Pharmazie
Erhöhte Cholesterolspiegel gelten als wesentlicher Risikofaktor für die
Entstehung von Arteriosklerose. Experten gehen davon aus, daß auch durch
freie Radikale oxidativ veränderte Lipoproteine an der Pathogenese von
Folgeerkrankungen der Arteriosklerose beteiligt sind. Selbst oxidativ gering
modifiziertes LDL soll den atherogenen Prozeß auslösen können. Neue
pharmakologische Untersuchungen sowie begleitende Therapiestudien
zeigen, daß hoch dosierte Artischockenblätterextrakte eine Alternative in
der Prävention von Arteriosklerose sind. Der Extrakt vereint lipidsenkende
Eigenschaften mit einer ausgeprägt antioxidativen Wirkung.
Im französischen Sprachraum zählten Zubereitungen aus Artischockenblättern
bereits in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zu den Standardtherapeutika bei der
Behandlung erhöhter Cholesterolwerte. Damals war über die Zusammenhänge und
Funktionen der einzelnen Blutlipide jedoch noch wenig bekannt. Durch die
Entdeckung hochwirksamer synthetischer Lipidsenker verloren die pflanzlichen
Wirkstoffe an Bedeutung. Heute, in einer Zeit systematischer
Arzneipflanzenforschung, wenden viele Therapeuten wieder gerne hochdosierte
Phythopharmaka an.
In einer Anwendungsbeobachtung zur Effektivität von hochdosiertem
Artischockenblätterextrakt an 553 Dyspepsie-Patienten untersuchte Fintelmann auch
die Blutlipidparameter und stellte innerhalb des verhältnismäßig kurzen
Einnahmezeitraumes von sechs Wochen einen Rückgang des Gesamtcholesterols um
11,5 Prozent fest. Bei den HDL-Werten registrierte er einen leichten Anstieg. Auch
bei einer sechsmonatigen Anwendung beobachteten Wissenschaftler eine
Lipidsenkung.
Aus einer Probandenstudie geht zudem hervor, daß unter der Therapie mit
Artischockenblätterextrakt die Blutlipidspiegel nicht unter physiologische Werte
absinken. Das ist angesichts der unphysiologischen und schädlichen Auswirkung zu
niedriger wie auch zu hoher Cholesterolspiegel ein therapeutisch gewichtiges
Argument.
Bereits in den 30er Jahren beschrieben Wissenschaftler die Auswirkungen der
Cynara-Therapie auf cholesterolhaltige Ablagerungen an Gefäßen, Augen und Haut.
Extrakte von Cynara scolymus hemmten im Rattenversuch die Ausbildung
arteriosklerotischer Gefäßwandveränderungen.
Cholesterolsenkende Effekte der Artischocke wurden zwar in mehreren Arbeiten
untersucht, der Wirkmechanismus blieb jedoch lange Zeit ungeklärt. Erst 1996
gelang Gebhardt der Nachweis einer Hemmung der Cholesterolsynthese, die auf
mehreren Ebenen stattfindet. Die zunächst an Rattenhepatozyten vorgenommenen
Untersuchungen konnten kurz darauf an humanen Leberzellen bestätigt werden.
Zusammen mit der seit langem bekannten Steigerung der Cholerese führt
Artischockenblätterextrakt somit über zwei unterschiedliche Wege zur Senkung
erhöhter Cholesterolspiegel: über die Hemmung der Cholesterolneubildung und über
eine verstärkte Cholesterolelimination durch die Steigerung der
Gallensäuren-abhängigen Cholerese.
Schutz vor oxidativer Veränderung des LDL
Aktuelle Studien belegen, daß die oxidative Veränderung von LDL-Cholesterol zu
o-LDL einer der Initialschritte in der Pathogenese arteriosklerotischer Ablagerungen
ist. Das Abfangen der für die Schädigungen im wesentlichen verantwortlichen freien
Radikale innerhalb der Lipidphasen des Organismus erfolgt insbesondere über
Vitamin E im Zusammenspiel mit wasserlöslichen Antioxidantien, allen voran dem
Vitamin C.
Daß auch wirksame Naturstoffe Blutfette vor einer Oxidation schützen können,
zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung am Guy's Hospital in London. Im Modell
einer durch Kupferionen induzierten LDL-Oxidation bewirkte der
Artischockenblätter-Spezialextrakt eine ausgeprägte, direkt konzentrationsabhängige
Hemmung der Lipidperoxidation unter gleichzeitiger physiologischer Einsparung von
endogenem (RRR)-alpha-Tocopherol. Die Untersuchung von Brown und
Rice-Evans zeigt, daß der Extrakt oxidative Schädigungen des LDL vorbeugen kann
und so durch Unterbindung des Initialschrittes präventiv in die Pathogenese
arteriosklerotischer Gefäßwandveränderungen eingreift.
Diese Ergebnisse bestätigen ältere Befunde. 1995 konnte Gebhardt an
Primärkulturen von Rattenleberzellen aufzeigen, daß Artischockenblätterextrakt die
durch den Radikalbildner t-Butylhydroperoxid (t-BHP) induzierte
Malondialdehyd-Produktion signifikant hemmt. Eine erhöhte
Malondialdehyd-Produktion ist das Ergebnis abnehmender Aktivität der
Leberzellkulturen und somit als indirektes Maß für den Grad der oxidativen
Zellschädigung zu werten. Bereits Konzentrationen im Bereich von 1 µg/ml reichten
aus, um die radikalisch induzierte Bildung von Malondialdehyd signifikant
herabzusetzen.
In Folgeuntersuchungen an kultivierten Leberzellen wies Gebhardt nach, daß der
Artischockenblätterextrakt auch einen weitgehenden Schutz vor dem Lebergift
Tetrachlorkohlenstoff bietet. Vergleichbare Resultate wurden kürzlich von einer
Forschergruppe an der Universität Barcelona an menschlichen Blutzellen erzielt.
Durch Stimulation polymorphkerniger Neutrophile mit Wasserstoffperoxid und
Phorbol-12-myristat-13-acetat und gleichzeitiger Inkubation mit
Artischockenblätterextrakt konnten sie zudem nachweisen, daß der Extrakt nicht nur
als direkter Radikalfänger wirkt, sondern zusätzlich bereits hemmend in die
Neubildung reaktiver Sauerstoff-Spezies eingreift.
PZ-Artikel von Jürgen Kreimeyer, Greffen, und Mathias Schmidt, Warendorf
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