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Palivizumab auch für herzkranke Kinder

27.10.2003  00:00 Uhr
RSV-Infektion

Palivizumab auch für herzkranke Kinder

von Elke Wolf, Hamburg

Palivizumab senkt die Inzidenz schwerer RSV-Infektionen bei Frühgeborenen. Nun steht die Indikationserweiterung für Säuglinge mit angeborenen Herzfehlern kurz bevor. Denn klinische Studien belegen, dass der monoklonale Antikörper die RSV-bedingte Hospitalisierungsrate bei diesen Kindern um fast die Hälfte senkt.

Weltweit ist das RS-Virus (Respiratory Syncytial Virus) Hauptverursacher schwerer Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern. Der Durchseuchungsgrad ist hoch, bis zum zweiten Lebensjahr sind so gut wie alle Kinder betroffen. 40 Prozent aller Erstinfekte manifestieren sich an den unteren Atemwegen. 1 Prozent endet in einer schweren Bronchiolitis, die stationär behandelt werden muss. Keuchen, erschwerte, rasselnde Atmung bis hin zur Atemnot und tief sitzender Husten weisen auf die Schwere der Erkrankung hin.

,„Alle Kinder sind betroffen, einige werden jedoch davon bedroht“, sagte Professor Dr. Christian Rieger vom Klinikum der Ruhr-Universität, Bochum, auf der Pressekonferenz anlässlich der bevorstehenden Indikationserweiterung von Palivizumab (Synagis). Während gesunden Kindern die RS-Viren außer leichtem Fieber und anderen Erkältungsbeschwerden meist nichts anhaben können, kann es vor allem für Frühgeborene, Kinder mit angeborenen Herzfehlern (Congenital Heart Disease, CHD) oder chronischen Lungenerkrankungen lebensbedrohlich werden.

 

Virus mit Folgen Das RS-Virus scheint nicht nur akut lebensbedrohlich, sondern auch mit Langzeitschäden assoziiert zu sein. Neben akuten Erkrankungen wie Bronchiolitis und Lungenentzündungen sorgt es auch für häufige Rehospitalisierungen und ein erhöhtes Asthma- oder Allergierisiko. Das legt zumindest eine schwedische Studie nahe, die Rieger vorstellte. Danach entwickelten zwischen 23 und 39 Prozent der Kinder, die im Säuglingsalter an einer RSV-Bronchiolitis erkrankten, ein Asthma bronchiale und 30 Prozent eine Allergie. Dabei bestand eine erhöhte Sensitivität nicht nur gegenüber inhalativen Allergenen, sondern auch gegenüber Nahrungsmittelallergenen.

Eine deutsche Studie bestätigt diese Daten. Untersucht wurden hier 42 Säuglinge mit schwerer Bronchiolitis und 83 gesunde Babys zur Kontrolle. Die stationär behandelten Kinder wiesen nach einem Jahr signifikant häufiger rezidivierende Obstruktionen der Atemwege, atopische Dermatitiden sowie IgE-Antikörper gegen inhalative und Nahrungsmittelallergene auf. Das relative Risiko für eine rezidivierende Obstruktion lag im Alter von einem Jahr bei 9, das für eine allergische Sensibilisierung gar bei 20, informierte Rieger. „Das sind Hinweise darauf, dass RS-Viren nicht nur den Respirationstrakt schädigen, sondern offensichtlich das gesamte Immunsystem beeinflussen und die Allergieneigung der Kinder erhöhen.“

 

