Pharmazie
Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist seit langem als eine typische
Erkrankung des alternden Mannes bekannt. Ab etwa der 5. Lebensdekade
ist mit einem gutartigen Wachstum der Prostata zu rechnen; es kann zur
Verengung der Harnröhre führen. Die typischen Symptome einer solchen
Konstriktion sind verstärkter Harndrang bei gleichzeitig abgeschwächtem
Harnstrahl, Erhöhung der Miktionsfrequenz und Nykturie. Klinisch
bedeutend sind ein verminderter Uroflow und eine erhöhte Restharnbildung.
Eine unbehandelte BPH kann daher irreversible Blasen- und
Nierenschädigungen zur Folge haben. Seit 1994 steht für die
medikamentöse Behandlung der erste 5-alpha-Reduktasehemmer
Finasterid (Proscar®) zur Verfügung.
Die Symptomatik von Miktionsstörungen kann mit dem Internationalen
Symptomen-Index (International Prostata Symptoms Score, IPSS) und einem
Lebensqualitätsindex gewichtet werden. Neben der Quantifizierung der Symptome
sind die Rektaluntersuchung (Karzinom), die Urinuntersuchung (Hämaturie, Pyurie)
und die Beurteilung der Nierenfunktion von zentraler Bedeutung. Um ein Karzinom
auszuschließen, soll ferner das prostataspezifische Antigen (PSA) bestimmt werden.
Als Goldstandard in der Behandlung der BPH gilt immer noch die transurethrale
Resektion. Für Patienten mit verhältnismäßig wenig Symptomen fallen jedoch die
möglichen Nachteile dieser Operation stärker ins Gewicht.
Für die medikamentöse Therapie stehen neben Phytotherapeutika wie
Sabalfruchtextrakt, ß-Sitosterin, Brennesselwurzel, Sägepalmenfrucht oder
Kürbissamen vor allem alpha-Rezeptorenblocker wie Doxazosin (Diblocin® Uro
und andere), Alfuzosin (UroXatral®, Urion®), Terazosin (Flotrin®), Tamsulosin
(Alna®, OMNIC®) und seit 1994 der erste 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid
(Proscar®) zur Verfügung.
Chemische Klassifikation
Finasterid, N-tert-Butyl-3-oxo-4-aza-5-alpha-androst-l-en-17ß-carboxamid
(IUPAC), ist ein 4-Azasteroid mit struktureller Ähnlichkeit zu Testosteron.
Indikationen und Anwendung
Proscar® ist zur unterstützenden Behandlung bei symptomatischer benigner
Prostatahyperplasie (BPH) zugelassen. Die Standarddosierung beträgt täglich eine
Filmtablette à 5 mg Finasterid. Sie kann entweder auf nüchternen Magen oder mit
einer Mahlzeit eingenommen werden.
Bisher stehen keine Erkenntnisse über den Einsatz von Finasterid bei Patienten mit
Leberfunktionsstörungen zur Verfügung. Pharmakokinetische Untersuchungen haben
gezeigt, daß bei einer Kreatinin-Clearance von über 9ml/min x 1,73 m² eine
Dosisanpassung nicht erforderlich ist. Die Elimination von Finasterid ist bei Patienten
über 70 Jahren geringfügig vermindert; eine Dosisanpassung ist jedoch nicht
erforderlich.
Obwohl es bei einer Therapie mit Finasterid in der Regel schnell zu einer deutlichen
Abnahme der vergrößerten Prostata kommt, nimmt nach 12monatiger Behandlung
der Harnfluß bei weniger als der Hälfte der Patienten geringfügig zu und die
BPH-bedingten Symptome geringfügig ab. Bis zur Verbesserung des Harnflusses
und der Symptome kann eine Therapiedauer von mindestens 6 Monaten erforderlich
sein.
Zur Zeit sind keine Kriterien bekannt, nach denen vor Therapiebeginn beurteilt
werden kann, ob ein Patient von dieser Therapie profitieren wird. Sind nach
12monatiger Therapie keine Verbesserungen des Harnflusses und der Symptome
erkennbar, sollte die Therapie mit Finasterid abgebrochen werden; es kann dann
davon ausgegangen werden, daß der Patient nicht auf die Therapie anspricht.
Obwohl die pharmakologischen Eigenschaften von Finasterid seit Beginn der
Entwicklung zu großen Hoffnungen Anlaß gegeben haben, ist der klinische Nutzen
nicht gleich überzeugend. Alpha-Rezeptorenblocker wie Terazosin haben eine
gesicherte, schnell eintretende Wirkung auf die Symptome, hemmen aber nicht das
Prostatawachstum. Finasterid hemmt das Prostatawachstum, hat aber bei BPH mit
relativ kleinem Prostatavolumen keine signifikante symptomatische Wirkung. Bei
großem Prostatavolumen ist diese Wirkung jedoch nachweisbar. Für einen Patienten
mit symptomatischer BPH, großer Prostata und schlechtem Ansprechen auf einen
alpha-Blocker sollte auch die Kombination dieser zwei Therapieprinzipien erwogen
werden.
Weiterhin sind in jedem klinischen Einzelfall die Therapienotwendigkeit sowie bei
Indikation zur medikamentösen Therapie potentieller Nutzen und eventuelle Risiken
der verschiedenen Arzneistoffe sorgfältig abzuwägen.
Ein weiteres interessantes mögliches Anwendungsgebiet für Finasterid (5 mg/d) ist
die Prävention des Prostatakarzinoms. Zur Untersuchung dieser Frage begann im
Oktober 1993 in den USA eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit
18.000 Männern über 55 Jahren, die mindestens sieben Jahre dauern wird.
PZ-Artikel von Martin Schulz, Eschborn und Folkert Donn, Hamburg
© 1997 GOVI-Verlag
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