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Keine Sonderstellung für Phytopharmaka

02.06.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

Keine Sonderstellung für Phytopharmaka
Pharmacon Meran

  65 Prozent der deutschen Bevölkerung nehmen gelegentlich oder öfter pflanzliche Arzneimittel. Die Ausgaben dafür machen rund ein Drittel (4,8 Millionen DM) des gesamten Selbstmedikationsmarktes aus. Beim Verbraucher also offenbar sehr beliebt, sind die Phytopharmaka auf Seiten der Wissenschaft jedoch eher umstritten. Der Grund: Die zugrundeliegenden Prüfungen, insbesondere in Hinblick auf wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe und deren Deklaration sowie die therapeutische Äquivalenz inhaltsstoffgleicher Phytopharmaka, sind oft mangel- oder lückenhaft und zum Teil gar nicht vorhanden.

"Die Anforderungen an pflanzliche Arzneimittel sind im Prinzip die gleichen wie für chemisch definierte Substanzen", betonte Professor Dr. Henning Blume, Leiter des Zentrallaboratoriums deutscher Apotheker (ZL), Eschborn, beim Eröffnungsvortrag in Meran. Will heißen: Der Hersteller muß seit Inkrafttreten der 5. AMG-Novelle 1994 nicht nur die pharmazeutische Qualität seines Phytoproduktes belegen, sondern auch dessen therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit; für letztere beiden sind eigene klinische Prüfungen erforderlich.

Bereits der Qualitätsbeleg gestaltet sich bei pflanzlichen Arzneimitteln oft schwieriger als bei chemisch definierten Präparaten. Bei der Mehrzahl der Phytopharmaka ist ein Vielstoffgemisch die wirksamkeitsbestimmende Komponente. Laut Blume gilt daher: "Wirkstoff von Phytopharmaka ist der gesamte Pflanzenextrakt". Nur bei Verwendung der gleichen Ausgangsdroge (Wachstumsbedingungen, Standort, Erntezeitpunkt) und derselben Herstellungstechnik (Extraktionsverfahren) könne man von gleichartig zusammengesetzten Extrakten ausgehen, betonte der ZL-Leiter. Die deklarierten Wirk- beziehungsweise Inhaltsstoffgehalte seien letztendlich nur dann vergleichbar, wenn nach dem gleichen analytischen Verfahren ermittelt wird.

Seit 1995 ist bei verschiedenen Pflanzenpräparaten die Normierung auf sogenannte "wirksamkeitsbestimmende Komponenten", (beispielsweise Hypericin bei Johanniskraut) nicht mehr zulässig, da diese inzwischen nur noch als "einfache Leitsubstanzen" einstuft werden; davon betroffen sind beispielsweise Weidenrinde, Weißdornblätter mit Blüten oder Steinkleekraut.

Genau hier ergibt sich das nächste Problem für die Beurteilung pflanzlicher Arzneimittel. Aufgrund des häufigen Fehlens einer festen Bezugsgröße - Wirkstoffe sind zum Teil nicht bekannt, die vorhandenen definierten Leitsubstanzen können andere physikalisch-chemische Eigenschaften haben - scheint die analytische Erfassung der Wirkstoffauflösung bei Phytopharmaka derzeit nahezu unmöglich. Für schnellfreisetzende Zubereitungen werden daher Untersuchungen zur In-vitro-Freisetzung momentan nicht gefordert, aus Blumes Sicht eine wissenschaftlich nicht vertretbare Entscheidung des BfArM. Auch im Hinblick auf die Bioverfügbarkeit als Surrogatparameter für die therapeutische Wirksamkeit liege bei festen oralen Pflanzenzubereitungen vieles im Argen. In-vivo-Studien seien außerordentlich aufwendig und bisher nur für wenige Produkte vorhanden.

Kritisch bewertete er das von verschiedenen Herstellern entwickelte, sogenannte Phytoäquivalenzkonzept. Es basiert auf der Annahme, daß bei Beleg der pharmazeutischen Äquivalenz inhaltsstoffgleicher Pflanzenpräparate auch von deren therapeutischer Gleichwertigkeit auszugehen ist. Die pharmazeutische Qualität wird dabei durch umfangreiche In-vitro-Charakterisierungen der verarbeiteten Extrakte nachgewiesen, wobei nicht nur die eventuell vorhandenen Wirksubstanzen, sondern auch die Leitsubstanzen erfaßt werden. Die Extraktzusammensetzung wird, über fingerprintchromatographische Kontrollen dokumentiert.

Auch wenn diesem Konzept ein gewisser Beitrag zur Verbesserung der Qualitätstransparenz nicht abzusprechen sei, handele es sich dennoch um einen wissenschaftlich fehlerhaften Ansatz, gab Blume zu bedenken. "Pharmazeutische Äquivalenz bedeutet noch lange nicht therapeutische Äquivalenz und ist keinesfalls geeignet, In-vivo-Untersuchungen grundsätzlich zu ersetzen." Dies hätten Bioäquivalenzkonzepte für chemisch definierte Substanzen unzweifelhaft erwiesen.

PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Meran

 

Der Zulassungsstatus eines Phytopharmakons
ergibt sich aus der Deklaration

Status des Arzneimittels angegebene Anwendungsgebiete Kennzeichnung mit Zulassung
(§21 AMG) definierte Indikation Zulassungsnummer mit Nachzulassung
(§105 AMG) definierte Indikation Zulassungsnummer zur traditionellen
Anwendung
(§109 AMG) "traditionell
angewendet bei ..." Zulassungsnummer im Nachzulassungs-
verfahren definierte Indikation oder Aufzählung zahlreicher Anwendungsmöglichkeiten Registriernummer oder keine Angabe mit Verzicht auf
Nachzulassung
("2005-Präparate") häufig Aufzählung zahlreicher Indikationen Registriernummer oder keine Angabe

 

   

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