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Antibiotika: Bakterien holen langsam auf

Datum 23.03.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Antibiotika: Bakterien holen langsam auf

Die Menschen sind dabei, ihren Vorsprung gegenüber den Mikroorganismen leichtfertig zu verspielen. Im Gefühl des sicheren Sieges wurde die Antibiotikaforschung in den meisten Universitäten und Pharmaunternehmen reduziert. Doch jetzt ist es höchste Zeit, den Kampf wieder aufzunehmen.

"Antibiotikaresistenzen sind nicht zu verhindern. Sie treten durch den Einsatz von Antibiotika zwingend auf", sagte Professor Dr. Georg Peters vom Institut für Mikrobiologie der Universität Münster bei einem Presseseminar der Bayer AG am 6. März in Mayschoß. International gebe es jedoch deutliche Unterschiede in der Häufigkeit resistenter Erreger. In Deutschland spielen die Methicillin-resistenten Staphylokokken eine wichtige Rolle. Vor allem Staphylokokkus aureus bereitet deutschen Ärzten große Sorgen. Nach Angaben von Professor Dr. Wolfgang Witte, Robert-Koch-Institut Werningerode, ist der Anteil Methicillin-resistenter Staphylokokken (MRSA) an der Gesamtpopulation in der Bundesrepublik seit 1976 von 1,4 Prozent auf 8,7 Prozent gestiegen.

Weltweit ist darüber hinaus eine Zunahme folgender erregertypischer Antibiotikaresistenzen zu beobachten:
  • Glycopeptid-resistente Enterokokken,
  • Penicillin-G-resistente Pneumokokken,
  • Glycopeptid-intermediär-empfindliche/resistente Staphylokokken,
  • Breitspektrum-ß-Lactamasen-bildende und/oder Chinolon-resistente Enterobacteriaceae sowie
  • multiresistente Pseudomonaden und Acinetobacter sp.

Wie es zur Resistenzentwicklung kommt

"Bakterien können Resistenzen gegen Antibiotika erwerben, indem sie vorhandene Gene durch Mutation verändern oder von außen Gene mit Resistenzeigenschaften aufnehmen und diese Gene dann selbst exprimieren", erläuterte Professor Dr. Bernd Wiedemann von der Universität Bonn das Prinzip der Resistenzbildung. Diese Vorgänge seien rein zufällig. Alle Resistenzmechanismen folgen drei Prinzipien. Entweder verändern die Bakterien den Rezeptor, an den das Antibiotikum angreift, oder sie entwickeln Enzyme, die den Wirkstoff inaktivieren oder sie verändern ihre Membrandurchlässigkeit und verhindern so die Penetration der Substanz zum Rezeptor.

Wenn ein Resistenzgen in ein Transposon (springendes Gen) eingebaut wird, kann es im zweiten Schritt in ein Plasmid integriert werden. Plasmide sind extrachromosomale Gene in Bakterien, die in andere Bakterien übertragen werden können.

Treibende Kraft für die eigentliche Ausbreitung der Resistenzgene sei der Selektionsdruck, sagte Wiedemann weiter. Denn durch das Resistenzgen erhalten die Bakterien einen Vorteil gegenüber nicht-resistenten Erregern. Diese Selektion findet im Regelfall nicht in einer Erregerpopulation bei einer Infektionskrankheit oder deren Behandlung statt. Üblicherweise siedeln sich die resistenten Bakterien erst in den Schleimhäuten des Menschen an. Haben sie gegenüber ihrer nicht-resistenten Elternpopulation keinen evolutionären Nachteil, können sie sich aus diesem Biotop heraus ausbreiten.

Ausnahmen, die sich während einer Infektion ausbreiten, seien Enterobacter cloacae bei ß-Laktamantibiotikaeinsatz, Enterobakterien bei der Therapie mit Nalidixinsäure und fast alle Bakterien beim Einsatz von Rifampicin.

Ökonomische und medizinische Folgen


Die finanziellen Schäden sind enorm. Nach Schätzungen der Centers for Disease Control kostet in den USA allein die Therapie von Infektionen mit antibiotikaresistenten Mikroorganismen rund 4 Milliarden US-Dollar. Umgerechnet auf die Bevölkerung der Bundesrepublik seien dies immerhin 2,4 Milliarden DM, sagte Professor Dr. Reinhard Marre von der Universität Ulm. Verursacht werden die zusätzlichen Kosten durch das Zurückgreifen auf teurere Alternativantibiotika, die längere Aufenthaltszeit im Krankenhaus und die erforderliche teure Hygiene.

Marre warnte aber nicht nur vor den ökonomischen Folgen: Wenn der Ausbreitung der Resistenzen nicht konsequent begegnet werde, vergebe die Medizin die einzigartige Chance, eine lebensbedrohliche Krankheit durch Medikamentengabe vollständig zu heilen.

Epidemiologie als Basis für Gegenstrategien


Als wichtige Strategien gegen die Resistenzen nannte er die Erhebung infektionsepidemiologischer Daten, die darauf aufbauende Ausarbeitung von Therapierichtlinien und die bessere Aus- und Fortbildung der Ärzteschaft in Infektiologie. Die Kenntnis vieler Ärzte über den richtigen Gebrauch von Antibiotika sei unzureichend, sagte Marre. Die Aufnahme der Klinischen Infektiologie in den Entwurf zur neuen Approbationsordnung bezeichnete er als Schritt in die richtige Richtung.

Auch Peters forderte eine nationale und globale Resistenzepidemiologie sowie eine bessere Ausbildung der Ärzte. Darüber hinaus müsse das Krankenhausmanagement verbessert werden. Erforderlich sei außerdem eine breite zielgerichtete Grundlagenforschung.

Resistenzen sind nicht unvermeidbar. Die Situation in den Niederlanden belege, daß die Ausbreitung resistenter Erreger durch ein rigides Therapiemanagement und konsequente Meldepflicht gestoppt werden könne, sagte der Münsteraner Infektiologe in Mayschoß. In Holland gebe es praktisch keine MRSA, weil jeder Ausbruch konsequent therapiert werde und die Verlegung eines Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes nur möglich sei, wenn dieser nachweislich keine MRSA-Infektion habe. Deutsche Krankenhäuser melden MRSA-Infektionen dagegen nicht grundsätzlich.

Doch nicht nur medizinische Vorgaben können zur Verbesserung der Infektionstherapie führen. Auch gesundheitsökonomische Vorgaben seien dazu geeignet, glaubt Marre. Heute orientiere sich die Medikamentenauswahl des Arztes stark am Preis. Dadurch würden preiswerte Präparate wie Tetrazykline gerne und häufig verschrieben. Bei einer künstlichen Verteuerung der Antibiotika sei damit zu rechnen, daß sie nur noch bei tatsächlich therapierbaren Infektionen eingesetzt würden.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Mayschoß

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