Pharmazie
Das besondere Charakteristikum der Pharmazeutischen Wissenschaften
ist ihre Syndisziplinarität, deren Bogen sich von der theoretischen Chemie
und erfolgreichen Entwicklung bis hin zur Anwendung eines Arzneimittels
und Marktbeobachtung spannt. Dieser Syndisziplinarität war der
gemeinsame Kongreß der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft
(DPhG) und der Schweizerischen Gesellschaft der Pharmazeutischen
Wissenschaften (SGPhW) vom 2. bis 5. Oktober 1997 in Zürich gewidmet,
dessen Organisation in den Händen von Professor Dr. Gerd Folkers, ETH,
Zürich, lag.
200 Teilnehmer konnten Professor Dr. Otto Sticher, Zürich, als amtierender
Präsident der SGPhW, und DPhG-Präsident Professor Dr. Hermann P. T. Ammon,
Tübingen, im Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH)
begrüßen. Die SGPhW ist, verglichen mit der DPhG, eine junge und auch noch
kleine Vereinigung, so Sticher bei der Eröffnung des viertägigen Kongresses. Sie
bestehe seit 1993. Bis dahin habe eine gesamtschweizerische Vereinigung gefehlt.
Stärkung des akademischen Rückgrats
Hauptziel der Gesellschaft mit derzeit annähernd 100 Mitgliedern sei die Pflege
internationaler Kontakte, die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen
Gesellschaften, die Förderung und Umsetzung des pharmazeutischen Wissens in die
Praxis.
In der Schweiz stehe der Offizinapotheker heute vermehrt unter Druck, nicht mehr
nur seitens der Ärzte, die Selbstdispensation betreiben, sondern auch seitens der
Krankenkassen, die Medikamente per Postversand vertreiben, und
Warenhausketten, die in den Arzneimittelmarkt drängen. Die Preise für Arzneimittel
seien - da für viele Schweizer unakzeptabel - in Bewegung geraten. Unter dem
Stichwort "Wir helfen sparen", so Sticher, versuchen die Schweizer Apotheken sich
neu zu positionieren, indem sie sich als Gesundheitszentren anbieten. Die
angespannte Lage fordere von allen Apothekern im verstärkten Maße Wissen und
Verantwortung. Es müsse wieder vermehrt darum gerungen werden, gemeinsam
aufzutreten, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und das "akademische Rückgrat"
zu stärken.
Internationaler Austausch
Die pharmazeutischen Wissenschaften können heute nicht mehr nur durch die
nationale Brille betrachtet werden. Internationaler Austausch ist notwendig, sagte
Ammon. Die Schweiz und Deutschland hätten nicht nur eine große
Apothekertradition, insbesondere seien sie auch Standorte bedeutender,
weltbekannter Pharmaunternehmen. Die gemeinsame Tagung solle einerseits dem
internationalen Austausch dienen, andererseits solle sie die Nähe zwischen
pharmazeutischer Hochschule und Industrieforschung demonstrieren, so Ammon.
Die DPhG verstehe sich als Hüterin der pharmazeutischen Wissenschaften. Deshalb
nehme sie auch immer wieder Stellung zu aktuellen Fragen der Pharmazie wie
Änderung der Ausbildung, Entwicklung der Pharmakoepidemiologie, vorgesehene
Schließungen von Hochschulen, Qualität von Phytopharmaka oder dem Vertrieb
unseriöser Arzneimittel. So habe die Gesellschaft mit Vehemenz gegen den
Versandhandel von Arzneimitteln Stellung bezogen. Die DPhG sieht darin eine
direkte und indirekte Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung, betonte Ammon.
Mit Besorgnis beobachte sie auch die Aktivitäten von Warenhausketten, nicht
apothekenpflichtige Arzneimittel in ihr Sortiment aufzunehmen. Eine adäquate
fachliche Beratung sei nicht gewährleistet. Dem Verbraucher gehe auf diese Weise
das Gefühl verloren, daß es sich beim Arzneimittel um eine Ware besonderer Art
handelt.
Pharmaceutical Care und Klinische Pharmazie
Pharmaceutical Care als Tätigkeitsfeld der praktischen Pharmazie sei zu begrüßen,
insbesondere auf den Gebieten chronischer Erkrankungen. Der Apotheker könne
hier einen Beitrag zur Optimierung der ärztlichen Tätigkeit leisten, bemerkte der
DPhG-Präsident. Durch themenbezogene Intensivfortbildung (Diabetes, Rheuma,
Hochdruck, Allergie et cetera) müßten die fachlichen Voraussetzungen geschaffen
werden. Halbwissen könne nur schaden. Sensibilität gegenüber den Ärzten sei
angebracht.
Nicht nur dem Themengebiet Pharmaceutical Care, auch der Klinischen Pharmazie
wolle die DPhG sich in Zukunft verstärkt widmen. Ist klinische Pharmazie
Krankenhauspharmazie? Ist sie der medizinische Aspekt der Pharmazie schlechthin?
Ist sie abzugrenzen von Pharmaceutical Care? Ist sie ein eigenes Fach neben den
vier klassischen Fächern der Pharmazie? Wie läßt sie sich in Forschung und Lehre
integrieren? Zur Beantwortung dieser Fragen konstituiere sich derzeit unter
Federführung von Professor Dr. Walter Schunack, Berlin, eine Arbeitsgemeinschaft
"Klinische Pharmazie".
Zusammenarbeit Hochschule und Industrie
Die geschichtliche Entwicklung habe es mit sich gebracht, daß die Herstellung von
Arzneimitteln von der Apotheke in die Industrie verlegt wurde. Die Pharmaindustrie
beschränke sich nicht nur auf die Produktion, sondern sie schaffe auch neue
Produkte. Diese mache die Erforschung von Grundlagen notwendig.
Pharmazeutische Institute könnten in ihrer Multidisziplinarität durchaus interessante
Partner für forschende Pharmafirmen sein. Zum Teil sind sie es bereits, betonte
Ammon. Die DPhG unterstütze dies, indem sie ihre Tagungen auch als Forum zum
wissenschaftlichen Austausch zwischen Hochschule und Apothekerschaft einerseits
und Wissenschaftlern aus der Industrie andererseits anbietet.
PZ-Artikel von Christiane Berg und Hartmut Morck, Zürich
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