Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Imiglucerase zur Behandlung des Morbus Gaucher

Datum 06.07.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Imiglucerase zur Behandlung
des Morbus Gaucher
Neue Arzneistoffe

Morbus Gaucher oder Glykosylcerebrosidlipidose ist eine seltene familiäre Lipidspeicherkrankheit mit einer Akkumulation von abnormen Glucocerebrosiden im retikuloendothelialen System (RES). Wissenschaftler vermuten, daß in Deutschland circa 4000 Patienten an dieser Krankheit leiden, jedoch sind nur weniger als 200 Fälle bekannt. Als Symptome stehen Hepatosplenomegalie mit Thrombozytopenie, Verfärbung der Haut, Knochenläsionen und Anämie im Vordergrund.

Als Ursache der Erkrankung wird ein Defekt des lysosomalen Enzyms Glucocerebrosidase angenommen, das normalerweise Glucocerebroside zu Glucose und Ceramid abbaut. Die Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt und führt bereits in der frühen Kindheit - gelegentlich, aber auch später - zu klinischen Symptomen. Als charakteristische Befunde lassen sich Anhäufungen von Glucocerebrosiden in den Retikuloendothelzellen von Milz, Leber, Lymphknoten und dem Knochenmark nachweisen. Die Zellen weisen eine unterschiedliche Form auf und besitzen einen oder mehrere exzentrisch angeordnete Kerne (Gaucher-Zellen).

Mit der Einführung der Alglucerase (Ceredase®) im Januar 1995 in die Therapie des Morbus Gaucher stand zum ersten Mal mit einem Enzymersatz eine kausale Therapie zur Verfügung. Im Februar diesen Jahres wurde Imiglucerase (Cerezyme®) in die Therapie eingeführt. Imiglucerase ist eine modifizierte Form des menschlichen Enzyms ß-Glucocerebrosidase, welches mit der Technik der rekombinanten DNA hergestellt wird.

Indikationen und Anwendung

Cerezyme ist zugelassen zur langfristigen Enzymsubstitution bei Patienten mit gesicherter Diagnose und klinischer Manifestation der Gaucher-Krankheit Typ I. Die Therapie sollte von einem Arzt überwacht werden, der mit der Behandlung der Gaucher-Krankheit vertraut ist. Die Typ-I-Gaucher-Krankheit ist durch eines oder mehrere der folgenden Symptome gekennzeichnet:
  • Anämie nach Ausschluß anderer Ursachen (zum Beispiel Eisenmangel)
  • Thrombozytopenie
  • Knochenerkrankung nach Ausschluß anderer Ursachen (zum Beispiel Vitamin-D-Mangel)
  • Hepatomegalie und Splenomegalie.

Das Präparat wird nach dem Auflösen in Wasser für Injektionszwecke (5,1 ml je Durchstechflasche) sofort mit 0,9prozentiger Natriumchlorid-Infusionslösung verdünnt und intravenös über ein bis zwei Stunden infundiert. Wegen der Heterogenität und der multi-systemischen Manifestation der Gaucher-Krankheit sollte die Dosis auf der Basis einer gründlichen Untersuchung der klinischen Symptomatik individuell für jeden Patienten bestimmt werden.

Wie klinische Studien und die Erfahrungen in der Praxis zeigen, haben sich eine Reihe von Dosierungsschemata als wirksam erwiesen. Initialdosen von 60 E/kg Körpergewicht alle zwei Wochen haben innerhalb eines Behandlungszeitraums von sechs Monaten zu einer Besserung der hämatologischen Parameter und der Organbefunde geführt. Die Dauertherapie mit dieser Dosierung hat entweder die Knochenerkrankung gebessert oder deren Progression aufgehalten.

Es hat sich gezeigt, daß bereits Dosen von nur 2,5 E/kg Körpergewicht dreimal wöchentlich oder 15 E/kg Körpergewicht jede zweite Woche die hämatologischen Parameter und die Organomegalie (Leber, Milz) bessern, jedoch nicht die Knochenparameter. Das übliche und für den Patienten angenehmste Infusionsintervall ist einmal alle zwei Wochen. Für dieses Dosierungsschema liegen die meisten Daten vor.

Wirkungen und Wirkungsmechanismus

Die ß-Glucocerebrosidase ist ein lysosomales Glykoprotein, das die hydrolytische Spaltung des Glykolipids Glucocerebrosid in Glucose und Ceramid katalysiert. Der bei Morbus Gaucher vorliegende Enzymdefekt wird durch Substitution der ß-Glucocerebrosidase ausgeglichen und die Akkumulation von Glucocerebrosid in den Gewebemakrophagen (Gaucher-Zellen) abgebaut.

