Pharmazie
65 Prozent der
deutschen Bevölkerung nehmen gelegentlich oder öfter
pflanzliche Arzneimittel. Die Ausgaben dafür machen rund
ein Drittel (4,8 Millionen DM) des gesamten
Selbstmedikationsmarktes aus. Beim Verbraucher also
offenbar sehr beliebt, sind die Phytopharmaka auf Seiten
der Wissenschaft jedoch eher umstritten. Der Grund: Die
zugrundeliegenden Prüfungen, insbesondere in Hinblick
auf wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe und deren
Deklaration sowie die therapeutische Äquivalenz
inhaltsstoffgleicher Phytopharmaka, sind oft mangel- oder
lückenhaft und zum Teil gar nicht vorhanden.
"Die Anforderungen an pflanzliche Arzneimittel sind
im Prinzip die gleichen wie für chemisch definierte
Substanzen", betonte Professor Dr. Henning Blume,
Leiter des Zentrallaboratoriums deutscher Apotheker (ZL),
Eschborn, beim Eröffnungsvortrag in Meran. Will heißen:
Der Hersteller muß seit Inkrafttreten der 5. AMG-Novelle
1994 nicht nur die pharmazeutische Qualität seines
Phytoproduktes belegen, sondern auch dessen
therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit; für
letztere beiden sind eigene klinische Prüfungen
erforderlich.
Bereits der Qualitätsbeleg gestaltet sich bei
pflanzlichen Arzneimitteln oft schwieriger als bei
chemisch definierten Präparaten. Bei der Mehrzahl der
Phytopharmaka ist ein Vielstoffgemisch die
wirksamkeitsbestimmende Komponente. Laut Blume gilt
daher: "Wirkstoff von Phytopharmaka ist der gesamte
Pflanzenextrakt". Nur bei Verwendung der gleichen
Ausgangsdroge (Wachstumsbedingungen, Standort,
Erntezeitpunkt) und derselben Herstellungstechnik
(Extraktionsverfahren) könne man von gleichartig
zusammengesetzten Extrakten ausgehen, betonte der
ZL-Leiter. Die deklarierten Wirk- beziehungsweise
Inhaltsstoffgehalte seien letztendlich nur dann
vergleichbar, wenn nach dem gleichen analytischen
Verfahren ermittelt wird.
Seit 1995 ist bei verschiedenen Pflanzenpräparaten die
Normierung auf sogenannte "wirksamkeitsbestimmende
Komponenten", (beispielsweise Hypericin bei
Johanniskraut) nicht mehr zulässig, da diese inzwischen
nur noch als "einfache Leitsubstanzen" einstuft
werden; davon betroffen sind beispielsweise Weidenrinde,
Weißdornblätter mit Blüten oder Steinkleekraut.
Genau hier ergibt sich das nächste Problem für die
Beurteilung pflanzlicher Arzneimittel. Aufgrund des
häufigen Fehlens einer festen Bezugsgröße - Wirkstoffe
sind zum Teil nicht bekannt, die vorhandenen definierten
Leitsubstanzen können andere physikalisch-chemische
Eigenschaften haben - scheint die analytische Erfassung
der Wirkstoffauflösung bei Phytopharmaka derzeit nahezu
unmöglich. Für schnellfreisetzende Zubereitungen werden
daher Untersuchungen zur In-vitro-Freisetzung momentan
nicht gefordert, aus Blumes Sicht eine wissenschaftlich
nicht vertretbare Entscheidung des BfArM. Auch im
Hinblick auf die Bioverfügbarkeit als Surrogatparameter
für die therapeutische Wirksamkeit liege bei festen
oralen Pflanzenzubereitungen vieles im Argen.
In-vivo-Studien seien außerordentlich aufwendig und
bisher nur für wenige Produkte vorhanden.
Kritisch bewertete er das von verschiedenen Herstellern
entwickelte, sogenannte Phytoäquivalenzkonzept. Es
basiert auf der Annahme, daß bei Beleg der
pharmazeutischen Äquivalenz inhaltsstoffgleicher
Pflanzenpräparate auch von deren therapeutischer
Gleichwertigkeit auszugehen ist. Die pharmazeutische
Qualität wird dabei durch umfangreiche
In-vitro-Charakterisierungen der verarbeiteten Extrakte
nachgewiesen, wobei nicht nur die eventuell vorhandenen
Wirksubstanzen, sondern auch die Leitsubstanzen erfaßt
werden. Die Extraktzusammensetzung wird, über
fingerprintchromatographische Kontrollen dokumentiert.
Auch wenn diesem Konzept ein gewisser Beitrag zur
Verbesserung der Qualitätstransparenz nicht abzusprechen
sei, handele es sich dennoch um einen wissenschaftlich
fehlerhaften Ansatz, gab Blume zu bedenken.
"Pharmazeutische Äquivalenz bedeutet noch lange
nicht therapeutische Äquivalenz und ist keinesfalls
geeignet, In-vivo-Untersuchungen grundsätzlich zu
ersetzen." Dies hätten Bioäquivalenzkonzepte für
chemisch definierte Substanzen unzweifelhaft erwiesen.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Meran
Der
Zulassungsstatus eines Phytopharmakons
ergibt sich aus der Deklaration
Status des Arzneimittels
angegebene
Anwendungsgebiete
Kennzeichnung
mit Zulassung
(§21 AMG)
definierte Indikation
Zulassungsnummer
mit Nachzulassung
(§105 AMG)
definierte Indikation
Zulassungsnummer
zur traditionellen
Anwendung
(§109 AMG)
"traditionell
angewendet bei ..."
Zulassungsnummer
im Nachzulassungs-
verfahren
definierte Indikation oder
Aufzählung zahlreicher Anwendungsmöglichkeiten
Registriernummer oder keine
Angabe
mit Verzicht auf
Nachzulassung
("2005-Präparate")
häufig Aufzählung zahlreicher
Indikationen
Registriernummer oder keine
Angabe
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