Pharmazie
"Es gibt sicher eine ganze Reihe Apotheker, für die Kosmetika in der
Apotheke nach wie vor einen schalen Beigeschmack haben. Man führt sie
zwar, aber eigentlich nur, weil sie nachgefragt werden", mutmaßte
Hans-Günter Friese, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände, in seinem Eröffnungsvortrag. Wer Kosmetika und
damit Dermopharmazeutika belächelt, der wurde auf der 2. Jahrestagung
der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) eines besseren belehrt.
Rund 100 Apotheker, Ärzte und Dermatologen aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz konnte der Vorsitzende Dr. Joachim Kresken zum wissenschaftlichen
Teil der Tagung begrüßen, die vom Govi-Verlag und von Hermes Arzneimittel
unterstützt wurde. Auf die Teilnehmer wartete ein abwechslungsreiches Programm,
das von "neuen Ansätzen für altbekannte Arzeistoffe" bis "relativ neue Wirkstoffe für
altbekannte Indikationen" einiges zu bieten hatte.
Das Immunsuppressivum Cyclosporin A bedeutete eine Innovation für die
Transplantationsmedizin und stellt heute zudem eine potente systemische
Behandlungsmethode für schwere Fälle der Psoriasis und Neurodermitits dar. In
Sachen immunmodulierende Wirkstoffe hofft das Herstellerunternehmen Novartis,
bald einen weiteren Trumpf ausspielen zu können. Mit einer Verbindung vom
Ascomycin-Typ hat das Unternehmen einen Wirkstoff in der Forschungspipeline,
"der in ersten klinischen Untersuchungen hohe Wirksamkeit gegen atopische
Dermatitis, Kontaktallergien und Psoriasis gezeigt hat", sagte Professor Dr. Anton
Stütz, vom Sandoz Forschungsinstitut in Wien.
Der Vorteil des Ascomycin-Derivats SDZ ASM 981 im Vergleich zu Cyclosporin A
ist seine Wirksamkeit nach oraler und Topsicher Anwendung. Erste klinische
Studien an Psoriasispatienten haben einen vergleichbaren antiinflammatorischen
Effekt gegenüber den Corticosteroiden Clobetasol und Fluticason ergeben. Eine
Hautatrophie ist dabei nach den Ausführungen Stütz nicht registriert worden. Die
Wirkung komme durch eine Hemmung der T-Zellaktivität zustande. Derzeit befinde
sich das Ascomycin-Derivat in der Phase II.
Auch Professor Dr. Thomas Ruzicka von der Hautklinik in Düsseldorf beschäftigt
sich intensiv mit Immunsuppressiva: "Topisch wirksame Immunsupressiva werden zu
der wichtigsten Substanzgruppe in der Dermatologie in den nächsten Jahren
avancieren." Neben Ascomycin ist Tacrolimus die am weitesten erprobte Substanz.
Im Vergleich zu Cyclosporin hat Tacrolimus ein niedrigeres Molekulargewicht, was
möglicherweise der Grund für die bessere topische Wirksamkeit ist. Während
Tacrolimus systemisch verabreicht Schuppenflechte-Plaques schnell zur Abheilung
bringt, schlägt es topisch aufgetragen kaum an.
Anders bei der Neurodermitis: Innerhalb weniger Tage bessert sich die kutane
Entzündungsreaktion und der Juckreiz wesentlich. Ruzicka sprach von einer
70prozentigen Besserung gegenüber Vehikel. "Nach dreiwöchiger Therapie erzielt
eine 0,1prozentige Tacrolimus-Zubereitung bei den meisten Patienten eine
weitgehende Remission." Damit sei Tacrolimus so potent wie die Glucocorticoide,
wertete der Referent. Nach der Tacrolimus-Behandlung wurden keine atrophischen
Effekte beobachtet.
Die therapeutische Wirksamkeit dürfte zum einen auf die Inhibition der
T-Zellfunktion und die Beeinflussung von immunregulatorischen Cytokinen
zurückzuführen sein. Interessanterweise werden nicht nur inflammatorische Cytokine
gehemmt, sondern auch antiinflammatorische Zytokine induziert. Zusätzlich beeinflußt
Tacrolimus die Mast- und Epidermiszellen. "Das breite Netzwerk an vermittelnden
Reaktionen erinnert an die Wirkung von Glucocorticoiden", verglich Ruzicka.
Neues aus der Kosmetikforschung: Lipopearls®
Die neue Generation nach den Liposomen heißt Lipopearls. Nach den Ausführungen
von Professor Dr. Rainer Müller, Pharmazeutisches Institut der Freien Universität in
Berlin, sind Lipopearls ein neues Drug-delivery-System, das die Vorteile von
Emulsionen, Liposomen und festen Polymernanopartikeln in sich vereinigt. Die
Arbeitsgruppe um Müller hat diese ultrafeinen Partikel aus gut verträglichen festen
Lipiden zur Marktreife gebracht und sie unter dem Warenzeichen Lipopearls im
Bereich der Kosmetik eintragen lassen. In der Pharmazie spricht man von SLN
(Solid Lipid Nanoparticles).
