Pharmazie
Der Wirkstoff Sulpirid wird seit vielen Jahren als atypisches
Neuroleptikum eingesetzt. Inzwischen mehren sich aber Hinweise darauf,
daß die Substanz in niedriger Dosierung auch eine gute antidepressive
Potenz besitzt.
Nicht immer ist den Medizinern bei der Einführung eines neuen Wirkstoffs bereits
klar, welche Patienten von der Medikation tatsächlich am meisten profitieren. Das
zeigt jedenfalls das Beispiel des Sulpirid. Dieses besitze eine dreidimensionale
Wirksamkeit, erklärte Professor Dr. Hanns Hippius aus München bei einer von
Dolorgiet und Hormosan initiierten Pressekonferenz in Aschau. Sulpirid wirkt in
hoher Dosierung antipsychotisch und wurde deshalb bislang vorwiegend als
atypisches Neuroleptikum eingesetzt. Dabei erkannte man zunehmend, daß der
Wirkstoff in niedriger Dosierung außerdem eine antidepressive Wirkung hat. Wird
die Dosierung noch weiter reduziert, scheint Sulpirid sogar leicht beruhigend und
angstlösend zu wirken.
Besonders interessant für die Praixis sind nach Hippius jedoch derzeit die
antidepressiven Effekte, zumal es sich beim Sulpirid um eine gut steuerbare Substanz
mit geringem Nebenwirkungspotential handele. Was es mit der antidepressiven
Wirksamkeit tatsächlich auf sich hat, wurde jetzt in einer doppelblinden
placebokontrollierten Multizenter-Studie überprüft. Eingeschlossen waren 177
Patienten mit milder bis mittelschwerer Depression. Nach einer einwöchigen
Placebo-run-in-Phase erhielten sie zusätzlich zu einer Gesprächstherapie sechs
Wochen lang entweder 150 bis 300 mg Sulpirid täglich oder Placebo.
Nach Studienablauf waren die Daten von 153 Patienten auswertbar. In beiden
Studienarmen ergab sich eine deutliche Besserung in der
Hamilton-Depressions-Skala (HAM-D), die jedoch unter Sulpirid statistisch
signifikant ausgeprägter war als unter Placebo. Der Unterschied war bereits nach 14
Tagen faßbar, so Studienleiter Professor Dr. Eckart Rüther, Göttingen. Dies deute
auf einen sehr raschen Wirkeintritt des Medikamentes hin. Diesen bestätigt Dr. Hans
Joachim Rentrop, niedergelassener Nervenarzt in Bonn. Während andere
Antidepressiva nach seinen Worten mindestens vier Wochen benötigen, ehe ihre
Wirkung voll zum Tragen kommt, ist dies beim Sulpirid meist schon nach etwa zwei
Wochen der Fall.
Als besonderen Vorteil des Wirkstoffs hob Rentrop dessen gute Verträglichkeit
hervor. So sei unter Sulpirid nicht mit problematischen Nebenwirkungen wie
Kardiotoxizität zu rechnen und auch gastrointestinale Begleiteffekte wie Übelkeit
oder zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel treten normalerweise nicht auf.
Sulpirid wirke außerdem nicht sedierend, könne aber offensichtlich dennoch die
Schlafqualität der Betroffenen verbessern.
Als wichtigste Nebenwirkung, auf die zu achten ist, nannten die Mediziner ein
Spannungsgefühl in der Brust und eine manifeste Galaktorrhoe, die dadurch bedingt
ist, daß Sulpirid die Prolaktinspiegel steigert. Allerdings seien diese Effekte nach
Absetzen der Medikation reversibel. Die Galaktorrhoe ist, so das Studienergebnis,
bei rund 2,4 Prozent der Patienten zu erwarten.
PZ-Artikel von Christine Vetter, Aschau
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