Pharmazie
Bei etwa jedem zehnten Mann klappt es nicht wie gewünscht, jedenfalls
nicht immer, der Grund: erektile Dysfunktion. Quer durch alle
Altersgruppen sind durchschnittlich 10 Prozent der Männer betroffen, bei
den 50- bis 70jährigen sogar über die Hälfte. Noch häufiger trifft es laut
Professor Dr. Peter Weidmann aus Bern Diabetiker, Niereninsuffiziente und
Dialysepatienten.
Von einer erektilen Dysfunktion spricht man dann, wenn mindestens 50 Prozent der
Versuche scheitern, eine befriedigende Erektion zu erreichen oder
aufrechtzuerhalten, erklärte Weidmann Anfang März beim 22. Nephrologischen
Seminar in Heidelberg. Als Ursachen gelten neben psychischen Faktoren erniedrigte
Testosteronspiegel, erhöhte Prolactinkonzentrationen oder Rückenmarksläsionen.
Auch Alkohol, Drogen sowie bestimmte Medikamente (Anticholinergika,
Antihistaminika, Antipsychotika, Antidepressiva, Sedativa, Anxiolytika, bestimmte
Calcium-Antagonisten und Antihypertensiva) kommen als Ursachen in Frage.
Eine unerläßliche Rolle für den physiologischen Ablauf der Erektion spielt nach
Aussage des Referenten Stickstoffmonoxid, NO, das maßgeblich an der
erforderlichen Blutversorgung des Penis über Aorta und Beckenarterien beteiligt ist:
Über non-adrenerge und non-cholinerge Neurone ankommende erogene Impulse
setzen NO frei, das dann seinen second messenger cGMP (zyklisches
Guanosinmonophosphat) aktiviert. cGMP erweitert die Arteriolen und Kapillaren
der Penis-Schwellkörper. Ob Urämie und Dialyse den
NO-cGMP-Relaxationsmechanismus modifizieren, sei nicht bekannt, so Weidmann.
Genau in diesen Ablauf greift jedoch ein neuer, derzeit noch nicht auf dem Markt
befindlicher Behandlungsansatz ein. Mit dem peroral applizierbaren
Phosphodiesterasehemmer Sildenafil soll den betroffenen Männern bald ein
Bedarfsmedikament zur Verfügung stellen zu können, führte Weidmann aus.
Sildenafil muß nicht täglich, sondern jeweils etwa eine Stunde vor einem geplanten
Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Mit der Markteinführung in Europa und
den USA ist nach Angaben der Herstellerfirma Pfizer noch im Laufe dieses Jahres zu
rechnen.
Sildenafil hemmt kompetitiv die in den Schwellkörpern vorhandene
Phosphodiesterase Typ 5, die normalerweise das NO-induzierte cGMP inaktiviert.
Infolge der ausbleibenden Inaktivierung kommt es zu einer Steigerung der
cGMP-Konzentration und damit zur Potenzierung der NO-cGMP-vermittelten
Vasorelaxation der Schwellkörperarteriolen und -kapillaren. Voraussetzung für den
therapeutischen Effekt des Phosphodiesterasehemmers sei eine sexuelle Stimulation,
da nur so die NO-cGMP-Kaskade in Gang komme, betonte Weidmann.
Androgene, Neurotransmission und andere für die Erektion erforderliche
Komponenten würden durch Sildenafil nicht modifiziert, Libido und Ejakulation
blieben unbeeinflußt.
Untersucht wurde der neue Wirkstoff in placebokontrollierten Doppelblindstudien
mit mehr als 1500 Männern mit erektiler Dysfunktion ohne bekannte organische
Ursache. Sildenafil erhöhte dabei nach Aussage des Referenten dosisabhängig
(Einzeldosen 10 bis 50 mg) die Dauer und Zahl der Erektionen. Bei einmal täglicher
Einnahme über vier Wochen wurde unter 25 beziehungsweise 50 mg des
Phosphodiesterasehemmers in 79 beziehungsweise 89 Prozent der Fälle eine
verbesserte Erektion beobachtet; unter Placebo war dies nur bei 38 Prozent der
Patienten der Fall.
Nach einem Monat wurde Sildenafil nur noch jeweils nach Bedarf eingenommen und
erhöhte dabei in Dosen von 25 bis 75 mg die Zahl der für penetrativen
Geschlechtsverkehr ausreichenden Erektionen auf etwa das Dreifache gegenüber
Placebo. Bei fortgesetzter bedarfsorientierter Einnahme in Einzeltagesdosen von 10
bis 100mg berichteten 271 von 311 Patienten (87 Prozent) über eine
aufrechterhaltende Wirkung. Auch bei Diabetikern mit erektiler Dysfunktion zeigte
Sildenafil laut Weidmann in über 50 Prozent der Fälle eine befriedigende Wirkung.
Zu den Effekten bei Niereninsuffizienten und Dialysepatienten liegen noch keine
Daten vor.
Die Substanz sollte etwa 60 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen
werden. Nach 4 bis 6 Stunden sei die Wirkung vorbei. Die empfohlene Dosierung
liegt bei 25mg (Beginn der Behandlung) bis 50mg, maximal 100mg. Mehr als einmal
täglich sollte Sildenafil nicht genommen werden.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Heidelberg
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de