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Amifostin: Schutzschild für gesunde Zellen

09.11.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Amifostin: Schutzschild für gesunde Zellen

Eigentlich ist Amifostin schon alt. Entdeckt wurde das Thiophosphat in den fünfziger Jahren bei der Suche nach Substanzen, die den Körper bei einem radioaktiven Fallout schützen können. Später beobachtete man, daß Amifostin gesunde Zellen vor Organ- und Gewebeschäden durch Zytostatika und ionisierende Strahlen schützt, ohne die antitumorale Wirkung zu mindern.

Seit 1995 ist es zugelassen zur Reduktion der hämatologischen Nebenwirkungen sowie der Nephro- und Neurotoxizität von Platin-haltigen Therapien. Aufgrund guter Studiendaten soll die Indikation erweitert werden.

Das Thiophosphat ist ein Prodrug, das durch die membranständige alkalische Phosphatase zur Wirkform des Aminothiols gespalten wird. Dieses fängt in der Zelle freie Radikale ab, die durch ionisierende Strahlen oder durch Anthrazykline entstehen, interagiert mit dem elektrophilen Reaktionszentrum von Alkylantien und Platinderivaten und trägt als Wasserstoffdonator zur Reparatur von DNA-Schäden bei. Außerdem soll der aktive Metabolit das p53-Gen aktivieren und das myk-Onkogen dämpfen, erläuterte Privatdozent Dr. Carsten Bokemeyer, Oberarzt am Universitätsklinikum Tübingen, bei einer Pressekonferenz der Essex Pharma am Starnberger See.

Wie entsteht die Selektivität?

Gesunde Zellen haben eine höhere Aktivität an alkalischer Phosphatase, einen höheren, das heißt normalen pH-Wert und sind besser vaskularisiert. So wird der Arzneistoff von gesunden Zellen viel schneller aufgenommen und metabolisiert als von Tumorzellen. Bevorzugt reichert er sich in Leber, Niere, Darm, Herz, Lunge, Knochenmark und den Speicheldrüsen an.

Der Schutzeffekt vor neuro- und nephrotoxischen Nebenwirkungen von Cisplatin ist erwiesen; unklar ist, ob das Thiol die Ototoxizität mindert. Auch die neurotoxische Wirkung von Taxanen scheint es abzufangen. Aktuelle Studien sollen zeigen, ob es Kardiomyopathien durch Anthrazykline und die pulmonale Toxizität, vor allem von Bleomycin, mildern kann. Möglicherweise steigert Amifostin sogar die antitumorale Wirkung, sagte Bokemeyer. Dies wird in einer Studie an 25 Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom getestet.

Gearbeitet wird noch an der optimalen Dosierung des Zytoprotektivums. Derzeit wird eine 15minütige Infusion von 740 bis 910 mg/m2 vor der Chemotherapie empfohlen. Da es Brechreiz und Übelkeit auslöst, muß man vor der Infusion Antiemetika geben (Steroide plus 5-HT3-Antagonisten). Um der Gefahr der Hypotonie zu begegnen, riet Bokemeyer, die Lösung dem liegenden Patienten zu infundieren.

Amifostin schützt Speicheldrüsen

Sehr hilfreich könnte das Arzneimittel für Patienten mit HNO-Tumoren werden, die bestrahlt werden müssen, erläuterte Professor Dr. Michael Wannenmacher, Direktor der Radiologischen Klinik in Heidelberg. Aufgrund ihrer anatomischen Lage läßt es sich kaum vermeiden, daß die Speicheldrüsen erfaßt werden. Eine schwere Folge ist die Xerostomie, die Mundtrockenheit.

Normalerweise geben die Speicheldrüsen bis zu 1,5 Liter Flüssigkeit pro Tag ab. Die Strahlen können sie soweit schädigen, daß die Speichelproduktion dramatisch sinkt oder aufhört und die Drüsen nicht mehr stimuliert werden können. Die Patienten leiden an extremer Austrocknung der Schleimhäute, bekommen häufiger Mundsoor, haben Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen und benötigen ständig Supportivpräparate.

In einer Studie an 315 Krebspatienten konnte Amifostin die Inzidenz der akuten Xerostomie von 78 Prozent (nur Bestrahlung) auf 50 Prozent (Bestrahlung plus Amifostin) senken. Nach zwölf Monaten litten in der Kombigruppe noch 34 Prozent der Patienten an Xerostomie gegenüber 60 Prozent aus der Gruppe, die nur bestrahlt wurden. Die Antitumor-Wirkung wurde nicht beeinflußt. Die Firma erwartet die FDA-Zulassung für die Indikation "Verhinderung der Xerostomie nach Strahlentherapie" Anfang des nächsten Jahres.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München Top

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