Pharmazie
Chemo- und Strahlentherapie sind
neben der Operation die klassischen Eckpfeiler der
Krebsbehandlung. Damit verbunden sind toxische Effekte
auf das gesunde Gewebe und schwerwiegende Nebenwirkungen,
welche die therapeutische Breite und Effizienz der
Tumortherapie erheblich eingrenzen. An supportiven
Maßnahmen, die auch die Lebensqualität der
Tumorpatienten erhöhen, besteht großes Interesse.
Ionisierende Strahlung und Zytostatika wirken am
Tumor durch Zelltoxizität antineoplastisch. Daran
beteiligt sind freie Radikale, ebenso biochemische
Reaktionen wie Alkylierung oder Eingriffe in
molekularbiologische Prozesse. Diese am Tumor
erwünschten Effekte sind jedoch nicht zellspezifisch und
betreffen auch gesundes Gewebe. Die Krebsbehandlung mit
Strahlen und Zytostatika ist daher stets ein Kompromiß
zwischen höchstmöglicher Tumorzerstörung und minimaler
Schädigung gesunden Gewebes. An Methoden der
Zytoprotektion gesunder Zellen und Organe ist die
Onkologie stark interessiert, nicht zuletzt zur
Optimierung zytostatisch wirksamer Dosen.
Amifostin wurde in den 50er Jahren
im Auftrag der US-Armee entwickelt. Ziel des
Forschungsprogramms war das Auffinden neuer
radioprotektiver Stoffe, die Soldaten vor den Folgen des
radioaktiven Fall out schützen sollten. In einem breiten
Screening potentiell wirksamer Thiolderivate erwies sich
Amifostin als wirksamstes Zytoprotektivum gegen
Strahlenschäden.
Neues Interesse fand es Anfang der 80er Jahre, als man
erkannte, daß der Stoff selektiv gesundes Gewebe
schützt und auch bei einer Chemotherapie zytoprotektiv
wirksam ist. Amifostin (Ethyol®) wurde 1995 in
Deutschland zugelassen.
Amifostin ist ein Zytoprotektivum gegen Organ- und
Gewebeschäden bei einer Radio- und Chemotherapie. Die
Substanz, ein Aminothiophosphorsäureester, ist ein
Prodrug, das durch die membranständige alkalische
Phosphatase in das freie Thiol (WR-1065) als aktives
Prinzip metabolisiert wird. WR-1065 wird von gesundem
Gewebe selektiv schneller aufgenommen und erreicht in
normalen Zellen bis zu 100fach höhere Konzentration als
im Tumor. Es wirkt primär als Radikalfänger und scheint
auch chemopräventive Mechanismen auf molekularer Ebene
zu induzieren.
Amifostin ist nicht toxisch, verursacht aber bei
schneller Infusion eine Reihe von Nebenwirkungen, die
jedoch klinisch gut beherrschbar sind. Die Wirksamkeit im
Hinblick auf die Verringerung der Multiorgantoxizität
verschiedener Chemotherapeutika und die Möglichkeit zur
Erhöhung maximal tolerierbarer Dosen (MTD) in der Chemo-
und Radiotherapie ist belegt. Wichtige Zukunftsaufgaben
sind die Verbesserung der Amifostin-Dosierung und
geeigneter kombinierter Therapien, ebenso eine
Erweiterung der eingeschränkten Indikation.
Der Nutzen in der Onkologie erscheint hoch, da
berechtigte Hoffnungen bestehen, daß mit Amifostin
höheren Remissionsraten und damit längere
Überlebenszeiten erzielt werden können. Für den
Tumorpatienten sollte die Amifostin-Begleittherapie eine
echte Verbesserung der Lebensqualität bedeuten.
PZ-Artikel von Gunther Metz, Blaubeuren
© 1997 GOVI-Verlag
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