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Duloxetin wirkt zweifach

07.02.2005  00:00 Uhr
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Depression

Duloxetin wirkt zweifach

von Brigitte M. Gensthaler, München

Knapp ein halbes Jahr nach der Markteinführung von Duloxetin zur Behandlung der Belastungsinkontinenz bei Frauen kommt der Arzneistoff jetzt als Antidepressivum in die Apotheken. Er könnte Vorteile für Patienten bieten, die im Rahmen ihrer Depression an erheblichen körperlichen Beschwerden und Schmerzen leiden.

Die Depression ist auf dem Vormarsch. Nach Schätzungen der WHO rückt sie bis 2020 auf Platz 2 der besonders belastenden Erkrankungen vor und liegt dann direkt hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Derzeit sind etwa 340 Millionen Menschen weltweit, davon etwa 4 Millionen in Deutschland betroffen.

Zwar gibt es eine Reihe wirksamer Antidepressiva, doch erreicht nur etwa ein Drittel der Patienten eine Remission, das heißt völlige Beschwerdefreiheit. Viele sprechen zwar auf die Medikamente an (Responder), behalten aber Restsymptome, vor allem körperliche Beschwerden. Diese Menschen haben ein deutlich höheres Risiko, einen Rückfall zu erleiden, als Patienten, die eine Remission erreicht haben. In einigen Studien lagen die Quoten bei 75 zu 25 Prozent.

»Eine Depression ist mehr als eine psychische Erkrankung«, betonte Professor Dr. Hans-Jürgen Möller, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Uni München, bei der Einführungspressekonferenz von Duloxetin in München. Neben seelischen Symptomen wie Antriebsarmut, Interessenverlust, Angst, gedrückter Stimmung sowie Gefühlen von Wertlosigkeit und Schuld leiden viele depressive Patienten auch an körperlichen Störungen. Diese gäben oft erst den Anlass, zum Arzt zu gehen. Appetit- und Gewichtsverlust, Verstopfung, Schlafstörungen und vor allem »vielgestaltige Schmerzen« an Kopf, Bauch und Rücken plagen die Patienten, sagte der Psychiater. Bei der »larvierten« Depression stünden die körperlichen Beschwerden subjektiv sogar im Vordergrund und die Depression werde als Folge der Schmerzen interpretiert.

Oberstes Therapieziel muss die Remission sein, mahnte Möller. Doch gerade in der ambulanten Therapie würden Antidepressiva aus Angst vor Nebenwirkungen oft nicht hoch genug dosiert. Bei Trizyklika wie Amitriptylin müsse man bis zu 150 mg/Tag geben, bei modernen Arzneistoffen wie Venlafaxin über 100 mg pro Tag, um ausreichende Effekte zu erzielen.

Deutlich weniger Schmerzen

Eine neue Option bietet Duloxetin, das als kombinierter selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wirkt und damit die Konzentration beider Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht (Cymbalta®, 30 und 60 mg; Boehringer Ingelheim und Lilly Deutschland). Zu histaminergen, dopaminergen, cholinergen und adrenergen Rezeptoren hat der Wirkstoff keine Affinität.

Die Patienten nehmen als Start- und Erhaltungsdosis täglich 60 mg Duloxetin. Laut Zulassung kann diese Menge auch zweimal täglich gegeben werden. Ob Patienten, die auf die Anfangsdosis nicht ansprechen, von einer Erhöhung profitieren, ist noch nicht erwiesen. Zum Vergleich: Zur Behandlung der Belastungsinkontinenz werden zweimal täglich 40 mg als Standard empfohlen; das Präparat Yentreve® ist nur für Frauen zugelassen.

Die antidepressiven Effekte von Duloxetin wurden in vier Akutstudien nachgewiesen. Bereits nach zwei Wochen sprachen viele Patienten auf das Verum besser an als auf Placebo; auch die Angst ging signifikant zurück. Erfreulich war, dass sie deutlich weniger Schmerzen, vor allem Rückenschmerzen hatten. Diese besserten sich schneller als die seelischen Symptome und waren schon nach einer Woche signifikant schwächer als unter Placebo.

Eine Remission erreichten in einer neunwöchigen Studie 44 Prozent der Patienten mit täglich 60 mg Duloxetin (16 Prozent unter Placebo). In einer Vergleichsstudie mit knapp 350 Patienten waren 40 und 80 mg Duloxetin, nicht aber niedrig dosiertes Paroxetin (20 mg täglich) signifikant besser wirksam als Placebo. Nach acht Wochen erreichte mehr als die Hälfte der Patienten unter hoch dosiertem Duloxetin eine Remission, in den beiden anderen Verumgruppen je ein Drittel. Immerhin ein Viertel erreichte dieses Therapieziel mit Placebo.

Die Remissionsraten bleiben über 52 Wochen (80 bis 120 mg Duloxetin) erhalten, berichtete Möller von einer offenen Langzeitstudie. Am Ende lagen sie sogar bei 80 Prozent. Allerdings brach jeder sechste Patient die Medikation wegen Nebenwirkungen ab.

Das Nebenwirkungsprofil von Duloxetin ähnelt dem der SSRI. Am häufigsten klagten die Patienten über Übelkeit (meist vorübergehend), trockenen Mund und Obstipation, aber auch über Schlaflosigkeit, Schwindel, Müdigkeit und vermehrtes Schwitzen.

Duloxetin wirkt nicht sedierend; wenn dieser Effekt zu Therapiebeginn gewünscht sei, könne man für wenige Tage Benzodiazepine verordnen, sagte der Psychiater. Problematisch könne sich die verminderte Libido auswirken, über die in einer Studie 5 bis 7 Prozent der Männer berichteten. Dies führe im Alltag häufig zum Therapieabbruch, ohne dass der Patient mit dem Arzt darüber spricht. Top

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