Die Mortalitätsrate unter den Risikokindern liegt bei 3 bis 4 Prozent. Etwa 5 Prozent der Frühgeborenen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurden, müssen im ersten Lebensjahr mindestens noch einmal RSV-bedingt wegen Atemwegsproblemen stationär behandelt werden. Für Kinder mit CHD oder bronchopulmonaler Dysplasie liegt das Risiko gar 20- bis 50-mal höher. „Kinder mit CHD werden häufiger und länger stationär behandelt und werden häufiger und länger mechanisch ventiliert“, informierte Professor Dr. Alexander Schmidt von der Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums in Berlin. Sowohl die Morbiditäts- als auch die Mortalitätsrate sind erhöht. Schmidt stellte Daten aus den USA vor, nach denen ein Viertel bis ein Drittel der Säuglinge mit CHD RSV-bedingt intensivmedizinisch behandelt und 10 bis 20 Prozent maschinell beatmet werden muss. Die Mortalitätsrate bei Säuglingen mit CHD, die auf Grund einer RSV-Infektion stationär behandelt werden, ist im Vergleich zu gesunden Säuglingen doppelt bis sechsmal so hoch.

Was die Therapie betrifft, sind den Ärzten fast die Hände gebunden. „Es gibt keine kausale Therapie beginnender RSV-Infektionen und die symptomatische Intensivtherapie bietet wenig Evidenzbasiertes“, sagte Professor Dr. Jens Möller vom Klinikum Winterberg, Saarbrücken. Dazu zählen die frühzeitige Sauerstoffgabe, CPAP (Continuous Positive Airways Pressure) sowie Adrenalin-Inhalationen zur Schleimhautabschwellung bei beatmeten Patienten. Der Einsatz von Steroiden werde kontrovers diskutiert, und auch die Gabe von Salbutamol, Ipratropiumbromid oder Ribavirin sei wenig zufrieden stellend, erklärte Möller.

Pädiater setzen auf Prophylaxe

Da es kein befriedigendes Therapiekonzept gibt, sprach sich Möller für die Prävention aus. Den zurzeit besten Schutz biete die passive Immunisierung mit Palivizumab. „Palivizumab ist die einzige evidenzbasierte Maßnahme zur Prophylaxe von schweren RSV-Erkrankungen.“ Möller erinnerte daran, dass der monoklonale Antikörper nicht in der Lage ist, die Infektion komplett zu verhindern. „Er verhindert vielmehr das Spreiten der Infektion von den oberen in die tiefen Atemwege, so dass keine schwere Bronchiolitis oder Lungenversagen auftritt.“ So bestätigt eine Metaanalyse die Reduktion der RSV-bedingten Krankenhauseinweisungen bei Frühchen mit einem Gestationsalter zwischen 33 und 35 Wochen um über 80 Prozent. Für Anfang November erwartet Abbott GmbH nun die europaweite Zulassungserweiterung für Säuglinge mit angeborenen Herzfehlern.

Palivizumab senkt die Rate RSV-bedingter Krankenhauseinweisungen bei Kindern mit CHD um 45 Prozent. So jedenfalls das Ergebnis einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie, die Dr. Frank Casey von der Kinderkardiologie des Royal Belfast Hospital for Sick Children präsentierte. An der über vier Jahre laufenden multizentrischen Studie nahmen 1287 Kinder mit hämodynamisch bedeutsamen Herzfehlern teil. Sie waren jünger als zwei Jahre. 639 der kleinen Patienten erhielten monatlich eine intramuskuläre Palivizumab-Injektion (15 mg/kg), die restlichen Studienteilnehmer (n = 648) bekamen Placebo. Sowohl Palivizumab als auch Placebo wurde über fünf Monate hinweg in der RSV-Saison von Oktober/November bis März/April einmal monatlich injiziert.

Die Kinder der Palivizumab-Gruppe wurden nicht nur seltener wegen einer kardialen oder respiratorischen Erkrankung infolge der RSV-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert als die Kinder der Placebogruppe. Auch die Liegedauer und die Tage, an denen mit Sauerstoff beatmet wurde, verringerten sich signifikant. Die Palivizumab-Prophylaxe wurde gut vertragen; Nebenwirkungen wie Fieber oder Hautreaktionen an der Einstichstelle waren in der Verum- und Placebogruppe gleich. Damit ist die Palivizumab-Gabe die Prophylaxe der Wahl nicht nur bei Frühgeborenen, sondern auch bei Kindern mit CHD, folgerte Casey. Top

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