Unerwünschte Wirkungen

Bei einer geringen Zahl von Patienten wurden durch die Art der Verabreichung bedingte Nebenwirkungen beobachtet: unangenehmes Gefühl, Jucken, Brennen, Schwellung oder steriler Abszeß an der Injektionsstelle. Anzeichen einer Überempfindlichkeit wurden bei etwa drei Prozent der Patienten beobachtet. Juckreiz, Hautrötung (Flush), Nesselsucht/Angioödem, Engegefühl in der Brust und Atembeschwerden traten während oder kurz nach der Infusion auf. Ein Blutdruckabfall in Verbindung mit einer Überempfindlichkeitsreaktion wurde ebenfalls selten beobachtet.

Weitere Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Durchfall, Ausschläge, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber und Schwindel wurden nur bei wenigen Patienten registriert.

Die bisherigen Daten deuten daraufhin, daß im ersten Jahr der Therapie bei etwa 15 Prozent der behandelten Patienten IgG-Antikörper gegen Imiglucerase gebildet werden können. Dabei zeigt sich, daß bei Patienten, die IgG-Antikörper entwickeln, dies meist innerhalb der ersten sechs Behandlungsmonate geschieht und daß die Bildung von Antikörpern nach mehr als zwölf Monaten Therapie selten ist. Es wird empfohlen, die Patienten regelmäßig auf IgG-Antikörper zu untersuchen. Patienten mit Antikörpern gegen Imiglucerase haben ein höheres Risiko für die Entwicklung von Überempfindlichkeitsreaktionen.

In einer Vergleichsstudie, bei der 15 Patienten Ceredase und 15 Patienten Cerezyme erhielten, entwickelten 40 Prozent der Patienten in der Ceredase-Gruppe IgG-Antikörper, in der Cerezyme-Gruppe nur 20 Prozent.

Klinische Prüfung

Verschiedene klinische Studien haben die Wirksamkeit von Alglucerase in der Substitutionstherapie des Morbus Gaucher belegt. In einer doppelblinden, randomisierten Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Imiglucerase (Cerezyme) mit der von Alglucerase (Ceredase) in der Therapie der Typ-I-Gaucher-Krankheit verglichen. 15 Patienten (vier Kinder und elf Erwachsene) erhielten Ceredase und 15 Patienten (drei Kinder und zwölf Erwachsene) Cerezyme. Beide Präparate wurden alle zwei Wochen über neun Monate mit einer Dosis von 60 E/kg Körpergewicht infundiert. Beide Präparate waren gleich wirksam. In der Ceredase-Gruppe entwickelten 40 Prozent IgG-Antikörper, in der Cerezyme-Gruppe nur 20 Prozent. Schwere Überempfindlichkeitsreaktionen wurden in keiner der beiden Gruppen festgestellt.

Wertende Zusammenfassung

Bis zur Einführung der Alglucerase in die Therapie des Morbus Gaucher beschränkten sich die Therapieansätze auf eine symptomatische Behandlung, wie beispielsweise Splenektomie zur Besserung der Symptome eines Hypersplenismus, sowie bei schwer betroffenen Patienten auf Leber- und Knochenmarktransplantationen. Aufgrund des extrem hohen Bedarfs an Plazenta zur Gewinnung der Alglucerase wurde die Expression des Glucocerebrosidase-Gens in Ovarzellen des chinesischen Hamsters forciert. Mit der Einführung von Imiglucerase in die Therapie steht dieses Enzym nun in praktisch unbegrenzter Menge zur Verfügung. Das nun erhältliche rekombinante Produkt Imiglucerase ist äquipotent mit der Alglucerase, HCG-frei und wird aufgrund seiner besseren Verfügbarkeit wohl zunehmend das Plazentapräparat ersetzen. Ein weiterer Vorteil ist, daß dieses Produkt frei von potentiellen pathogenen Verunreinigungen ist.

Zur Zeit entstehen bei der Therapie mit diesem Enzym noch hohe Kosten. Werden 30 E Alglucerase oder Imiglucerase pro kg Körpergewicht alle zwei Wochen infundiert, so entstehen etwa Kosten von 560.000,- DM pro Jahr (etwa DM 12,- pro Einheit, angenommenes Körpergewicht 60 kg). Diese Kosten werden mit der Änderung der Arzneimittelpreisverordnung drastisch reduziert.

PZ-Artikel von Martin Schulz, Eschborn

Top

© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail:
redaktion@govi.de

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa