Pharmazie
Seit vielen Jahren
werden hormonelle Störungen der Frau erforscht, es
wurden Hormonersatzpräparate und hormonelle
Kontrazeptiva entwickelt. Der Mann wurde in dieser
Hinsicht lange Zeit vernachlässigt. Doch auch hier sind
hormonelle Einflüsse und Mangelerscheinungen bekannt.
Inzwischen gibt es Substitutionsmöglichkeiten. Professor
Dr. Michael Oettel von der Firma Jenapharm erläuterte am
Beispiel von Testosteron, Dehydroepiandrosteron (DHEA)
und Estradiol, wann eine Hormonsubstitution beim älteren
Mann angezeigt ist.
Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr kommt es zum
stetigen Abfall der Testosteron-Serumkonzentration. Das
bedeutet aber nicht, daß alle älteren Männer einen
Testosteronmangel haben. Um einen Hypogonadismus zu
diagnostizieren, ist es notwendig, in drei an
verschiedenen Tagen entnommenen Proben die
Testosteron-Serumkonzentrationen zu bestimmen. Nur wenn
eine Plasma-Testosteron-Konzentration von 3,5 ng/ml in
allen drei Proben unterschritten wird, handelt es sich um
ein Defizit, das man, so Oettel, ausgleichen sollte.
Auswirkungen eines Testosteronmangels sind die Zunahme
des abdominellen Fettes und ein erhöhter Blutdruck.
Deutlicher als bei Testosteron erkennt man
altersabhängige Veränderungen bei DHEA und seinem
Sulfat (DHEAS). Durch die Abnahme des DHEA-Spiegels
verschlechtert sich der Quotient zwischen Cortisol und
DHEA und es kommt zu immunsuppressiven Auswirkungen. Auch
hier ist die Hormongabe nur bei einem nachgewiesenen
Defizit sinnvoll. Klinisch gesichert sind
immunmodulatorische Effekte der DHEA-Gabe und die
positive Korrelation zwischen DHEA- und
DHEAS-Serumspiegeln und den T-Zell-Konzentrationen bei
aidsinfizierten Männern.
Die Bedeutung einer Estrogentherapie beim Mann ist zur
Zeit noch umstritten. Man weiß, daß beim älteren Mann
im Vergleich zum Testosteron relativ mehr 17ß-Estradiol
vorhanden ist. Das bedeutet, daß eine allgemeine
Estrogensubstitution beim älteren Mann nicht notwendig
ist. Männer mit einem Aromatasedefekt haben aber einen
absoluten Estrogenmangel, bei ihnen ist kein Estron- und
17ß-Estradiol nachweisbar. Das klinische Bild entspricht
in diesen Fällen einer Osteoporose. Die Verbreitung des
Aromatasedefekts beim Mann ist bisher unbekannt. Nach
Ansicht Oettels wäre dabei eine Estradiol-Substitution
ein sinnvoller therapeutischer Ansatz. Bisher fehlen aber
große systematische Untersuchungen, aus denen man
gesicherte Hinweise über einen Estradiol-Normbereich bei
Männern in verschiedenen Altersabschnitten festlegen
kann. Auch ein Zusammenhang zwischen
Estradiol-Serumkonzentrationen und der Befindlichkeit
inklusive kognitiver Leistungen, des Sexualverhaltens,
der Herz-Kreislauf-Verfassung und des Skelett-Status ist
noch nicht nachgewiesen.
PZ-Artikel von Monika Noll, Meran
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