Pharmazie
Für viele Menschen sind Apotheken die ersten Anlaufstellen bei
Augenerkrankungen. Wer eine Bindehautentzündung hat, geht damit nicht
direkt zum Arzt. "Konjunktivitis ist 'das' Krankheitsbild in der Apotheke,"
sagt auch Dr. Hermann Liekfeld. In einem Seminar während des
Expopharm-Kongresses am 3. Oktober in München erklärte der Arzt und
Apotheker, was Pharmazeuten über Augenkrankheiten wissen sollten.
"Entzündliche Erkrankungen am Auge werden bei Kindern und Erwachsenen meist
von unterschiedlichen Erregern ausgelöst," sagte Liekfeld. Während es sich bei
Kleinkindern in der Regel um bakterielle Entzündungen handele, stehe bei
Erwachsenen die virale Infektion im Vordergrund. Allerdings treten bei Erwachsenen
häufig bakterielle Superinfektionen auf, weshalb auch eine Antibiotikatherapie
sinnvoll sein kann.
Anhand von Fallbeispielen zeigte Liekfeld, was Apotheker ihren Patienten empfehlen
sollten:
1) Ein 30jähriger Patient kommt mit sichtbar gerötetem Auge in die Apotheke und
klagt über Brennen und leichte Schmerzen beim Aufstehen.
In diesem Fall sollte der beratende Apotheker zuerst fragen, ob die Symptome zum
ersten Mal aufgetreten seien und ob der Patient an einer Allergie leide. Diese könne
allerdings nur dann vorliegen, wenn beide Augen gerötet sind und der Patient einen
Juckreiz verspüre.
Ist nur ein Auge betroffen, handele es sich wahrscheinlich um eine durch
mechanische Reize ausgelöste Konjunktivitis oder eine beginnende virale Infektion.
Viruserkrankungen des Auges beginnen oft einseitig, im weiteren Verlauf greift die
Erkrankung auf das zweite Auge über.
Grundsätzlich sei das beschriebene Krankheitsbild ein Fall für den Augenarzt, führte
Liekfeld aus. Dieser sollte dann ein Breitspektrum-Antibiotikum verschreiben um
eine Superinfektion zu verhindern. Strittig sei dagegen der Einsatz von
Glukokortikoiden. Diese hemmen zwar die Entzündung effektiv, wirken aber
gleichzeitig immunsupprimierend, was die Heilung verlangsamt.
Sollte es dem Patienten nicht möglich sein, direkt einen Arzt aufzusuchen, könne der
Apotheker ein Sympathomimetikum empfehlen. Allerdings eigne es sich lediglich
zum kurzfristigen Einsatz, da es als Vasokonstriktor zwar die Rötung reduziere, aber
gleichzeitig den Abtransport der Keime verlangsame.
2) Eine Mutter wünscht Augentropfen für ihr sechs Monate altes Kind, weil das
Kind morgens die Augen verklebt habe und sich diese oft reibe.
In diesem Fall handele es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine bakterielle
Infektion, erklärte Liekfeld. Dies werde auch durch die verklebten Augen bestätigt,
die auf Eiter zurückzuführen seien. Virale Infektionen führen dagegen zu einer
Sekretbildung.
Wiederum sei der Gang zum Augen- oder Kinderarzt unerläßlich. Dieser werde ein
Antibiotikum mit breitem Wirkspektrum verschreiben, da eine genaue Bestimmung
des Erregers zu aufwendig sei. Liekfeld wies darauf hin, daß in diesem Fall, der
Einsatz eines Sympathomimetikums falsch sei.
3) Ein etwa 60jähriger Patient leidet seit Monaten unter beidseitigen
Augenschmerzen, die sich zum Abend hin verstärken. Die Lidränder beider Augen
sind gerötet.
Mit großer Wahrscheinlichkeit leide der Mann unter dem Trockenem Auge, so
Liekfeld. Die Erkrankung trete vor allem bei älteren Menschen auf, sei immer
beidseitig und verlaufe chronisch. Die richtige Empfehlung sei hier ein
Tränenersatzmittel, das das Auge befeuchte. Allerdings müsse darauf geachtet
werden, daß Kontaktlinsenträger kein konservierungsmittelhaltiges Präparat
einnehmen. Da weiche Kontaktlinsen das Konservierungsmittel wie einen Schwamm
aufsaugen, wodurch das Auge permanent mit der Substanz in Kontakt komme.
4) Eine 20jährige Patientin klagt über einen einseitig zunehmenden Schmerz im
Bereich des linken inneren Augenwinkels, der sich bei Bewegung des Augenlids
verstärke.
Die junge Frau leide wahrscheinlich an einem Gerstenkorn, sagte Liekfeld. Die
Therapie sollte hier mit einer antibakteriellen Salbe erfolgen. Eine Salbe habe
gegenüber Tropfen den Vorteil, daß sie den Pfropf, der den Drüsenkanal
verschließt, aufweiche. Zur Salbe sollte auch eine Kompresse abgegeben werden
um die Salbe am Auge zu halten.
Möglich sei aber auch, daß die Frau ein Hagelkorn habe. Im Gegensatz zum
Gerstenkorn wäre dann eine medikamentöse Therapie unsinnig. Ein Hagelkorn
müsse immer operativ entfernt werden, allerdings mache es auch keine Schmerzen,
weshalb die Operation oft aufgeschoben werde.
5) Eine 25jährige Patientin, Kontaktlinsenträgerin, wünscht Augen- und
Nasentropfen zur Vorbeugung gegen Heuschnupfen.
Sinnvoll sei hier ein schnell wirksames Antihistaminikum, um die allergische Reaktion
zu unterdrücken, führte der Referent aus. Bei Kontaktlinsenträgerinnen sollte
außerdem dazu geraten werden, für die Zeit des Pollenfluges statt der Linsen eine
Brille zu tragen.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, München
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