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Pharmazeuten präsentierten neueste Forschung

Datum 26.10.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Pharmazeuten präsentierten
neueste Forschung

Neue Zielstrukturen für Arzneimittel, Apoptose, Krebs und die Alzheimer Erkrankung waren Themen des vierten Europäischen Kongresses für pharmazeutische Wissenschaften vom 11. bis 13. September in Mailand. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der European Federation for Pharmaceutical Sciences (EUFEPS).

In annähernd 400 Beiträgen, als Vortrag oder Poster präsentiert, stellten europäische Pharmazeuten aus Industrie, Hochschulen und der Verwaltung die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit vor.

Nicht nur die Dosis entscheidet

Apoptotische und antiapoptotische Gene sind für die Empfindlichkeit von Zellen gegenüber dem Antimetabolit 5-Fluorouracil (5-FU) verantwortlich. Die Ursache für die ungehemmte Proliferation von Krebszellen ist zumeist ein Ausfall des für die Apoptose verantwortlichen p53-Gens und eine Überaktivität von Onkogenen, wie bcl-2.

Wie John A. Hickman, Universität Manchester, feststellte, spielen diese Gene auch eine entscheidende Rolle bei der Wirksamkeit von Zytostatika, wie 5-FU. Er stellte in Mailand seine Untersuchungen an Wildtyp- und Knock-out-Mäusen vor.

In gesunden Zellen bewirkt der Antimetabolit 5-FU eine starke Schädigung, die zum Selbstmord der Zelle (Apoptose) führt. Eingeleitet wird die Apoptose durch den Transkriptionsfaktor p53. In Tierversuchen konnte Hickman nachweisen, daß die Toxizität des Antimetaboliten stark von der Funktionsfähigkeit des Tumorsuppressorgens abhängt. Mäusezellen, denen das p53-Gen fehlt, reagierten wesentlich schwächer auf 400mg/kg 5-FU als Zellen von Wildtyp-Mäusen.

Das Gegenteil bewirkt das Onkogen bcl-2. Es wird in Zellen des Colons wesentlich stärker exprimiert als in Dünndarmzellen. Die Konsequenz ist eine geringere 5-FU-Empfindlichkeit der Dickdarmzellen. Nach Ansicht des britischen Wissenschaftlers bedeuteten diese Erkenntnisse zumindest eine Einschränkung für eine fast 500 Jahre alte Erkenntnis. Hickman: "Nicht nur die Dosis macht ein Gift aus, es sind auch die Gene."

Agglutinin bringt Doxorubicin ans Ziel

An Agglutinin gebundenes Doxorubicin hat eine wesentlich höhere Affinität zu Tumorzellen als zu anderen Zellen. Agglutinin aus Weizensamen bindet Carbohydrate der Glykokalix auf der Zelloberfläche. Wie F. Gabor vom Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Wien an Zellkulturen nachweisen konnte, ist die Affinität des Agglutinins zu Krebszellen des Colons (Caco-2) wesentlich höher als zu Lymphoblasten (MOLT-4) und gesunden Darmkrebszellen.

Gabor will die Selektivität des Agglutinins für die Therapie von Colonkrebs ausnutzen. Er band Doxorubicin kovalent an den Inhaltsstoff des Weizensamens und untersuchte die Freisetzung des Zytostatikums in Kulturzellen. Nach 24 Stunden Inkubation bei pH 4 waren 47 Prozent Doxorubicin freigesetzt. Die Affinität zu Colonzellen war viereinhalb mal so hoch wie die zu den anderen Kulturzellen.

Obwohl nur etwa die Hälfte des Doxorubicins freigesetzt wurde, betrug die Wirksamkeit 78 Prozent im Vergleich zu einem Versuch mit nicht-konjugiertem Doxorubicin. Demnach wirke Agglutinin-Doxorubicin 1,6mal stärker zytostatisch als die freie Substanz. Jetzt sollten nach Gabors Ansicht die In-vitro-Ergebnisse in vivo überprüft werden.

Entzündungshemmer bei Alzheimer hilfreich?

Bestimmte antiinflammatorische Substanzen können möglicherweise die Progression der Alzheimer Krankheit verlangsamen. Bei Morbus Alzheimer spielen Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle. Joachim Bauer, Universität Freiburg, fand in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten aktivierte immunkompetente Zellen wie Mikroglia und Astrozyten.

