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Phytopharmaka und das EU-Chaos

13.10.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Phytopharmaka und das EU-Chaos

Die europäische Einigung macht auch vor Arzneimitteln nicht halt. Was im Zuge der EU-Anpassung auf die Hersteller pflanzlicher Präparate zukommt, was das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zur Zulassung von Phytopharmaka in der EU mit sich bringt, war Gegenstand eines Seminars mit internationalen Experten, das der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) am 6. Oktober in Frankfurt veranstaltete. Gut eine Woche zuvor hatte sich bereits die Gesellschaft für Phytotherapie in Bonn mit diesen Fragen beschäftigt.

Als "Thema mit Nachholbedarf" bezeichnete Dr. Axel Sander, Geschäftsführer im Bereich Recht des BPI, die Stellung der pflanzlichen Arzneimittel. Und Marie Donnelly von der Industry European Commission in Brüssel beklagte: "Wir müssen zur Zeit mit dem leben, was wir in der Hand haben." Gemeint ist die momentane Rechtsgrundlage zu Phytopharmaka in der EU, die nach Expertenmeinung durchaus noch überarbeitungsbedürftig ist. So fehlt es nach Einschätzung der EU-Kommission unter anderem noch an verläßlichen Parametern zur Beurteilung von Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit pflanzlicher Arzneimittel. Zur Überprüfung der bereits vorhandenen EWG-Richtlinien und zur Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts wurde deshalb die Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Herbal Medicinal Products" ins Leben gerufen.

Mindestens fünf Jahre bis zu einer Änderung

Mit einer Modifizierung der rechtlichen Bestimmungen rechnet Donelly allerdings nicht vor dem Jahr 2002. Derzeit laufe eine Studie zum gegenseitigen Anerkennungsverfahren, ein Bericht dazu sei jedoch frühestens Anfang 1999 zu erwarten, ein Änderungsvorschlag wahrscheinlich erst im Jahr 2000, schätzt sie. Hinzu kämen vermutlich weitere zwei Jahre bis dieser den Europäischen Rat passiert habe. Zur Rechtslage im einzelnen: Nach den vorhandenen EWG-Richtlinien gelten für pflanzliche Fertigarzneimittel die gleichen Bedingungen wie für alle anderen Fertigarzneimittel auch. Einzige Ausnahme sind die homöopathischen Präparate, für die nach EU-Recht das gegenseitige Anerkennungsverfahren keine Anwendung findet. Dr. Konstantin Keller vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Leiter der Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Herbal Medicinal Prodructs" der EMEA, faßte in Frankfurt die Grundlagen der EU-Zulassung von Phytopharmaka zusammen.

Es gibt - anders als nach bundesdeutschem Recht - keine Sonderregelungen im Sinne von "besonderen Therapierichtungen", und es gibt auch keine "EU-Kommission E", betonte Keller. Die Verantwortung für die Zulassungs-Dossiers von Phytopharmaka liege damit im Bereich der EU allein beim Antragsteller. Die Anforderungen seien die gleichen wie für alle anderen Arzneimittel auch. Untersuchungen zu Qualität, Toxikologie, Pharmakologie und Klinik sind somit auch für pflanzliche Arzneimittel Pflicht, wenn sie nicht bereits in anerkannten wissenschaftlichen Studien publiziert wurden.

Was sich ab Januar 1998 ändert

"Ab Anfang nächsten Jahres kann ein Unternehmen entscheiden, ob es für sein Produkt die Zulassung im gegenseitigen Anerkennungsverfahren in der EU anstreben möchte", erinnerte Donelly. Ist dies der Fall, muß der Antragsteller allen betroffenen Mitgliedstaaten identische Zulassungsanträge vorlegen. - Umgekehrt ist ab dem 01. Januar 1998 für ein Produkt, das die nationale Zulassung in einem EU-Land hat, mit dem gleichen Dossier keine weitere nationale Zulassung in einem anderen EU-Land mehr möglich, betonte Keller. Dies könne dann nur mit einem geänderten Dossier erfolgen. Grundlage des gegenseitigen Anerkennungsverfahrens in der EU ist zunächst die nationale Zulassung in einem Referenzland. Der Antrag auf Zulassung in einem oder mehreren weiteren Mitgliedstaaten erfolgt dann mit Bezugnahme auf diese Erstzulassung (identisches Dossier, identische Gebrauchs- und Fachinformation). Die Zulassungsanerkennung der weiteren Mitgliedstaaten muß innerhalb von 90 Tagen stattfinden.

Wesentliche Determinanten in dem Anerkennungsverfahren sind laut Keller Struktur und Inhalt der Dokumentation, die mit den EU-Vorgaben konform sein müssen, sowie die Ergebnisse eines Expertengutachtens, das diese Angaben kritisch zusammenfassen soll. Als Hilfsmittel für die Erstellung der Zulassungsdossiers ging Keller auf die von der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) erarbeiteten Monographien ein, die mittlerweile für 50 Arzneipflanzen die vorhandene Literatur auflisten. Die Literaturangaben der ESCOP-Monographien seien jedoch kein Ersatz für eigene Untersuchungen, betonte er; die Datendichte variiere zum Teil erheblich, und für die Inhalte des Zulassungsantrags sei allein der Antragsteller verantwortlich.

Erste Erfahrung mit der Anerkennung

"Das Verfahren kann dazu beitragen, daß ein Produkt schneller in verschiedenen Ländern auf den Markt kommt", resümierte Zinck; allerdings habe es durch die Einspruchsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Anwendungsgebiete eher einschränkende Wirkung. Als positiv wertete Zinck die "horizontale Harmonisierung wirkstoffgleicher Produkte in Europa" infolge des gegenseitigen Anerkennungsverfahrens. Auf der anderen Seite sei jedoch "eine vertikale Disharmonisierung der Produkte auf nationaler Ebene" zu befürchten.

PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt Top

 

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