Pharmazie
Die Muttersubstanz
der Dihydropyridine, das Nifedipin, ist kein alter Hut.
Ihre Wirkungen sind gut dokumentiert und die FDA hat die
Calciumkanalblocker im letzten Jahr als sicher
eingestuft. Die Retardformulierung zur einmal täglichen
Gabe ist jedoch günstiger als die klassischen
Darreichungsformen. Dies betonte Dr. Franz-Josef Bohle
von der Bayer AG bei einer Pressekonferenz in München.
Calciumantagonisten blockieren die
Calciumkanäle vom L-Typ in Gefäß-und Herzmuskulatur.
In der Folge wird die elektromechanische Kopplung
gehemmt, bevorzugt in der glatten Gefäßmuskulatur im
Vergleich zum Myokard. Aufgrund dieses Wirkmechanismus
werden die Arzneistoffe bei koronarer Herzkrankheit und
Hypertonie eingesetzt.
Zwei Mechanismen der Geläßrelaxation
Über den bekannten Mechanismus können jedoch
Effekte wie die Hemmung der Thrombozytenaggregation und
die Arterioskleroseprophylaxe nicht erklärt worden.
Tatsächlich wirken Calcium-Kanalblocker besser bei
intaktem als bei vorgeschädigtem Endothel.
Experimentelle Befunde deuten auf eine Beteiligung von
Stickstoffmonoxid (NO) aus dem Endothel hin, erklärte
Professor Dr. Wolfgang Klaus, Köln.
In Untersuchungen in Zellkulturen und tierischen Aorten
steigerten die Dihydropyridine Nitrendipin, Nisoldipin
und besonders Nifedipin die NO-Synthese. Als Mechanismus
wird eine Aktivierung der endothelialen NO-Synthese über
erhöhte intrazelluläre Calciumspiegel angegeben. Auch
in Thrombozyten konnte Nifedipin das Enzym und damit die
NO-Synthese aktivieren. NO wirkt vasodilatierend,
antithrombotisch, antiproliferativ und
antiatherosklerotisch.
Neue Studien klären Langzeiteffekte
Das Leverkusener Unternehmen treibt die
Nifedipin-Forschung mit großem Aufwand voran. Mit der
INSIGHT-Studie ist 1994 die erste Untersuchung
angelaufen, die prospektiv die Wirkung einer
medikamentösen Behandlung auf harte Endpunkte bei
Bluthochdruck-Patienten mit begleitenden Risikofaktoren
untersucht, erläuterte Privatdozent Dr. Friedhelm Späh
aus Krefeld. Als Basismedikation erhalten die Patienten
Nifedipin oder Hydrochlorothiazid/Amilorid. Derzeit sind
7400 Patienten, davon 53 Prozent Frauen, in die
randomisierte, doppelblinde, mindestens dreijährige
Behandlungsphase eingeschlossen. Primäres Ziel ist die
Vermeidung kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt
und Schlaganfall.
Die randomisiert doppelblind angelegte ACTION-Studie
untersucht dagegen, so Professor Dr. Wolf Rafflenbeul aus
Hannover, ob Nifedipin kardiale Ereignisse bei Patienten
mit koronarer Herzkrankheit unterdrücken kann. 6600
Patienten mit chronisch stabiler Angina pectoris erhalten
über durchschnittlich fünf Jahre zusätzlich zur
antianginösen Basistherapie einmal täglich Nifedipin
oder Placebo. In Planung ist eine weitere Studie, die den
Effekt der Kombination von Nifedipin und Cerivastatin auf
die Erholung der Endothelfunktion zeigen soll. ENCORE
soll unter anderem die Relation zwischen Endothelfunktion
und nachfolgenden morphologischen Veränderungen klären.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München
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