Pharmazie
Mibefradil hemmt
bevorzugt die Calciumkanäle vom T-Typ und scheint
deshalb geringere Nebenwirkungen zu haben als
herkömmliche Calciumantagonisten, die vornehmlich an den
L-Kanälen angreifen. Ein zweiter Vorteil dürfte die
bessere Compliance sein, denn bei einer Halbwertszeit von
17 bis 25 Stunden muß die Substanz nur einmal täglich
eingenommen werden.
Sehr hoch bewertet Professor Dr. Josef Zähringer, St.
Josefs-Krankenhaus in Freiburg, die Compliance bei
Mibefradil. Einer britischen Studie zufolge würden
Calciumantagonisten, die mehrfach täglich eingenommen
werden müssen, von jedem zweiten Patienten falsch
angewendet, sagte er auf einer Veranstaltung von
Hoffmann-La Roche in Lugano.
Das Unternehmen will das Tetralinderivat Mibefradil im
Herbst unter dem Handelsnamen Posicor auf den Markt
bringen. Außerdem soll es vom Arzneimittelwerk Dresden
unter dem Handelsnamen Cerate 50 vertrieben werden. Die
Zulassung für die Indikationen koronare Herzkrankheit
und Hypertonie steht laut Roche kurz bevor. Im
dezentralen Zulassungsverfahren hat der Referenzstaat
Niederlande bereits ein positives Votum abgegeben.
Einsprüche aus anderen europäischen Staaten liegen nach
Firmenangaben nicht vor.
T-Kanäle treten in erster Linie an den
Gefäßmuskelzellen, am Sinusknoten und in den kardialen
Vorhofzellen auf, am Myokard dagegen nur in geringer
Dichte. Zudem regulieren sie das neurohumorale System,
führte Professor Dr. Thomas Unger, Universität Kiel,
aus. Der Mechanismus sei allerdings noch nicht bekannt.
Uneins waren sich Unger und Zähringer darüber, wie
selektiv Mibefradil tatsächlich ist. Während der Kieler
Wissenschaftler von einer 3- bis 10fach höheren
Affinität zugunsten der T-Kanäle ausgeht, sprach
Zähringer von einer 50- bis 100fach höheren
Selektivität. In therapeutisch relevanten Dosen (50 und
100 mg) spiele die L-Kanal-Blockade jedoch auf keinen
Fall eine Rolle, so die beiden Professoren
übereinstimmend. Aufgrund seiner relativen Selektivität
habe Mibefradil deutlich weniger Nebenwirkungen als
andere Calciumantagonisten, sagte Unger.
Die Blockade der T-Kanäle bewirke eine periphere
Vasodilatation und eine moderate Senkung der
Herzfrequenz, erläuterte Unger weiter. In klinischen
Studien sei es jedoch zu keinen bedrohlichen Bradykardien
gekommen. Im Gegensatz zu den bereits bekannten
Calciumantagonisten habe Mibefradil keinen
negativ-inotropen Effekt.
Laut Zähringer bietet sich Mibefradil für die
Kombination mit anderen Herzmitteln an. Der Freiburger
Professor bezeichnete die Kombination mit Betablockern
als interessantes Therapiekonzept bei
Angina-Pectoris-Patienten. Studien hätten einen
synergistischen Effekt der beiden Substanzen gezeigt.
Unger erwartet, daß auch Kombinationen mit
Thiazid-Diuretika, AT1-Antagonisten und ACE-Hemmern
therapeutisch sinnvoll sind. Studien dazu stünden
allerdings noch aus. Wenig verspricht er sich dagegen von
einer Kombination mit anderen Calciumantagonisten.
Da keine Verminderung der Herzkontraktilität beobachtet
werden konnte, macht sich der Hersteller Hoffnungen, daß
das Medikament in den nächsten Jahren auch für die
Indikation Herzinsuffizienz zugelassen wird. Eine noch
nicht beendete Studie (MACH-I-Studie) an Patienten in den
NYHA-Stadien I bis IV soll vielversprechend verlaufen.
Die Resultate der Studie werden voraussichtlich 1998
vorgestellt.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Lugano
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