Pharmazie
Die neuen Entwicklungen bei der medikamentösen Behandlung des
rheumatischen Formenkreises finden sich hauptsächlich in der Gruppe der
nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), so Professor Dr. Gerd Dannhardt
vom Pharmazeutischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Nachdem die Hemmung der Prostaglandinsäuresynthese durch die NSAR erst
Anfang der 70er Jahre mit der Beschreibung der Cyclooxygenase 1 (COX 1) und
durch die Charakterisierung der Cyclooxygenase 2 (COX 2) Anfang der 90er Jahre
aufgeklärt wurde, glaubte man, gezielter wirkende Substanzen entwickeln zu können.
Da man zunächst der COX 1 ausschließlich die Unterstützung der physiologischen
Mechanismen zuschrieb, zum Beispiel Schutz der Magenschleimhaut, und die
Funktion der COX 2 bei den entzündlichen Prozessen ansiedelte, hoffte man mit
hochselektiven COX 2-Hemmern die unerwünschten Effekte von den erwünschten
trennen zu können. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt, zumal inzwischen
nachgewiesen wurde, daß auch für COX 2 physiologische Funktionen und ein
konstitutives Vorkommen in bestimmten Zellen nachgewiesen wurden.
Als nebenwirkungsärmere Substanz stellte Dannhardt den neuen Ester des
Diclofenacs mit Hydroxyessigsäure, Aceclofenac, vor, der bei Einmalgabe mit einem
Faktor von 4 bis 6 eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit gegenüber
Diclofenac zeigt. Bei Mehrfachgaben reduziert sie sich allerdings auf 1,5 bis 2
reduziert. Auch die Kombination von Diclofenac mit dem Prostaglandin
E1-Analogon Misoprostol habe in klinischen Studien eine signifikant bessere
Magen-Darm-Verträglichkeit gezeigt.
Ein weiteres Konzept, die Verträglichkeit der NSAR zu erhöhen, sei der Einbau von
Salpetersäurefunktionen über Spacer. Nach der enteralen Resorption werde der
Wirkstoff, der Spacer und Stickstoffmanoxid freigesetzt. Letzteres verhindere
aufgrund seiner vasodilatierenden Wirkung Mikrozirkulationsstörungen in den
mesenteriellen Venolen des Magen-Darm-Traktes und senke dadurch das
Ulcusrisiko.
Weitere neue Substanzen folgten dem Konzept der dualen Blockade, so Dannhardt.
Sie hemmen sowohl die COX als auch die Lipoxygenase, wodurch auch die Bildung
der Leukotriene verhindert werde. Leukotriene haben chemotaktische Wirkungen
und fördern die Adhäsion der Leukozyten in der Magen-Darm-Mukosa und starten
dadurch die Kaskade zur Ausbildung gastrointestinaler Schäden. Als Substanz
nannte Dannhardt Tenidap.
Einen vollkommen neuen Wirkungsmechanismus müsse dem Leflunomid, einem
Prodrug mit Isoxazolstruktur, zugeordnet werden: Es inhibiert das Enzym
Dihydroorotat-Dehydrogenase, das an der Pyrimidinbiosynthese beteiligt ist, und
beeinflußt die Signaltransduktion durch eine Blockade von Rezeptortyrosinkinasen.
Leflunomid greift damit in grundlegende Vorgänge der Zellen ein.
Als weitere Entwicklungen in der Rheumatherapie nannte Dannhardt den Einsatz
monoklonaler Antikörper, zum Beispiel gegen den Tumornekrosefaktor.
NSAR haben, so Dannhardt abschließend, allerdings auch neue Indikationen
erfahren, zum Beispiel in der Prophylaxe und der Therapie der Restenosen, der
Ischämie, der Sepsis und der Chemoprävention colorektaler Karzinome. Bezüglich
der letzten Indikation liegen bereits Untersuchungsergebnisse für Acetylsalicylsäure,
Sulindac und Resveratrol vor.
PZ-Artikel von Dr. Hartmut Morck, Meran
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