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Einmal täglich ist kein Wunschtraum mehr

01.02.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

PHARMACON DAVOS

Einmal täglich ist kein
Wunschtraum mehr

von Ulrich Brunner, Davos

Nur einmal täglich eine Tablette schlucken: Noch vor einigen Jahren blieb das für die meisten Hypertoniker ein Wunschtraum. Heute bieten viele Hersteller spezielle Retardformulierungen an, die die Compliance von Hochdruckpatienten deutlich verbessern. Wie Diffusionspellets, Coat-core- oder Rapidretard-Tabeletten genau funktionieren, erklärte der Braunschweiger Technologe, Professor Dr. Rolf Daniels, während dem Pharmacon in Davos.

Compliance-Probleme seien bei Hypertonikern programmiert, so Daniels. Zum einen müßten sie ihre Medikamente meist ein Leben lang schlucken, zum anderen sei ihr Leidensdruck gering. Und da gerade alte multimorbide Menschen therapiert werden müßten, sollte das Behandlungsschema möglichst einfach sein.

Ihn wundere nicht, daß nur circa 25 Prozent aller Hypertoniker kontrollierte Blutdruckwerte unter 140/90 mm Hg aufweisen. Das belegten Studien zur Einnahme-Compliance: Während 86 Prozent der "Einmal-täglich-Anwender" ihre Tabletten regelmäßig schlucken, schrumpft der Prozentsatz bei zweimal, dreimal oder viermal täglicher Applikation über 60 und 54 bis auf 26.

Inzwischen stehen für Calciumantagonisten und beta-Blocker, die kürzere Halbwertszeiten als ACE-Hemmer haben, diverse Retardierungsprinzipien zur Verfügung. Moderne Diffusionspellets sowie Matrixtabletten oder Hydrokolloideinbettungen lösten herkömmliche Filmtabletten immer mehr ab, sagte Daniels.

Bei Diffusionspellets handelt es sich um Partikel, die mit einer Polymerhülle überzogen sind. Im Magen-Darm-Trakt dringt Flüssigkeit durch die Hülle des Pellets. Der Wirkstoff löst sich bis zur Sättigungsgrenze auf und diffundiert dann kontinuierlich durch die Polymerhülle. Vorteil dieser Zubereitungen: Die Freigabe verläuft weitestgehend nach einer linearen Kinetik.

Es können jedoch nur nicht zu gut oder zu schlecht lösliche Wirkstoffe verarbeitet werden. Die Diffusionspellets können entweder verkapselt oder verpreßt werden (zum Beispiel Beloc® Zok). Beim sogenannten Duriles®-Prinzip bedient sich der Hersteller einer unlöslichen Matrix. Der Arzneistoff ist in eine PVC-Matrix eingebettet und löst sich nach Applikation langsam heraus. Mit der Zeit nimmt die Freigabegeschwindigkeit jedoch ab, da der Arzneistoff immer weitere Strecken zurücklegen muß, um die Matrix zu verlassen.

In Hydrokolloidmatrices können auch schwer lösliche Wirkstoffe eingebettet werden. Im GI-Trakt diffundiert Wasser in die nicht-gequollene Cellulose-Matrix. Es bildet sich eine Gelschicht, die langsam erodiert und Wirkstoff freigibt. Deshalb spielt es keine Rolle, ob sich der Wirkstoff gut oder schlecht löst. Zum Beispiel Modip® Retardtabletten enthalten solche Hydrokolloideinbettungen.

Die Pharmaindustrie wende bei Nifidipin-Präparaten ein weiteres Retardierungsprinzip an, das auf der schlechten Wasserlöslichkeit des Calciumantagonisten beruhe, sagte Daniels. In sogenannten Rapidretard-Tabletten ist ein Viertel der Dosis normal und der Rest in größeren Kristallen gepreßt. Zunächst wird das erste Viertel schnell freigesetzt und gewährleistet einen raschen Wirkungseintritt, anschließend lösen sich die großen Kristalle langsam auf. Die Wirkdauer verlängert sich so auf bis zu 12 Stunden.

Sogar 24 Stunden wirken sogenannte Coat-Core-Tabletten. Sie enthalten einen Mantel mit retardiertem Wirkstoff, der sich zunächst löst. Nach rund acht Stunden werden die restlichen 15 Prozent aus dem Kern schnell freigesetzt. Damit kann eine langsamere Resorption im unteren Darm-Trakt kompensiert werden.

Eine verzögerte Wirkstofffreigabe birgt nach Meinung des Referenten mehrere Vorteile. Neben der Wirkungsverlängerung und einer besseren Compliance gebe es weniger Blutspiegelspitzen und damit eine geringere Nebenwirkungsraten, bessere lokale Verträglichkeit und einen höheren pharmaökonomischen Wert.

Mitunter müsse auch ein rasches Anfluten der Plasmakonzentration vermieden werden. Deshalb bediene sich zum Beispiel der Hersteller von Diblocin® PP und Cardular® PP einer sogenannten Push-Pull-Technik.

Hierbei wird der alpha-1-Rezeptorenblocker Doxazosin in das Innere einer Tablette mit semipermeablen Membran eingebracht. Anschließend brennt ein Laser ein Loch in diesen Mantel. Im Magen-Darm-Trakt dringt Flüssigkeit durch die Membran in das Tabletteninnere und die dort enthaltene Matrix quillt auf. Durch den Volumenzuwachs preßt das Quellgel kontinuierlich Wirkstofflösung durch die kleine Öffnung.

Nicht jede Tablette läßt sich teilen

Nach Meinung Daniels konnte der Therapiestandard von Hypertonikern mit modernen Tablettensystemen inzwischen deutlich verbessert werden. In der Apothekenpraxis müsse jedoch bedacht werden, daß nicht alle Zubereitungen einfach geteilt werden können. Einerseits führe das oft zu Dosierungsungenauigkeiten, andererseits müßten die galenischen Besonderheiten berücksichtigt werden. Eine klare Absage erteilte der Referent den Tablettenteilern, da diese oft ungenau arbeiten. Top

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