Pharmazie
Psoriasis ist eine chronische, entzündliche, genetisch beeinflußte
Hauterkrankung, an der zwei bis drei Prozent der Weltbevölkerung leiden.
Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Inzidenz ist bei
Weißen am höchsten, während die Erkrankung in Afrika und Asien weitaus
seltener vorkommt. In Deutschland sollen rund 1,5 Millionen Menschen an
einer Psoriasis leiden. Die häufigste Form ist die chronische
Plaque-Psoriasis, die bevorzugt an Ellbogen, Knie, Kopfhaut und Kreuzbein
auftritt. Eine Kausaltherapie der Erkrankung ist derzeit nicht bekannt.
Für die unterschiedlichen Schweregrade der Psoriasis stehen neben der
Phototherapie zahlreiche Stoffe unterschiedlicher Gruppen zur Verfügung. Neben
Lokaltherapeutika wie Steinkohlenteer, Dithranol, Vitamin-D3-Analoga
(Calcipotriol und Tacalcitol) und Glucocorticoiden werden systemische
Antipsoriatika eingesetzt: zum Beispiel Methotrexat, Ciclosporin, Glucocorticoide,
Fumarsäureester und die Retinoide Etretinat und Acitretin.
Aufgrund der antiproliferativen Wirkung auf das Epithelgewebe und dessen
Differenzierung werden systemische Retinoide zur Therapie schwerster, sonst
therapieresistenter Psoriasisfälle eingesetzt. Die Therapieerfolge mit den systemisch
verabreichten Vitamin-A-Analoga müssen jedoch mit teilweise erheblichen
Nebenwirkungen erkauft werden. Dazu gehören Hepatotoxizität und Störungen des
Fettstoffwechsels, vor allem aber das hohe Risiko der Teratogenität, das eine
Anwendung bei Frauen im gebärfähigen Alter problematisch macht.
Aufgrund der guten therapeutischen Erfolge mit systemischen Vitamin-A-Analoga
suchte man daher nach besser verträglichen, lokal einsetzbaren Retinoiden.
Tazaroten ist das erste einer neuen Generation topischer, rezeptorselektiver
Retinoide, das bei leichter bis mittelschwerer Plaque-Psoriasis eingesetzt wird.
Chemische Klassifikation
Tazaroten, Ethyl-6-[(4,4-dimethylthiochroman-6-yl)-ethinyl]nikotinat, ist ein
Prodrug, das rasch in den biologisch aktiven primären Metaboliten Tazarotensäure
umgewandelt wird. Eine offensichtliche Strukturverwandtschaft zu Vitamin A oder
bisher therapeutisch eingesetzten Retinoiden (Vitamin-A-Säure, Isotretinoin,
Acitretin, Etretinat) besteht nicht. Trotzdem wird die Substanz zu den Retinoiden mit
Ethinstruktur gerechnet. Tazaroten ist empfindlich gegen Sauerstoff,
Oxidationsmittel, Licht und alkalisch reagierende Stoffe.
Indikationen und Anwendung
Die beiden Tazaroten-Gelzubereitungen (0,05 Prozent beziehungsweise 0,1 Prozent)
sind zugelassen zur kleinflächigen topischen Behandlung der leichten bis
mittelschweren Plaque-Psoriasis. Vor der ersten Anwendung sollte jeder Patient in
Zusammenarbeit mit seinem Arzt zunächst die für ihn geeignete Gelkonzentration
ermitteln. Dabei ist zu bedenken, daß das höher konzentrierte Gel, insbesondere in
den ersten vier Wochen der Anwendung, zwar bis zu 5 Prozent häufiger
Hautreizungen (Juckreiz, Rötung und Entzündung) verursacht als das Gel mit dem
niedrigeren Tazaroten-Gehalt, die Wirkung aber auch schneller einsetzt, stärker ist
und länger anhält.
Die Haut sollte nach einem Bad oder einer Dusche gründlich abgetrocknet werden,
bevor Tazaroten angewendet wird. Das Gel wird einmal täglich abends vor dem
Schlafengehen als dünner Film auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen. Dabei
muß darauf geachtet werden, daß es nur auf die psoriatischen Läsionen appliziert
wird, da eine Anwendung auf gesunder, ekzematöser, entzündeter oder anderweitig
erkrankter Haut zu Irritationen führen kann.
Bei der Körperpflege sollten austrocknende Seifen, Badezusätze oder Duschgels
vermieden werden. Bei stärkerer Austrocknung oder Irritation der Haut empfiehlt es
sich, vor dem Auftragen des Gels die Haut mit einer Wirkstoff-freien, gut fettenden
Salbe zu pflegen. Alternativ beziehungsweise zusätzlich kann die gesunde Haut um
den Psoriasis-Plaque herum mit Zinkpaste abgedeckt werden. Bei Hautreizungen ist
die Behandlung zu unterbrechen.
Jeder Kontakt des Gels mit den Augen muß vermieden werden. Daher sollten nach
jedem Auftrag die Hände sorgfältig gewaschen werden. Falls die Patienten jedoch
Psoriasisherde an den Händen behandeln müssen, ist besonders darauf zu achten,
daß keine Gel-Reste in Augen oder Gesicht gelangen, die zu Reizungen führen
können. Sollte das Gel dennoch in die Augen gekommen sein, sind diese mit viel
kaltem Wasser auszuspülen.
Zur Anwendung von Tazaroten unter Okklusion und in Kombination mit anderen
Antipsoriatika liegen keine Erfahrungen aus therapeutischen Studien vor. Die
behandelten Hautpartien sollten nicht mit Verbänden oder Folien abgedeckt werden.
Teershampoos sollten während der Anwendung von Tazaroten nicht benutzt
werden. Die Behandlungszeit beträgt in der Regel bis zu 12 Wochen. Klinische
Erfahrungen, insbesondere zur Verträglichkeit, liegen für einen Zeitraum von bis zu
12 Monaten vor.
Mit Ausnahme von lokalen Hautirritationen scheint Tazaroten keine unerwünschten
Wirkungen aufzuweisen. Die Gründe sind zum einen die Rezeptorselektivität -
Tazaroten bindet überwiegend an die geringe systemische Resorption an den in der
Haut domnierenden Rezeptorsubtypen RAR-gamma und RAR-beta - zum anderen
die geringe systemische Resorption nach lokaler Anwendung des Tazarotengels.
Wie ein Vergleich mit dem Lokalcorticoid Flucinonid zeigte, war die Wirkung von
Tazaroten mit der des Corticoids vergleichbar. Die Rezidivfreiheit nach Beendigung
der Therapie hielt jedoch nach Tazaroten deutlich länger an.
Vorteilhaft für die Patientencompliance ist sowohl die einmal tägliche Anwendung als
auch die - im Vergleich zu den klassischen lokalen Antipsoriatika Dithranol und
Steinkohlenteer - wesentlich bessere kosmetische Akzeptanz.
Mit Tazaroten wurde ein Wirkstoff in die Therapie der Psoriasis eingeführt, der den
Markt der bisher verwendeten Lokaltherapeutika auf jeden Fall bereichern dürfte.
Ein Vergleich mit gebräuchlichen lokalen Antipsoriatika wie Dithranol oder den
Vitamin-D-Analoga Calcipotriol und Tacalcitol steht allerdings noch aus.
PZ-Artikel von Rolf Thesen Eschborn
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