Pharmazie
Neben Phytotherapeutika und dem 5a-Reduktasehemmer Finasterid
(Proscar®) spielen besonders die selektiven a1-Blocker in der
symptomatischen Behandlung der BPH eine wichtige Rolle. Mit Terazosin
(FlotrinR) und Doxazosin (Cardular Uro®, Diblocin Uro®) ließ das BfArM
erstmals a1-Blocker zur Behandlung der BPH zu, die ursprünglich, da sie
neben den a1-Rezeptoren im Urogenitaltrakt vor allem auch a1-Rezeptoren
im kardiovaskulären System blockieren, allein zur Behandlung des
Bluthochdrucks (Heitrin® beziehungsweise Cardular® und Diblocin®)
eingesetzt wurden. Die a1-Blocker Alfuzosin (Urion®, UroXatral®) und
Tamsulosin (Alna®), die in den letzten Jahren in den Handel kamen,
blockieren bevorzugt die a1-Rezeptoren im Bereich der Harnwege und der
Prostata und sollen daher in therapeutischen Dosen deutlich geringere
kardiovaskulären Wirkungen aufweisen.
Tamsulosin nimmt zudem für sich in Anspruch, prostataselektiver als Alfuzosin zu
wirken, da der Wirkstoff besonders den alpha-Adrenozeptorsubtyp a1A, der zu
circa 70 Prozent in der Prostata vorherrschend ist, blockiert. Beide Wirkstoffe sind
nicht zur Behandlung der Hypertonie, sondern nur zur symptomatischen Therapie
der BPH zugelassen.
Chemische Klassifikation
Tamsulosin, (-)-(R)-5-[2-[[2-(o-ethoxyphenoxy)ethyl]-amino]propyl]-
2-methoxybenzolsulfonamid-Hydrochlorid (IUPAC), ist ein
Methoxybenzolsulfonamid und unterscheidet sich damit strukturell von Alfuzosin und
anderen verwandten a1-Blockern mit Chinazolin-Struktur wie Bunazosin,
Doxazosin, Prazosin und Terazosin. Tamsulosin ist ein optisches R(-)-Enantiomer,
das an den a1-Adrenozeptoren im unteren Harntrakt ungefähr hundertmal potenter
ist als das (+)-Enantiomer (12).
Wertende Zusammenfassung
Das Wirkprinzip der alpha-1-Blocker bei der BPH beruht darauf, daß der Tonus
der glatten Muskulatur von Blasenhals, Harnröhre und Prostata über noradrenerge
alpha-1-Rezeptoren stimuliert wird. Blockiert man diese, verringert sich der Tonus
und es kommt zu einer erleichterten Miktion.
Mit Alfuzosin und Tamsulosin wurden erstmals alpha-1-Adrenozeptorantagonisten
primär für die symptomatische Behandlung der BPH zugelassen. Die im Vergleich zu
den beiden anderen alpha-1-Blockern höhere Uroselektivität - Terazosin und
Doxazosin werden auch als Antihypertonika eingesetzt - dürfte für die
vergleichsweise bessere kardiovaskuläre Verträglichkeit - seltener Blutdruckabfall -
von Alfuzosin und Tamsulosin verantwortlich sein.
Im Fall von Tamsulosin scheint die Gefahr des initialen Blutdruckabfalls und der
orthostatischen Hypotonie insgesamt noch geringer zu sein. Das mag nicht zuletzt
damit zusammenhängen, daß Tamsulosin aufgrund seines - für die Behandlung der
BPH günstigen - pharmakokinetischen Profils relativ langsam anflutet, insbesondere
wenn es nach einer Mahlzeit eingenommen wird. So werden maximale
Plasmakonzentrationen erst nach sechs Stunden erreicht - bei Alfuzosin bereits nach
ein bis zwei Stunden und bei der retardierten Form immerhin schon nach drei
Stunden. Dies ist auch der Grund, warum bei Tamsulosin - im Unterschied zu den
anderen a1-Blockern inklusive Alfuzosin - keine Titrationsphase vorgeschaltet
werden muß. Das Arzneimittel kann von Anfang an in der normalen therapeutischen
Dosis (0,4 mg/d) verabreicht werden.
In klinischen Vergleichsstudien konnten für die beiden a1-Blocker Alfuzosin und
Tamsulosin vergleichbare klinische Ergebnisse gezeigt werden - mit Doxazosin und
Terazosin liegen (uns) keine Vergleichsstudien vor. Die klinischen Symptome der
BPH und die Harnflußrate bei Patienten mit symptomatischer BPH verbesserte sich
bei beiden Substanzen gleichermaßen.
Bezüglich der klinischen Wirkung scheint die für Tamsulosin postulierte höhere
Selektivität für die a1-Rezeptoren keine Rolle zu spielen, allenfalls trägt sie mit zu der
besseren kardiovaskulären Verträglichkeit im Vergleich zu Doxazosin, Terazosin und
Alfuzosin bei.
Zusätzlich zum günstigeren Nebenwirkungsprofil sind zwei weitere Vorteile für
Tamsulosin hervorzuheben:
- Die Substanz muß - wie Doxazosin und Terazosin - nur einmal täglich
verabreicht werden (Förderung der Compliance).
- Das Interaktionspotential von Tamsulosin ist deutlich geringer als das von
Doxazosin, Terazosin und Alfuzosin. Nach den bisherigen Studien kann die
Substanz auch mit - den gerade bei älteren Patienten häufig verordneten -
Diuretika, Calciumantagonisten, ß-Blockern und ACE-Hemmern gleichzeitig
verabreicht werden, ohne daß es zu verstärktem Blutdruckabfall kommt.
Nachteil aller alpha-1-Blocker, die die Symptome der BPH zwar rasch und sicher
lindern, ist, daß sie - im Gegensatz zu Finasterid - nicht das Prostatavolumen
vermindern. Nützlich könnte es daher sein, beide Therapieprinzipien zu kombinieren.
So könnte insbesondere bei Patienten mit symptomatischer BPH, großer Prostata
und schlechtem Ansprechen auf eine Monotherapie mit einem alpha-1-Blocker die
Kombination mit Finasterid versucht werden.
PZ-Artikel von Rolf Thesen, Eschborn
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