Diese festen Lipidnanopartikel haben eine mittlere Partikelgröße von 80 nm bis
1000 nm. Sie bestehen aus einem festen Lipid, das in wäßriger Dispersion mit einem
Tensid oder Polymer stabilisiert ist. Ihre Herstellung erfolgt durch
Hochdruckhomogenisation von Lipiden im geschmolzenen Zustand oder im festen
Aggregationszustand.
Enthält eine Creme oder Gel Lipopearls als Wirkstoffträger, so lasse sich die
Zubereitung sehr gut auf die Haut auftragen, informierte Müller. Die dichte Packung
der Nanopartikel steigere den okklusiven Effekt und verbessere dadurch die
Wirkstoffpenetration. Die festen Lipopearls gewährleisten außerdem eine längere
Haltbarkeit als beispielsweise Liposomen. "Liposomen lösen sich mit der Zeit in den
Emulsionstropfen auf, weil ein Austausch mit Wasser stattfindet", erklärte Müller.
Mit Wirkstoff beladene Lipopearls waren dagegen, so Müller, noch nach drei
Monaten zu 90 Prozent stabil. Die feste Matrix erlaube zudem eine kontrollierte
Wirkstofffreisetzung. Besonders eigneten sich Lipopearls für liphphile Wirkstoffe wie
Interferone oder Peptide.
"Die Einarbeitung von SLN in Topika ist recht simpel", erläuterte Müller. Entweder
rührt man eine konzentrierte wäßrige SLN-Dispersion in eine Creme oder Lotion ein
oder man ersetzt direkt einen Teil des Wassers durch SLN-Dispersion. Ein
Großansatz einer SLN-Dispersion soll demnächst für die Apothekenrezeptur
erhältlich sein.
Ziel: Kosmetika ohne Tierversuche
Nur drei Prozent aller Tierversuche in Europa werden für Kosmetika gemacht. Jene
Tierversuche sind es aber, die im Mittelpunkt der Tierschützerkritik stehen. Ab 30.
Juni 2000 sollen nun endgültig keine Kosmetikprodukte mehr auf den Markt
kommen, deren Bestandteile im Tierversuch geprüft wurden. So bestimmen es die
EU-Richtlinien. Da es unrealistisch ist, abrupt auf Tierversuche zu verzichten, so
Professor Dr. Horst Spielmann, Leiter der Zentralstelle zur Erfassung und
Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch im Bundesinstitut
für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, steigen die
EU-Länder schrittweise aus.
Demnach werden kosmetische Fertigprodukte ab sofort nicht mehr im Tierversuch
getestet. In Deutschland wird dieses Verbot bereits seit 1987 realisiert, England,
Frankreich und Österreich prüften allerdings noch im Tierversuch. Der zweite Schritt
des Stufenplans sieht vor, daß Hautpenetration, Hautreizung, Korrosivität und
Phototoxizität neuer Inhaltsstoffe bis zum Jahr 1999 mit Alternativmethoden getestet
werden können. Die Prüfung der Augenreizung von Inhaltsstoffen lasse sich ohne
den Draize-Test am Kaninchenauge nicht vor dem Jahr 2000 umsetzen.
Noch ist nicht abzusehen, ob es bis zum Stichtag für alle sicherheitstoxikologischen
Prüfungen einen Ersatz geben wird, sagte Spielmann. Probleme sieht er
beispielsweise bei der Entwicklung von In-vitro-Tests, um Inhaltsstoffe auf
sensibilisierende Eigenschaften oder auf Toxizität zu untersuchen.
Pflegelotionen für trockene Haut
Die GD-Fachgruppe Dermokosmetik will Leitlinien definieren, die aus fachlicher
Sicht die Anforderungen für kosmetische Produkte festlegen. "Als erstes nehmen wir
uns die Körperpflegelotionen vor, die für trockene Haut angeboten werden",
informierte Professor Dr. Rolf Daniels, Pharmazeutisches Institut für Technologie,
Braunschweig. "Die zu erarbeitenden Standards sollen die Beratung in der Apotheke
erleichtern."
Bisher sei es recht schwierig, im Beratungsalltag die Produkte zu beurteilen, weil die
Herstellerunternehmen mit Informationen zu Produkteigenschaften gerne hinter dem
Berg halten. Die Firmen loben ihre Produkte zwar mit "fett- und
feuchtigkeitsspendend" oder "schützend" aus. Eine Spezifizierung des
Wirksamkeitsnachweises, der entsprechned der Kosmetikverordnung eigentlich
gefordert wird, fehlt allerdings oft. Daniels: "Er wird nicht selten mit Formulierungen
wie "klinisch getestet" oder "dermatologisch geprüft" umschrieben."
Trockene Haut ist meist sehr empfindliche und vorgeschädigte Haut. In Anbetracht
dieser Tatsache sei das Ergebnis einer Inhaltsstoffanalyse von Pflegelotionen für
trockene Haut erschreckend, sagte Daniels. Nach Daniels Ausführungen sind nur 11
von 44 Präparaten unparfümiert und nur 6 von 44 unkonserviert. Die Parabene sind
trotz ihres bekannt hohen Allergisierungspotentials die meist eingesetzten
Konservierungsstoffe (19mal). Die zu erarbeitenden Leitlinien sollen helfen,
Produkte mit ungeeigneten Inhaltsstoffen leichter zu identifizieren, sagte Daniels.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Wiesbaden
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