Pharmazie
Noch vor einigen Jahren verglich der Kardiologe Sutherland während
einer Tagung der New York Heart Association die Therapie der
Herzinsuffizienz mit dem Zurechtrücken von Möbeln auf dem Achterdeck
der sinkenden Titanic. Daß diese Metapher inzwischen hinkt, bewies
Professor Dr. Gerd Baumann, Kardiologe an der Charité Berlin, in seinem
Referat, das er anläßlich des zweiten Highlight-Kongresses der Deutschen
Pharmazeutischen Gesellschaft und der Pharmazeutischen Zeitung in
Wittenberg hielt. Durch neue pathologische Erkenntnisse mache man große
Fortschritte, in der medikamentösen aber vor allem in der operativen
Therapie.
Bisher gelang es nicht, den Teufelskreis der Herzinsuffizienz mit Pharmaka zu
durchbrechen. Aus myokardialen Dysfunktionen resultieren geringer Füllungsdruck
und niedriges Herz-Minuten-Volumen. Eine Gegenregulation des Sympathikus und
des Renin-Angiotensin-Systems führten zu einer verstärkten Volumenbelastung des
Herzens. Häufig stellt Transplantation nach zunehmendem Wirkungsverlust der
Pharmaka die einzige Alternative dar. Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz schädigt
der verstärkte Angriff körpereigener Catecholamine die ß1-Rezeptoren. Die
Kontraktion des Myokard ist gestört, das Herz wird Catecholamin-refraktär. Die
Gabe von externen Catecholaminen verstärkt die Rezeptordownregulation.
Kardiologen bezeichnen diesen Effekt als Catecholaminspirale. Das uneffektiv
arbeitende Herz dilatiert zunehmend. Hohe Wandspannungen und steigender
Sauerstoffverbauch sind die Folge. Das Myokard wird trotz intakter Koronarien
ischämisch.
Baumann berichtete, daß es auch mit H2-Agonisten nicht gelingt, die
Catecholaminspirale zu durchbrechen. Alternativen der medikamentöse Therapie
bildeten Phosphodiesterase-III-Hemmer oder sogenannte Calciumsensitizer. Erstere
hemmen durch Blockade des Enzyms Phosphodiesterase III den Abbau von
cyclischem AMP, das positiv inotrop und chronotrop auf das Herz wirkt. Die
neuentwickelten Calciumsensitizer - in den USA steht die Zulassung von
Pimobendan bevor - setzen die Affinität der kontraktilen Strukturen des Herzens für
Calciumionen herauf.
Trotzdem stellt die Herztransplantation häufig den letzten Ausweg dar. Zwischen
3000 und 3500 Herzen wurden im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik
verpflanzt. Eine geringe Spendebereitschaft der Deutschen, sowie zahlreiche
Kontraindikationen erschweren die Organverpflanzung. Der Arbeitskreis um
Baumann suchte deshalb nach Alternativen.
Bei vielen Herzerkrankungen, die mit einer Dilatation einhergehen, bildet der
Organismus Antikörper gegen ß1-Rezptoren. Baumann und seine Kollegen
entwickelten deshalb eine Methode, bei der diese Antikörper außerhalb des
Körpers an einer Membran gebunden werden und das Blut so "gereinigt" in den
Kreislauf zurückgeführt wird. Damit hätte man eine deutliche Verbesserung des
Krankheitsbild erreicht. Die Methode der Immunadsorbtion funktioniere jedoch
nicht bei allen Patienten. Wichtigstes Ziel sei es deshalb, den Herzradius zu
verkleinern, um so die Effektivität des Myokards zu optimieren.
Ein krankhaft vergrößertes Herz arbeitet uneffektiv. Die veränderte
Ventrikelgeometrie führt zur Bildung von kontraproduktiv arbeitenden
Muskelarealen. Dem Berliner Arbeitskreis gelang es, einen chriurgischen Eingriff zu
entwickeln. Mit Hilfe eines Elektrokardiogramms werden uneffektive Bereiche des
Myokards lokalisiert, dann operativ entfernt und der Durchmesser des Herzens
verkleinert. Bis zu zwei Drittel des Muskelgewebes könnten ausgeschnitten werden.
Baumann berichtete von 30 erfolgreichen Operationen. Eine deutliche Verbesserung
der Lebensqualität seiner Patienten sei die Folge.
Um bei Akutpatienten während der Reanimation schnellstmöglich das
Herz-Kreislaufsystem zu stabilisieren, entwickelte Baumann mit seinen Kollegen eine
transcutan applizierbare Herz-Lungen-Maschine. Im Gegensatz zu herkömmlichen
Geräten würde hier das Blut mit Hilfe eines Magnetfelds beschleunigt. Bestechendes
Argument dieser Neuentwicklung sei die schnelle Bereitstellung, besonders bei
Intensivpatienten, so der Kardiologe.Eine wichtige Hilfe bei der Behandlung der
akuten Myokarditis stellen externe Pumpsysteme dar. Diese werden an der
freigelegten Herzspitze angesetzt. Das Blut wird so aus dem Ventrikel gesaugt und in
den Kreislauf ausgeworfen. Mit eindrucksvollen Dias belegte der Referent die
Heilungserfolge unter Einsatz dieser neuentwickelten Techniken.
Fazit: Die Titanic sei zwar nicht unsinkbar geworden, aber durch diese mechanischen
Hilfen sinke sie nun nicht mehr schlagartig und könne mit abgedichteten Leck noch
ihren Heimathafen erreichen.
PZ-Artikel von Ulrich Brunner, Wittenberg
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