Pharmazie
Wissenschaftliche
Studien beweisen: Ein erhöhter Homocysteinspiegel im
Serum ist ein eigenständiger Risikofaktor für
kardiovaskuläre Erkrankungen. Damit noch nicht genug,
multipliziert es außerdem noch die schädliche Wirkung
von Cholesterol, indem es die Oxidation von Low density
lipoprotein (LDL) forciert. Ein Workshop anläßlich der
Jahrestagung der European Society for Clinical
Investigation in Kiel informierte über den neuen
kardiovaskulären Übeltäter.
In einer 1991 begonnenen prospektiven Studie wurden 587
Patienten mit koronarer Herzkrankheit beobachtet. Eine
Stenose der Koronararterien korrelierte signifikant mit
dem Gesamtcholesterol und Lipoprotein (a) - und
tendenziell mit der Plasmahomocysteinkonzentration.
Außerdem konnte erstmals nachgewiesen werden, daß hohe
Homocysteinspiegel die Mortalität signifikant erhöhen.
Das relative Risiko für Konzentrationen größer 20
µmol/l Plasma war siebenmal höher als bei
Konzentrationen unter 9 µmol/l.
Die Wurzel des Übels ist letztendlich der Metabolismus
von Nahrungsmitteln. Aus der essentiellen Aminosäure
Methionin wird nämlich durch Demethylierung zunächst
Homocystein als toxische Aminosäure gebildet. Besonders
Fleisch enthält hohe Mengen an Methionin. Ist der
Stoffwechsel intakt, droht keine Gefahr; Homocystein wird
umgehend abgebaut. Entweder wird es zu Methionin
remethyliert (mit Hilfe von Vitamin B12 und Folsäure)
oder in Cystein umgewandelt, wozu Folsäure, Vitamin B6
und B12 benötigt werden. Die Cystathionin-ß-Synthetase
fungiert dabei als Coenzym.
Mittlerweile konnte man die als normal geltende
Plasma-Homocysteinkonzentration bestimmen. Sie bewegt
sich um 10 µmol/l. Von einer Hyperhomocysteinämie
spricht man ab 15 µmol/l. Männer haben durchweg höhere
Spiegel als Frauen. Bezieht man jedoch nur Frauen nach
der Menopause in den Vergleich mit ein, weisen die Frauen
höhere Homocysteinspiegel auf. Im Alter steigt die
Plasmakonzentration bei beiden Geschlechtern an.
Die Gründe für eine Homocysteinämie liegen zum Teil
auf der Hand: Unterversorgung mit den B-Vitaminen
Folsäure, B6 und B12; Enzymdefekte, besonders der
Cystathionin-ß-Synthetase. In beiden Fällen wird der
Homocystein-Abbau gebremst. Ähnliches gilt für
gleichzeitige Medikamenteneinnahme (Antiepileptika, NO
und Methotrexat). Außerdem können chronisches
Nierenversagen, Krebs, Hypothyreodismus und
Schuppenflechte zu erhöhten Homocysteinspiegeln führen.
B-Vitamine helfen
Klinische Studien haben gezeigt, daß die Substitution
der Vitamine B6, B12 und vor allem der Folsäure den
Homocysteinwert senken können. Die aktuellen
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
von 150 µg Folsäure am Tag sind dafür allerdings zu
niedrig. Es werden mindestens 400 µg benötigt.
Außerdem sollten es 2 mg Vitamin B6 und 6 µg Vitamin
B12 sein. Entsprechend dosierte Medikamente sind im
Handel.
Methotrexat steht im Verdacht, progressive neurologische
Störungen auszulösen. Als Hemmstoff der
Dihydrofolatreduktase führt es zu einer intermediären
Verarmung an 5-Methyltetrahydrofolsäure, welche
Homocystein zu seiner Metabolisierung braucht. Nach
Methotrexatgabe konnte man im Liquor Oxidationsprodukte
von Homocystein (Sulfinsäure, Sulfonsäure) nachweisen.
Experimentelle Befunde zeigen, daß diese Substanzen wie
der exzitatorische Neurotransmitter Glutamat wirken und
NMDA-Rezeptoren aktivieren.
Die Überstimulation von NMDA-Rezeptoren führt zur
Überladung der Neuronen mit Calcium, was als
Pathomechanismus von Schlaganfall, Epilepsie und
neurodegenerativen Erkrankungen diskutiert wird. Die
Rescue-Therapie mit Folsäure soll die neurologischen
Nebenwirkungen von Methotrexat mindern können.
Artikel von der PZ-Redaktion
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