Pharmazie
Ohne Chemoprophylaxe erleiden bis zu 40 Prozent der Aidspatienten
innerhalb zwei Jahren nach der Diagnose eine
Mycobacterium-avium-Infektion. Die Infektionskrankheit verursacht
Fieber, Nachtschweiß, Durchfälle, Gewichtsverlust und abdominale
Schmerzen und ist mit einer verkürzten Lebenserwartung verbunden.
Bisher wurden diese Infektionen meist mit Rifampicin und Makrolid-Antibiotika
(Azithromycin, Clarithromycin) behandelt. Mit Rifabutin (Mycobutin® steht nun ein
weiterer Arzneistoff für die Therapie zur Verfügung.
Indikationen und Anwendung
Mycobutin ist zugelassen für die Therapie von symptomatischen generalisierten
Infektionen mit Mycobacterium avium complex (MAC) bei Aidspatienten. Es wird
dabei in der Regel mit anderen Arzneimitteln kombiniert. Dazu werden täglich 450
bis 600 mg Rifabutin eingenommen. Bei gleichzeitiger Gabe von Clarithromycin (zum
Beispiel Klacid®) wird die Dosis auf 300 mg täglich reduziert. Die Therapie wird
nach Erreichen negativer Kulturen noch sechs Monate fortgeführt. Mycobutin ist
darüber hinaus angezeigt für die Prophylaxe von MAC-Infektionen bei
Aidspatienten mit CD4-Zellzahlen von weniger als 200/mm3. Hierbei werden 300
mg täglich gegeben. Vor der Behandlung sollen Infektionen mit Mykobakterien
ausgeschlossen werden, um Resistenzentwicklungen zu vermeiden.
Das Präparat kann außerdem zur Behandlung von Infektionen mit Mycobacterium
tuberculosis eingesetzt werden. Nach den allgemein anerkannten Kriterien der
Tuberkulose-Behandlung wird es dabei mit anderen Tuberkulostatika kombiniert,
die nicht zur Gruppe der Rifamycine gehören. Die Patienten erhalten 150 mg täglich
über sechs bis neun Monate oder mindestens sechs Monate lang nach Erreichen
negativer Kulturen. Bei Patienten, die zuvor mit anderen Tuberkulostatika behandelt
wurden, soll die Dosis auf 300 bis 450 mg täglich erhöht werden. Auch bei
immunsupprimierten Patienten kann aufgrund verminderter Resorption diese erhöhte
Dosis erforderlich sein. Rifabutin kam zu einer beliebigen Tageszeit, unabhängig von
den Mahlzeiten, eingenommen werden.
Wirkungen und Wirkungsmechanismus
Rifabutin hemmt ebenso wie Rifampicin die DNS-abhängige RNS-Polymerase
empfindlicher Erreger und blockiert so deren Proteinsynthese. Außerdem gibt es
Hinweise darauf, daß es auch die DNS-Synthese hemmt. Rifabutin wirkt gegen
grampositive und gramnegative Bakterien und ist teilweise auch gegen
Rifampicin-resistente M.-tuberculosis-Stämme wirksam. Die minimale
Hemmkonzentration betrug für die meisten M.-avium-Stämme in vitro etwa 1 mg/1.
Nur 5 Prozent der M.-tuberculosis-Stämme, die resistent gegen 5 mg/1 Rifampicin
waren, zeigten auch Resistenz gegen 1 mg/1 Rifabutin.
Wechselwirkungen
Ein Nachteil von Rifabutin ist die relativ hohe Wahrscheinlichkeit von Interaktionen
mit anderen Arzneistoffen, die bei der Behandlung von Aidspatienten eine Rolle
spielen können. Rifabutin induziert die Cytochrom-P-450-Isoenzyme der
CYP-3A-Unterfamilie. Dadurch kann der oxidative Metabolismus von Arzneistoffen
beschleunigt werden, die ebenfalls über dieses Enzymsystem verstoffwechselt
werden. Ihre Wirkungen können abgeschwächt werden. Von dieser
Wechselwirkung sind betroffen: hormonale Kontrazeptiva, Analgetika,
Antikoagulantien, Glucocorticoide, Ciciosporin, Cotrimoxazol, Digitoxin, Dapson,
Sulfonylharnstoffe, Opioide und Phenytoin.
Arzneistoffe, die die Cytochrom-P-450-Enzyme inhibieren wie die
Makrolid-Antibiotika Clarithromycin und Erythromycin, die Azol-Antimykotika
Itraconazol, Fluconazol und Ketoconazol sowie der H2-Blocker Cimetidin können
den oxidativen Metabolismus von Rifabutin hemmen, so daß die
Rifabutin-Plasmakonzentration und damit auch das Risiko einer Uveitis ansteigen.
Eventuell muß die Rifabutin-Dosis vermindert werden.
Antacida sollen frühestens 3 Stunden nach Rifabutin eingenommen werden, damit
dessen Resorption nicht beeinflußt wird. Mit den in der Aidsbehandlung eingesetzten
Reverse-Transkriptasehemmern Zidovudin (Retrovir®) und Didanosin (Videx®)
wurden keine Interaktionen gefunden.
PZ-Artikel von Petra Zagermann-Muncke, Eschborn
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