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HIV: wandelbar und kaum zu schlagen

09.06.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

HIV: wandelbar und kaum zu schlagen
Pharmacon Meran

  Trotz neuer Therapie- und Diagnosemöglichkeiten gibt es keine Entwarnung an der HIV-Front. Man unterscheidet heute neben dem vor allem in Westafrika, Portugal und Indien verbreiteten HIV-2a und b bereits zehn Subtypen von HIV-1. Während in Europa noch vor einigen Jahren überwiegend HIV-lb anzutreffen war - die heutige Therapie ist darauf abgestimmt - werden jetzt häufiger andere Subtypen, vor allem e, diagnostiziert. Subtyp e wird vorwiegend von Sextouristen aus Thailand eingeschleppt, berichtete Dr. Ursula Dietrich vom Georg-Speyer-Haus in Frankfurt.

Zwischen Virusinfektion und Krankheitsausbruch liegen oft mehrere Jahre. Das bedeutet aber keineswegs, daß HIV im Körper ruht. Vielmehr findet eine sehr aktive Virusreplikation, täglich bis zu zehn Milliarden Viruspartikel statt. Die Viren haben zwar nur eine Halbwertszeit von wenigen Stunden bis Tagen, durch den raschen Turnover entstehen jedoch zahlreiche neue Virusvarianten, die teilweise nicht mehr von der primären Immunantwort erkannt werden oder gegen ein Virustatikum resistent sind. Diese Quasispezies variieren bis zu fünf Prozent in ihrer Struktur.

Man weiß heute, daß das Ausmaß der frühzeitigen Virusbelastung des Patienten (virus load) Bedeutung für die weitere Prognose der Erkrankung hat. Patienten mit langer Überlebenszeit und Langzeitinfizierte haben initial eine geringe Viruslast. Nicht-infizierbare Menschen haben häufig einen genetischen Defekt des CCR5-Corezeptors, erläuterte Dietrich die neuesten Forschungsergebnisse. Inzwischen ist bekannt, daß nicht nur die CD4-Rezeptoren auf Makrophagen und Monozyten notwendig sind für die HIV-Anlagerung und Penetration, sondern auch Corezeptoren wie der CCR5-Chemokinrezeptor oder der CXCR-4-Rezeptor. Ein neuer denkbarer Therapieansatz wäre somit die Blockade dieser Corezeptoren.

Das neue Wissen hat zu einer veränderten Strategie geführt: "Hit hard and early." Heute gilt der Wert von 10 000 HIV-RNA-Molekülen pro ml Plasma als Richtwert für den Beginn der antiviralen Chemotherapie. Seit letztem Jahr wurden fünf neue Virustatika in Deutschland zugelassen. Es gibt inzwischen fünf Nukleosidanaloga (Zidovudin, Didanosin, Zalcitabin, Lamivudin und Stavudin), die die Reverse-Transkriptase hemmen, sowie drei Protease-Inhibitoren (Ritonavir, Saquinavir und Indinavir), die die virale Protease blockieren. Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren wie Nevirapin und Lovirid reduzieren zwar initial die Viruslast, jedoch entstehen sehr rasch Resistenzen.

Bevorzugt wird heute eine Dreifach-Kombination aus einem Proteaseinhibitor und zwei Reverse-Transkriptase-Inhibitoren. Durch Angriff an verschiedenen viralen Enzymen soll die Virusreplikation möglichst komplett unterdrückt werden. Tatsächlich beobachtet man einen zweiphasigen Abfall: initial stark und dann langsamer über Tage bis Wochen, wenn die langlebigen infizierten Zellen sterben. Die Patienten müssen dazu bis zu zwanzig Tabletten täglich zu bestimmten Zeiten und in Abhängigkeit von der Mahlzeit einnehmen. Die Biologin aus dem Georg-Speyer-Haus forderte daher die Pharmaforschung auf, Arzneiformen zu entwickeln, die die Wirkstoffe in langlebige Zellen oder ins Gehirn bringen. Beispielsweise Liposomen und Nanopartikel könnten hier einen Ansatz bieten.

Die Heterogenität der Viren stellt die Diagnostik immer wieder auf die Probe. HIV-1 und HIV-2 variieren um bis zu 50 Prozent. 30 Prozent Divergenz zeigen die Subtypen der beiden HIV-Familien. Herkömmliche Tests erfassen nicht alle Subtypen, können sie nicht differenzieren oder erfassen keine Doppelinfektion. Am Georg-Speyer-Haus wurde daher ein neuer Test entwickelt, der die V3-Region des env-Gens erfaßt. Je nach HIV-Subtyp ergeben sich verschiedene Reaktionsmuster. In einer retrospektiven Studie wurden mit dem ELISA-Test an sechs deutschen Zentren je 300 Serumproben aus den Jahren 1985, 1990 und 1996 (je 100) untersucht. Von 1985 bis 1996 stieg der Anteil der non-HIV-1b-Viren von 5,8 auf 13,3 Prozent an.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, Meran
   

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