Gesünder länger leben |
03.06.2002 00:00 Uhr |
Pharmacon Meran 2002
"Unser Lebensstil ist die Spardose für später", lautete die eindringliche Botschaft von Professor Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen von der Charité in Berlin. Atherosklerose tue nicht weh und schreite klammheimlich über Jahrzehnte voran. Nur wer rechtzeitig beeinflussbare Risikofaktoren wie Rauchen, fettreiche Kost und mangelnde Bewegung vermeide, könne den schleichenden Gefäßverschluss bremsen.
Obwohl die Pathogenese der Atherosklerose heute gut verstanden wird, ließe sich der Prozess bei den wenigsten Patienten aufhalten, bedauerte die Medizinerin in ihrem temperamentvollen Vortrag. Dabei könnte der Verzicht auf Zigaretten oder zu viele gesättigte Fette schon einiges bewirken. Sie forderte die Heilberufler und Personen mit Vorbildfunktion wie Politiker und Lehrer auf, sich stärker für einen gesunden Lebensstil einzusetzen.
Apotheker könnten zum Beispiel durch gezielte Ernährungsberatung einen großen Beitrag zur Prävention leisten, betonte Steinhagen-Thiessen. "Ermahnen Sie ihre Patienten nicht zur Diät, sondern empfehlen Sie ihnen eine vernünftige Ernährung. Erteilen Sie keine Verbote, sondern Gebote." Sie empfahl einen individuellen Ernährungsplan mit viel ballaststoffreicher Kost wie Vollkornprodukten sowie Gemüse und einem hohen Anteil ungesättigter Fette. Besonders schnell verfügbare Kohlenhydrate, die vor allem in Alkoholika und Süßigkeiten stecken, gilt es zu vermeiden. Die Zucker würden direkt in Triglyceride umgewandelt.
Menschen müssten zudem möglichst früh, am besten schon im Kindesalter, zu einer gesunden Ernährung erzogen werden. Im Alter falle die Umstellung wesentlich schwerer. Zudem würde der Grundstein für eine Atherosklerose bereits sehr früh gelegt.
Große Probleme sieht die Expertin, die in Berlin die Lipidambulanz betreut, in der stetig wachsenden Zahl an Diabetikern in den Industrienationen. Die Lawine der Zuckerkranken und Übergewichtigen sei erst im Anrollen, prognostizierte sie. Sie warnte davor, sich bei Patienten mit Diabetes mellitus nur auf die HBA1c-Werte zu konzentrieren. Gerade die parallel erhöhten Lipidspiegel trügen maßgeblich zu einer signifikant erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei.
Neben dem Lebensstil spielen aber auch genetische Risikofaktoren eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Fettstoffwechselstörungen. Betroffene Menschen haben eine deutlich niedrigere LDL-Rezeptordichte. Um das familiär bedingte Risiko möglichst früh zu erkennen und entsprechend zu intervenieren, starteten Experten vor kurzem das so genannte MedPeD-Projekt ("Make early diagnosis to prevent death"). Dabei wird nach positiver Familienanamnese der erblich bedingte LDL-Rezeptordefekt mit molekularbiologischen Tests wie der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen. "Nur so können wir Patienten mit hohem Risiko möglichst früh identifizieren", erklärte Steinhagen-Thiessen. Die Inzidenz für Koronare Herzkrankheiten sinke drastisch, wenn bereits frühzeitig interveniert werde. "Wir müssen daran arbeiten, nicht nur länger, sondern auch gesünder länger zu leben", resümierte die Ärztin. An diesem "lifestyle track" müsse auch die Apothekerschaft mitarbeiten.
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