Pharmazie
Seit Dezember letzten Jahres ist das Immunsuppressivum Ciclosporin in
Deutschland auch als Basistherapeutikum zur Behandlung der schweren
Rheumatoiden Arthritis (synonym chronische Polyarthritis) zugelassen. Vor
dieser Indikationserweiterung konnte es bereits zur Prophylaxe von
Tranplantatabstoßungen sowie unter anderem zur Behandlung
therapieresistenter atopischer Dermatitis und Psoriasis eingesetzt werden.
Von der zusätzlichen Indikation erhoffen sich Experten deutliche Fortschritte in der
Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA). Unter der entzündlichen
Autoimmunerkrankung des Bewegungsapparates leiden rund ein Prozent der
Deutschen, ihre Lebenserwartung ist um bis zu 10 Jahre verkürzt. Die Erkrankung
gehöre zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit, Frühberentung und die
Inanspruchnahme von Reha-Maßnahmen, verdeutlichte Professor Dr. Gerd R.
Burmester, Direktor der Poliklinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie der
Berliner Humboldt-Universität am 18. März in Frankfurt. Mögliche
Therapieverbesserungen durch Ciclosporin (Sandimmun Optoral) sehen die
Fachleute unter anderem im Hinblick auf eine Verzögerung der progressiven
Gelenkzerstörung bei der RA. Besonders erfolgreich scheine dabei die Kombination
mit anderen Basistherapeutika wie Methotrexat.
Der Einsatz von Ciclosporin in der Rheumatologie werde bereits seit 1985 in
Studien erprobt, sagte Privatdozent Dr. Klaus Krüger von der Rheuma-Einheit der
Ludwig-Maximilians-Universität und des Rheuma-Zentrums München bei einer von
der Herstellerfirma Novartis initiierten Pressekonferenz in Frankfurt. Bis Frühjahr
letzten Jahres seien weltweit bereits über 40.000 schwere RA-Patienten damit
behandelt worden. Im Vergleich zu Placebo zeige das Immunsuppressivum eine
signifikant bessere Wirkung; gegenüber Standardtherapeutika wie Azathioprin oder
parenteralem Gold seien sowohl Wirkeffekte als auch Nebenwirkungen
vergleichbar, faßte er den derzeitigen Kenntnisstand zusammen.
Wirkprinzip genau bekannt
Als vorteilhaft wertet Krüger den definierten Wirkmechanismus des Ciclosporins.
Das cyclische Polypeptid hemmt die Aktivierung der T-Lymphozyten und die
Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Interleukin-2. Den T-Lymphozyten
wird eine zentrale Rolle im Krankheitsgeschehen der RA zugeschrieben, auch wenn
nach wie vor verschiedene Hypothesen über die Ätiologie der
Autoimmunerkrankung existieren und die genauen Ursachen noch nicht geklärt sind.
Bei der kombinierten Anwendung von Ciclosporin bei der RA könne man auf rund
vierjährige Erfahrungen zurückblicken, diese zeigten aber durchaus positive
Tendenzen. Krüger zitierte ein Studie mit 148 Rheumapatienten. 48 Prozent zeigten
unter kombinierter Anwendung von Ciclopsorin und Methotrexat eine deutliche
klinische Verbesserung; unter Methotrexat-Monotherapie war dies nur bei 16
Prozent der Fall.
Die Wirkungsverstärkung unter Kombitherapie erklärt man sich durch synergistische
Effekte der beiden Basistherapeutika. Sie greifen in unterschiedliche Mechanismen
des Enzündungsgeschehens ein. So wirkt Methotrexat auf Makrophagen,
Monozyten und die Freisetzung von Interleukin-1, Ciclosporin hemmt die
Aktivierung von T-Lymphozyten und die Sekretion proinflammatorischer Zytokine
wie Interleukin-2 und Interferon-gamma. Die Nebenwirkungsrate war laut Krüger
bei kombinierter Anwendung vergleichbar den jeweiligen Monotherapien, die
Dosierung der Einzelsubstanzen war in Kombination niedriger.
Nebenwirkungen und Dosierung
Unter der Behandlung mit Ciclosporin sei eine regelmäßige Kontrolle von
Nierenfunktion und Blutdruck unerläßlich, betonte der Rheumatologe. Als
wirkungsimmanente Nebenwirkung nannte er die Unterdrückung der körpereigenen
Abwehr, was bei hohen Dosen zu einer verstärkten Infektanfälligkeit führen kann.
Ein überdurchschnittlich hohes Auftreten von Krebsfällen sei unter der zur
RA-Therapie empfohlenen Ciclosporindosierung bislang nicht beobachtet worden.
Das für die RA-Therapie zugelassene Dosierschema sieht zu Beginn der Behandlung
eine Tagesdosis von 2,5mg Ciclosporin/kgKG vor, die je nach Ansprechen und
Krankheitsverlauf auf 4mg (maximal 5mg)/kgKG erhöht werden kann. Die
Tagesdosis ist auf zwei Einzelgaben zu verteilen, die im Abstand von etwa 12
Stunden genommen werden sollten.
Einig waren sich die Experten in Frankfurt, daß die Erstbehandlung und -einstellung
des Patienten mit Ciclosporin in die Hand eines erfahrenen Rheumatologen gehört.
Die weitere Behandlung müsse dann in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen
Hausarzt, Rheumatologen, Krankengymnasten und Orthopäden erfolgen. Unstrittig
ist für die Fachleute, daß eine möglichst frühe Diagnose und Therapie der RA
wichtig ist, um den progressiven Verlauf möglichst zu stoppen. Auch die Ergebnisse
einer internationalen Konsensuskonferenz im letzten Jahr weisen in diese Richtung:
Deren Empfehlungen zur Ciclosporintherapie tendieren laut Krüger bereits zum
frühzeitigen Einsatz wenn dies aus medizinischen Gründen angebracht erscheint. Die
Zulassung gilt bislang nur für schwere Fälle der rheumatoiden Arthritis.
Zum Schluß noch zwei praktische Tips: Burmester rät Patienten mit länger als vier
Wochen andauernder Gelenkschwellung, einen internistischen Rheumatologen zu
konsultieren. Darüber hinaus verweist er auf die Arbeit der Deutschen Rheumaliga,
an die sich Patienten oder Angehörige mit offenen Fragen wenden können:
Deutsche Rheumaliga
Bundesverband e.V.
Rheinallee 69
53173 Bonn
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt am Main
© 1997 GOVI-Verlag
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