Pharmazie
Wissenschaftler der Universität Halle glauben, den Mechanismus einer
antioxidativen Wirkung von Acetylsalicylsäure (ASS) aufgeklärt zu haben.
Er beruht vermutlich auf einem direkten Einfluß von ASS auf die
Ferritin-Produktion im Zytoplasma von Gewebszellen.
Oxidativer Streß spielt in der Pathophysiologie von Krankheiten, die durch
Entzündungsreaktionen entstehen, eine große Rolle. Dazu gehören Rheuma,
Arteriosklerose, Krebs und Alzheimer. Freie Radikale setzen im Körper Reaktionen
in Gang, die zu irreparablen Störungen führen können. Diese aggressiven Reagenzien
entstehen durch exogene oder endogene Faktoren. Ein Zuviel an freien Eisen-Ionen
verhält sich wie ein Katalysator. Das zweiwertige Spurenelement reagiert mit
OH-Gruppen im Gewebe und produziert so die zell- und gewebsschädigenden
Radikale.
Epidemiologische Studien zeigten, daß Blutspender und Frauen vor der Menopause
ein geringeres koronares Risiko haben. Einen Grund hierfür sehen Wissenschaftler
im regelmäßigen Blut- und vor allem Eisenverlust. Früher setzte man den Aderlaß
ein, um dies zu erreichen. ASS scheint nach dem gleichen Prinzip zu wirken, indem
es hohe Eisenkonzentrationen vermindern kann.
Der Organismus vermag bis zu einem gewissen Maß selbst überschüssiges Eisen zu
binden. Er produziert dazu das Protein Ferritin, das Eisen-Ionen abfängt,
transportiert und unschädlich macht. Somit wird die Radikal-Bildung frühzeitig
gestoppt. Die Pharmakologen um Professor Dr. Henning Schröder untersuchten in
ihren Experimenten an Endothelzellen, welche Arzneistoffe das zytoprotektive
Ferritin beeinflussen. Von den nichtsteroidalen Antirheumatika war lediglich ASS
wirksam, Salicylsäure, Indomethacin und Diclofenac jedoch nicht. Verwendet
wurden Dosen, die üblicherweise zur Prophylaxe eingenommen werden.
Der Wirkmechanismus beruht vermutlich auf einem direkten Einfluß auf die
Translation an den Ribosomen: Die Ferritin-Produktion wird gesteigert. Damit wirkt
ASS zweifach protektiv. Einerseits hemmt es im Blut die Gerinnung, andererseits
schützt es im Gewebe das Endothel vor oxidativen, durch Eisen bedingte,
Reaktionen. Beide Mechanismen ergänzen sich bei der Prophylaxe von
Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Vor einiger Zeit hatte der gleiche Arbeitskreis bereits herausgefunden, daß ASS den
zytoprotektiven Effekt von Vitamin E, der nicht auf der Eisen-Bindung beruht,
verstärkt. Um so mehr darf man jetzt gespannt sein auf das Ergebnis der Women's
Health Study mit etwa 40.000 Krankenschwestern. In der Untersuchung werden
seit 1992 ASS (100mg/d) und Vitamin E (600I.E./d) gegen Placebo zur Prävention
von kardiovaskulären Krankheiten und Krebs gegeben.
Literatur : Oberle, S. et al., Circulation Research 82 (1998) 1016-1020.
Podhaisky, H.P., et al., Federation of Biochemical Societies Letters 417 (1997) 349-351.
PZ-Artikel von Katja Pannewig, München
© 1997 GOVI-Verlag
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