Pharmazie
Die Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PCP) ist eine opportunistische
Infektion, die fast nur bei immunsupprimierten Patienten auftritt. Über 60
Prozent der Aidspatienten erkranken daran. In der Prophylaxe werden
Pentamidin-Inhalationen eingesetzt, als Mittel der Wahl in der Therapie gilt
Cotrimoxazol. Daneben wird Pentamidin parenteral verwendet. Beide
Arzneistoffe sind wirksam, aber mit erheblichen unerwünschten Wirkungen
belastet. Als neuer Arzneistoff steht jetzt Atovaquon für diese Indikation zur
Verfügung.
Atovaquon, 2-[trans-4-(4-Chlorphenyl)-cyclohexyl]-3-hydroxy- 1,4-naphthochinon
(IUPAC), ist ein Hydroxynaphthochinon-Derivat mit einem
p-Chlorphenyl-cyclohexyl-Rest in 2-Stellung. Es hat keine Ähnlichkeit mit anderen
Protozoenmitteln. Für seinen Wirkungsmechanismus ist die Strukturverwandtschaft
mit Ubichinon bedeutsam.
Indikation und Anwendung
Wellvone® (Atovaquon) ist indiziert zur Akutbehandlung von milden bis mäßig
schweren Formen der PCP, wenn eine Behandlung mit Cotrimoxazol nicht vertragen
wird. Die empfohlene Dosis für die Suspension beträgt zweimal täglich 750 mg über
21 Tage. Von den Tabletten sollen dreimal täglich 750 mg genommen werden. Das
Arzneimittel ist zusammen mit einer Mahlzeit einzunehmen, weil Nahrungsmittel
durch ihren Fettgehalt sowie die dadurch ausgelöste Gallensäure-Sekretion eine
ausreichende Absorption gewährleisten.
Bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion wurde Atovaquon
nicht untersucht, so daß keine speziellen Dosierungsempfehlungen gegeben werden
können. Bei diesen Patienten ist daher aus Gründen der Vorsicht die Therapie
engmaschig zu überwachen.
Wirkungen und Wirkungsmechanismus
Atovaquon ist ein Hemmstoff des mitochondrialen Elektronentransports in der
Atmungskette. Es bindet an das Cytochrom bc
1 (Komplex III), wahrscheinhch
aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit Ubichinon. Dadurch wird im weiteren
Verlauf die Dihydroorotat-Dehydrogenase, das Schlüsselenzym der
Pyrimidin-Synthese, gehemmt und die Nukleinsäure-Synthese beeinträchtigt. Durch
diesen Mechanismus ist auch die selektive Wirkung auf Protozoen zu erklären.
Säugetierzellen verfügen im Unterschied zu Protozoen über einen weiteren Weg der
Synthese von Pyrimidinen.
Dieser Wirkungsmechanismus scheint bei Toxoplasmen, Plasmodien und
Pneumocystis carinii zu greifen. Bei P. carinii wird anscheinend auch die
ATP-Synthese vermindert, da die Atmungskette mit der oxidativen
Phosphorylierung verknüpft ist.
Atovaquon ist wirksam und sicher in der Behandlung von PCP-Infektionen bei
Aidspatienten. Seine Wirksamkeit bei dieser Indikation ist allerdings schwächer als
die von Cotrimoxazol, dem Mittel der Wahl. Deshalb ist Atovaquon nur dann
indiziert, wenn Cotrimoxazol nicht vertragen wird, da es besser verträglich ist.
Unerwünschte Wirkungen, die die Behandlung mit dem Protozoenmiittel
einschränken, sind seltener als bei Cotrimoxazol.
Auch bei anderen Protozoenkrankheiten ist Atovaquon wirksam. Ein
Kombinationspräparat mit Atovaquon und Proguanil für die Therapie der Malaria
tropica ist bereits zugelassen (Malarone®). Der mögliche Einsatz gegen zerebrale
Toxoplasmose bei Aidspatienten wird noch klinisch geprüft.
PZ-Artikel von Petra Zagermann-Muncke, Eschborn
© 1997 GOVI-Verlag
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