Pharmazie
Die Sonne wirkt wie
eine Infusion auf unser Wohlbefinden. Damit aber unsere
Haut nicht irgendwann mit "Alarmstufe rot"
reagiert, muß sie mit dem richtigen Sonnenschutzmittel
auf die Sonnenexposition vorbereitet werden. Die
Hersteller loben ihre Produkte mit einer Fülle von
Eigenschaften und Faktoren aus.
Ob diese alle für den Verbraucher von Vorteil
sind, war Thema des Vortrags von Dr. Gerd Kindl,
Apotheker aus Baldham, auf einer
Fortbildungsveranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen
Gesellschaft, Landesgruppe Hessen. "Die vielen
Angaben auf den Verpackungen von Sonnenschutzmitteln sind
nicht besonders verbraucherfreundlich, sie wirken
verwirrend", wertete Kindl. Eine Kostprobe:
Lichtschutzfaktor, UVA-Schutz, UVA-Ratio, UVC-Schutz,
ER-Schutz, wasserfest, Bräunungsfaktor,
Belastungsquotient, Alterungsfaktor, photostabil, ohne
Konservierungsstoffe. "Dabei handelt es sich
manchmal eher um Marketinggags als um sinnvolle
Deklarationen", kritisierte Kindl.
Lichtschutzfaktor ist gleich UVB-Faktor
Das entscheidende Kriterium bei der Auswahl des
Sonnenschutzes sei nach wie vor der Lichtschutzfaktor
(LSF), sagte Kindl. Der LSF ist definiert als Quotient
aus der Erythemschwellzeit der geschützten und der
ungeschützten Haut. Der Quotient gibt also die mögliche
Bestrahlungsdauer an, bevor die UVB-Strahlen ein Erythmen
auslösen. Der LSF ist demnach eigentlich ein UVB-Faktor.
Seit 1994 gibt es ein standardisiertes Prüfverfahren zur
Bestimmung des LSF, das der Dachverband der Europäischen
Kosmetikindustrie COLIPA ausgearbeitet hat. Seitdem sind
die LSF-Angaben international genormt, die Werte können
nun miteinander verglichen werden. Die Zeiten der
deutschen DIN, der amerikanischen FDA-Methode und des
australischen Standards bezüglich UVB sind also vorbei.
"Ohne chemische UV-Filter"
UV-Schutz kann auf physikalischem und chemischem Weg
erreicht werden. Während chemische Filter teilweise das
Sonnenlicht absorbieren, streuen und reflektieren
Pulverpartikel die einfallenden Strahlen. Hersteller
werben mit der Bezeichnung Reflektorsystem oder
"ohne chemische UV-Filter" für
Mikropigment-Präparate. Sie enthalten ultrafeines
Titandioxid und Zinkoxid (Teilchengröße zwischen 20 und
100 nm). Durch die Mikronisierung wurde auch der
kosmetisch unerwünschte Weißeleffekt weitestgehend
ausgeschaltet. Als Vorteil der Mikropigmente gegenüber
den UV-Filtern nannte Kindl vor allem ihren Schutzeffekt
vor UVA- und UVC-Wellenlängen. Mikropigmente seien
ideale Breitbandfilter.
Das Problem bei Titandioxid: Es wirkt als Photohalbleiter
und provoziert an seiner Oberfläche die Bildung freier
Radikale. Um dies zu unterbinden, werde Titandioxid mit
Aluminiumoxid oder Siliciumdioxid gecoatet, so Kindl.
Angenehmer Nebeneffekt: Das Pulver wird dadurch
photostabil und leichter dispergierbar. Auf der Packung
ist diese galenische Notwendigkeit mit
"beschichtetes mikrofeines Titandioxid"
umschrieben.
Zum Stichwort UVA-Schutz führte Kindl aus: Neben den
Mikropigmenten gibt es nur zwei Filtersubstanzen, die vor
UVA-Strahlen schützen. Der am häufigsten eingesetzte
Absorber ist Butylmethoxydibenzoylmethan. Der zweite,
Mexoryl SX, stehe noch unter Patent und sei den
L'Oreal-Laboratorien vorbehalten. Großes Plus von
Mexoryl SX: Es ist weitgehend photostabil. Nach einer
Stunde Sonnenbestrahlung weise es noch fast 100 Prozent
Wirksamkeit auf, so Kindl, dagegen kämen andere
UVA-Filter gerade mal auf rund 60 Prozent. Absolut
stabile UVA-Filter gebe es jedoch nicht.
Kindl monierte den Mangel an gesetzlichen Regelungen,
wann ein Produkt einen UVA-Schutz angeben darf:
"Müssen 90 Prozent abgefiltert sein oder reichen 10
Prozent?" Außerdem gebe es keine standardisierte
Methode zur Ermittlung des UVA-Faktors. Deshalb könnten
die UVA-Faktoren nicht miteinander verglichen werden. Die
COLIPA strebt aber eine Vereinheitlichung an.
Die UVA-Ratio ist ein besonderes Deklarationsmerkmal der
Präparate, die von der britischen Apothekenkette Boots
vertrieben werden. Die UVA-Ratio gibt das Verhältnis von
UVB- zu UVA-Schutz an. Neben einem bestimmten Wert wird
die UVA-Ratio durch Symbole dargestellt, die an
Gourmetsterne erinnern. Fünf Sterne stehen für die
beste UVA-Ratio. UVC-Schutz sei fürs Sonnenbaden
unsinnig. Die Ozonschicht fängt die UVC-Strahlen ab. Ist
jedoch auf der Packung UVC-Schutz angegeben, handelt es
sich um Mikropigmente. UV-Filter schützen nämlich nicht
vor UVC-Strahlen.
Ein Präparat mit IR-Schutz anzupreisen, hält Kindl für
unnötig. Infrarotstrahlung bewirke eine gute
Durchblutung und verschärfe ein Erythem. Aber sie
verursache keine biochemischen Veränderungen in den
Hautzellen. Ein Produkt schütze vor allem durch seinen
Wasseranteil vor IR-Strahlen, so daß Hersteller von
Hydrogelen und Lotionen automatisch mit IR-Schutz werben.
Mikropigmente bieten keinen IR-Schutz, dazu müßten die
Pulverpartikel etwa 500 nm groß sein (Weißeleffekt).
Vitamin E habe als Antioxidans seine Berechtigung in
Sonnenschutzmitteln, so Kindl. Es sei in der Lage, die
Lipidperoxidbildung in der Haut zu verringern. Bei
längerer Sonnenexposition entstehen daraus Radikale.
Außerdem haben Studien eine verminderte
Erythementstehung durch Vitamm E bewiesen.
Sinnvoll seien in jedem Fan auch Betacarotin-Tabletten.
50 bis 75 mg täglich, drei Wochen vor der Reise begonnen
und während des Urlaubs eingenommen, böten einen
zusätzlichen Schutz.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
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