Mikroglia-Zellen, die die beiden Cyclooxygenasen (Cox) 1 und 2 enthalten, produzieren Prostaglandin E2. Dieses Produkt der Arachidonsäure-Kaskade induziert offensichtlich in den Astrozyten die Produktion des Cytokins Interleukin(IL)-6. Bauer fand IL6 in hohen Konzentrationen in den Amyloidplaques.

Im Tiermodell konnte der Freiburger Wissenschaftler zeigen, daß Interleukin-6 die Progression der Alzheimer-Demenz beschleunigt. Die Zahl der Alzheimer-Plaques korreliere nur schlecht mit dem Schweregrad der Erkrankung, während die Anwesenheit von IL-6 ein deutlicheres Indiz für die Progression sei, sagte Bauer.

Zusammen mit seinen Kollegen an der Psychiatrischen Universitätsklinik testete er die Wirkung verschiedener antiinflammatorischer Substanzen auf Astrozyten in Zellkulturen. Einige neue Stoffe hätten dabei eine deutliche Wirkung gezeigt, sagte Bauer. So seien die nichtsteroidalen Antirheumatika Tepoxalin und Tenidap potente Hemmer der IL-6-Expression. Ihren Einsatz bei Alzheimer-Patienten hält Bauer deshalb für sinnvoll. Allerdings, so schränkt er ein, sei Alzheimer eine multifaktorielle Erkrankung. Deshalb könnten antiinflammatorische Präparate die Progression verlangsamen aber sicherlich nicht stoppen.

Fluvoxamin ändert ß-Endorphin-Spiegel

Menschen, die unter einer Depression leiden, haben im Serum weniger ß-Endorphin als nicht depressive Menschen. Besonders niedrig ist die Serumkonzentration des körpereigenen Opiates bei Patienten mit endogener Depression (im Durchschnitt 36,34 Pikogramm /ml); bei Menschen mit nichtendogener Depression liegt der Wert mit 104,68 Pikogramm/ml zwischen denen von Gesunden (125,19 Pikogramm/ml) und denen von endogen Depressiven. Zu diesem Ergebnis kommt eine jugoslawische Forschergruppe unter der Leitung von D. Djurkovic, Universität Belgrad.

Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler fest, daß die regelmäßige Einnahme des Antidepressivums Fluvoxamin die ß-Endorphin-Serumkonzentration bei Menschen mit nichtendogener Depression auf durchschnittlich 132.10 Pikogramm/ml ansteigen läßt. Bei Menschen mit endogener Depression steigt sie auf 50,09 Pikogramm/ml. Djurkovic und seine Kollegen sehen aufgrund ihrer Forschungsergebnisse im ß-Endorphin-Spiegel einen aussagekräftigen Parameter für die Diagnose von Depressionen und für die Effizienz neuer Pharmaka.

Sphingonsin-1-Phosphat hilft bei Psoriasis

Sphingosin-1-Phosphat (S-1-P) hemmt die Proliferation von Hautzellen und eignet sich deshalb zur Behandlung der Psoriasis. Nach den Ergebnissen von B. Kleuser, Institut für Pharmazie in Berlin, ist der Einsatz von S-1-P zur Behandlung der Psoriasis möglicherweise effektiver als die Therapie mit Vitamin D3.

Die intrazelluläre Produktion von S-1-P aus Sphingolipid wird durch Vitamin D3 induziert. Wie Kleuser berichtete, wird durch die Vitamin-D3-Gabe allerdings auch ein weiterer Arm des Sphingolipid-Stoffwechsels angeregt: die Ceramid-Produktion in humanen Keratinozyten.

Ceramid und S-1-P wirken in Keratinozyten antiproliferativ. Allerdings wirke Ceramid apoptotisch, S-1-P nicht, sagte Kleuser in seinem Vortrag auf dem EUFEPS-Kongreß. Gleichzeitig steigert S-1-P die Expression der Transglutaminase, einem Enzym, das die Differenzierung von Kerationozyten anregt. In der Kombination aus antiproliferativer und differenzierender Wirkung sieht Kleuser die Erklärung für die größere Potenz von S-1-P im Vergleich zu Vitamin-D3-Analoga.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Mailand

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