Medikamentengruppen - L-Dopa, Anticholinergika, NMDA-Antagonisten,
Dopamin-Agonisten und Monoaminooxidase-B-Hemmer - kommt dem L-Dopa
eine entscheidende Bedeutung zu. Ein Grund hierfür ist seine gute Wirkung auf das
Achsensymptom der Erkrankung, die Akinese. Bei den meisten Patienten läßt sich
die Symptomatik um über 50 Prozent bessern und damit die Lebensqualität,
berufliche und soziale Aktivitäten entscheidend beeinflussen. Die Mortalitätsrate
sank durch die Einführung von L-Dopa um rund die Hälfte.
Wichtige, aber bisher nur unzureichend gelöste Probleme beim Morbus Parkinson
sind Fluktuationen der Beweglichkeit (End-of-dose-Akinesen) und Dyskinesien. Im
Vordergrund steht dabei der Dopaminmangel, dem man durch frühzeitige
Kombination niedriger L-Dopa-Dosen mit Dopamin-Agonisten zu begegnen
versucht. Durch parallele Gabe von COMT-Hemmern wie Tolcapon läßt sich die
Pharmakokinetik des L-Dopa verbessern. Darüber hinaus konnte gezeigt werden,
daß Wirkungsfluktuationen unter der Kombination von Tolcapon und L-Dopa
später auftreten als L-Dopa-Monotherapie.
Artikel von der PZ-Redaktion
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