Imiglucerase zur Behandlung des Morbus Gaucher |
06.07.1998 00:00 Uhr |
Pharmazie
Das Präparat wird nach dem Auflösen in Wasser für Injektionszwecke (5,1 ml je
Durchstechflasche) sofort mit 0,9prozentiger Natriumchlorid-Infusionslösung
verdünnt und intravenös über ein bis zwei Stunden infundiert. Wegen der
Heterogenität und der multi-systemischen Manifestation der Gaucher-Krankheit
sollte die Dosis auf der Basis einer gründlichen Untersuchung der klinischen
Symptomatik individuell für jeden Patienten bestimmt werden.
Wie klinische Studien und die Erfahrungen in der Praxis zeigen, haben sich eine
Reihe von Dosierungsschemata als wirksam erwiesen. Initialdosen von 60 E/kg
Körpergewicht alle zwei Wochen haben innerhalb eines Behandlungszeitraums von
sechs Monaten zu einer Besserung der hämatologischen Parameter und der
Organbefunde geführt. Die Dauertherapie mit dieser Dosierung hat entweder die
Knochenerkrankung gebessert oder deren Progression aufgehalten.
Es hat sich gezeigt, daß bereits Dosen von nur 2,5 E/kg Körpergewicht dreimal
wöchentlich oder 15 E/kg Körpergewicht jede zweite Woche die hämatologischen
Parameter und die Organomegalie (Leber, Milz) bessern, jedoch nicht die
Knochenparameter. Das übliche und für den Patienten angenehmste
Infusionsintervall ist einmal alle zwei Wochen. Für dieses Dosierungsschema liegen
die meisten Daten vor.
Wirkungen und Wirkungsmechanismus
Die ß-Glucocerebrosidase ist ein lysosomales Glykoprotein, das die hydrolytische
Spaltung des Glykolipids Glucocerebrosid in Glucose und Ceramid katalysiert. Der
bei Morbus Gaucher vorliegende Enzymdefekt wird durch Substitution der
ß-Glucocerebrosidase ausgeglichen und die Akkumulation von Glucocerebrosid in
den Gewebemakrophagen (Gaucher-Zellen) abgebaut.
Unerwünschte Wirkungen
Bei einer geringen Zahl von Patienten wurden durch die Art der Verabreichung
bedingte Nebenwirkungen beobachtet: unangenehmes Gefühl, Jucken, Brennen,
Schwellung oder steriler Abszeß an der Injektionsstelle. Anzeichen einer
Überempfindlichkeit wurden bei etwa drei Prozent der Patienten beobachtet.
Juckreiz, Hautrötung (Flush), Nesselsucht/Angioödem, Engegefühl in der Brust und
Atembeschwerden traten während oder kurz nach der Infusion auf. Ein
Blutdruckabfall in Verbindung mit einer Überempfindlichkeitsreaktion wurde
ebenfalls selten beobachtet.
Weitere Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Durchfall,
Ausschläge, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber und Schwindel wurden nur bei
wenigen Patienten registriert.
Die bisherigen Daten deuten daraufhin, daß im ersten Jahr der Therapie bei etwa 15
Prozent der behandelten Patienten IgG-Antikörper gegen Imiglucerase gebildet
werden können. Dabei zeigt sich, daß bei Patienten, die IgG-Antikörper entwickeln,
dies meist innerhalb der ersten sechs Behandlungsmonate geschieht und daß die
Bildung von Antikörpern nach mehr als zwölf Monaten Therapie selten ist. Es wird
empfohlen, die Patienten regelmäßig auf IgG-Antikörper zu untersuchen. Patienten
mit Antikörpern gegen Imiglucerase haben ein höheres Risiko für die Entwicklung
von Überempfindlichkeitsreaktionen.
In einer Vergleichsstudie, bei der 15 Patienten Ceredase und 15 Patienten
Cerezyme erhielten, entwickelten 40 Prozent der Patienten in der Ceredase-Gruppe
IgG-Antikörper, in der Cerezyme-Gruppe nur 20 Prozent.
Klinische Prüfung
Verschiedene klinische Studien haben die Wirksamkeit von Alglucerase in der
Substitutionstherapie des Morbus Gaucher belegt. In einer doppelblinden,
randomisierten Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Imiglucerase
(Cerezyme) mit der von Alglucerase (Ceredase) in der Therapie der
Typ-I-Gaucher-Krankheit verglichen. 15 Patienten (vier Kinder und elf
Erwachsene) erhielten Ceredase und 15 Patienten (drei Kinder und zwölf
Erwachsene) Cerezyme. Beide Präparate wurden alle zwei Wochen über neun
Monate mit einer Dosis von 60 E/kg Körpergewicht infundiert. Beide Präparate
waren gleich wirksam. In der Ceredase-Gruppe entwickelten 40 Prozent
IgG-Antikörper, in der Cerezyme-Gruppe nur 20 Prozent. Schwere
Überempfindlichkeitsreaktionen wurden in keiner der beiden Gruppen festgestellt.
Wertende Zusammenfassung
Bis zur Einführung der Alglucerase in die Therapie des Morbus Gaucher
beschränkten sich die Therapieansätze auf eine symptomatische Behandlung, wie
beispielsweise Splenektomie zur Besserung der Symptome eines Hypersplenismus,
sowie bei schwer betroffenen Patienten auf Leber- und
Knochenmarktransplantationen. Aufgrund des extrem hohen Bedarfs an Plazenta zur
Gewinnung der Alglucerase wurde die Expression des Glucocerebrosidase-Gens in
Ovarzellen des chinesischen Hamsters forciert. Mit der Einführung von Imiglucerase
in die Therapie steht dieses Enzym nun in praktisch unbegrenzter Menge zur
Verfügung. Das nun erhältliche rekombinante Produkt Imiglucerase ist äquipotent mit
der Alglucerase, HCG-frei und wird aufgrund seiner besseren Verfügbarkeit wohl
zunehmend das Plazentapräparat ersetzen. Ein weiterer Vorteil ist, daß dieses
Produkt frei von potentiellen pathogenen Verunreinigungen ist.
Zur Zeit entstehen bei der Therapie mit diesem Enzym noch hohe Kosten. Werden
30 E Alglucerase oder Imiglucerase pro kg Körpergewicht alle zwei Wochen
infundiert, so entstehen etwa Kosten von 560.000,- DM pro Jahr (etwa DM 12,-
pro Einheit, angenommenes Körpergewicht 60 kg). Diese Kosten werden mit der
Änderung der Arzneimittelpreisverordnung drastisch reduziert.
PZ-Artikel von Martin Schulz, Eschborn
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