Pharmazie
Kundenfreundlichkeit und Kundennutzen: Das sind die Zauberworte für
Unternehmenserfolg. Durchgängig war dies auf den kürzlich durchgeführten
Frankfurter Wirtschaftstagen in verschiedenen Vorträgen und Seminaren zu
hören. Es gibt allerdings Schwierigkeiten, in Apotheken mit den Kunden
überhaupt ins Gespräch zu kommen. Um davon wegzukommen ist Training
ist angesagt. Den Anfang hierzu konnten Apotheker/innen mit nach Hause
nehmen, die die Seminare der Diplompsychologin Gudrun de Wies belegt
hatten. Diejenigen unter ihnen, die eine bestimmte Sperre im
"Apotheker-Gehirn" nicht mehr in Abrede stellen und sich vorgenommen
haben, künftig psychologisch-sensibel ihre Kunden zu beraten, sind auf
einem guten Weg.
Das Thema des ersten Seminars "Nebenwirkung: Zusatzverkauf" sollte die
Teilnehmer provozieren, und so lautete denn auch die erste Frage der Referentin,
welche Hinderungsgründe es für Zusatzkäufe gibt. Aus Sicht der Apotheker können
dies zum Beispiel sein:
o Mangelndes Interesse des Kunden oder des Apothekers
o Unsicherheit: Wie frage ich den Patienten?
o Wo genau berate ich?
o Wie erkenne ich den Nutzen?
o Das eigene Berufsbild steht dagegen.
Neben der Zeit, die nicht nur dem Apotheker, sondern häufig auch dem Kunden
fehlt, kommt möglicherweise eine Abwehrhaltung der Kunden hinzu, ferner das
negative Gefühl eines Überfalls und der Preis. Als weiteren Hinderungsgrund nannte
de Wies das mögliche Mißverständnis, der Zusatzverkauf müsse bei einer
Rezeptübergabe sofort zu einem Mehrumsatz führen. Er könne genauso gut mit "sich
um ein Problem des Patienten kümmern", mit Serviceleistungen wie Messung des
Blutdrucks und einem Vertrauensaufbau umgesetzt werden, betonte die Referentin.
Die Kommunikation bei Übergabe eines Rezepts läuft zu 60 Prozent über
Sachaussagen, also über die üblichen Informationen zum Arzneimittel und zum Preis.
Fragen im Konjunktiv bieten eine Chance, diese Situation zu verändern. Sie fallen
schwer, "da ich mit ihnen eine Grenze überschreite, meinen Schutzwall verlasse und
dabei etwas mehr Angst bekomme". So macht bereits die Angst vor einem Nein zu
schaffen, obwohl dem Kunden genau diese Möglichkeit offengelassen werden sollte.
Mit Fragen von einem Kunden, der ein Rezept einlösen will, ist kaum zu rechnen,
schließlich fühlt er sich nach dem Arztbesuch bestens behandelt. Bei der Abgabe
etwa von Doxycyclin, sind Fragen wie "haben Sie noch Harntee zu Hause?" oder
"können Sie zu Hause inhalieren?" geradezu noch fester Bestandteil der
Sachaussagen. Sie liegen im Kundeninteresse. Verlangt ein Kunde eine große
Menge eines Arzneimittels, ist der Apotheker geradezu gefordert, nachzufragen. Ein
schneller Heilerfolg ist gleichfalls der Einstieg für eine Nachfrage und für eine
Kontaktherstellung, die dann darin münden kann, eine Empfehlung auszusprechen
("Sie könnten dies noch tun, ... haben Sie sicher zu Hause").
Sensibiliät verlangt die unklare Kundenforderung: "Ich habe Grippe." Negativ wären
hier die Antworten "sie haben keine, sonst könnten Sie nicht rumlaufen" oder "hätten
Sie das Rezept doch schon gestern vorbeigebracht!" Hilfreicher ist in einem solchen
Fall, das richtige Arzneimittel für den Patienten herauszusuchen und dies - bei
Selbstmedikation - gleichfalls über verschiedene Fragen zu ermitteln, etwa beginnend
mit: "Was haben Sie bisher für sich getan?" Steht das optimale Arzneimittel fest,
sollte nicht über das Medikament, sondern über seinen Nutzen informiert werden.
Der Nutzen für den Patienten muß im Vordergrund stehen
Ein Gespräch kann begonnen werden, indem über das Problem des Patienten
gesprochen und Fragen optimal verpackt werden. Befehle wie "das müssen Sie
machen" sind dagegen wenig hilfreich. Bei einem Rat muß der Nutzen für den
Patienten im Vordergrund stehen. Bei Stammkunden sollte der Apotheker immer
nachhören, ob sich gesundheitlich etwas geändert hat. Bei Wechselkunden, sie sind
aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen unzufrieden, kann der Apotheker "Kontakt,
Sicherheit, Kümmern und das Medikament" anbieten. Offene Fragen (wer, wie,
was, wieso, weshalb, warum, weswegen) beziehungsweise eine Frageform, die ein
Nein des Kunden zuläßt, sind zu bevorzugen. Immer wieder kann gefragt werden,
ob der Patient nicht zusätzlich etwas für sich tun kann. Problematisch dagegen ist die
geschlossene Fragestellung: "Was kann ich noch für Sie tun?"
Der schwierige Kunde
Wie können Apotheker bei schwierigen Kunden Zufriedenheit erreichen? Ein
Patentrezept gibt es nicht. Nur eins steht fest, ändern kann man diese Kunden nicht
und gerade sie halten einer bestimmten Apotheke gern die Treue. Bei
Frontalangriffen kommt es leicht zu geballten Emotionen auf der Beziehungsebene
(Kunde unleidlich: "Sie haben mir etwas Schlechtes verkauft." Prügel zurück des
Apothekers: "Das kann ja gar nicht sein!"). Bei solchen Streitgesprächen kann kein
positives Gesprächsergebnis herauskommen. Also muß eine Vermeidungsstrategie
her. De Wies empfiehlt hier eine Aussage auf der Sachebene, etwa "das Rezept ist
schon bei der Abrechnung", sollte etwas falsches abgegeben worden sein. Eine
Überprüfung kann nicht sofort erfolgen. Inkompetent wirkt die Aussage "Tut mir
leid, aber dafür kann ich nichts". Überhaupt sollte mit Schuldzuweisung an Dritte
(etwa die abwesende Mitarbeiterin) vorsichtig umgegangen werden.
Um die Situation weiter zu entschärfen, sollte der Apotheker in Aktion gehen, etwa
mit: "Was können wir jetzt tun?" Ist auf der Sachebene nichts zu erreichen, sollte der
Apotheker Verständnis zeigen und sich auf die Emotion seines Gegenübers ohne
Gegenemotion einlassen. So kann der Kunde in vielen Fällen beruhigt werden, ohne
daß ihm Recht gegeben wird.
Bei ironischen Fragen eines Kunden ist die Strategie des "Spiegel vorhalten"
erfolgreicher. Beispielsweise kann der Apotheker auf die Frage "habt Ihr wohl nicht
da?" wie der Kunde reagieren. Ein solches Parolibieten ist allerdings schwierige
Gesprächsarbeit, die eines psychologischen Trainings bedarf. Im Extremfall muß
man sich abgrenzen können, etwa mit der Feststellung: "Ich unterhalte mich nicht in
diesem Ton mit Ihnen". Doch dieser Kunde muß sich gleichfalls optimal betreut
fühlen.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main
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