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Misteltherapie von Schulmedizin noch entfernt

24.02.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

Misteltherapie von Schulmedizin noch entfernt

  Adjuvant, komplementär, ergänzend oder alternativ? - Schon die Umschreibung der Behandlungsmethode stiftet Verwirrung. Welche Rolle spielt die Mistel in der Krebstherapie heute wirklich: anthroposophischer Ansatz oder wissenschaftlich orientiertes Medikament? Sind es die lange Zeit diskutierten Viscotoxine, die wirken, oder die erst in den letzten Jahren entdeckten Lektine oder beide? Diese und andere Fragen erörterten Mediziner und Wissenschaftler in Frankfurt bei einer Diskussion zum Stellenwert von Tumorergänzungstherapien.

Heute beruht fast die Hälfte der adjuvanten pflanzlichen Krebstherapien auf Mistelextrakten, erklärte Thomas Milz bei der von Madaus unterstützten Veranstaltung in Frankfurt. Fast 60 Prozent der Allgemein- und Hausärzte setzen das eine oder andere Mistelpräparat zur Tumorbehandlung ein.

Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden im Hinblick auf die Mistelinhaltsstoffe und die zugrundeliegende Lehre, betonte Dr. Markus Vollmuth, Allgemeinmediziner aus Nürnberg, in der Diskussion. Harte Daten, beispielsweise zur Dosis-Wirkungs-Beziehung, seien aber nach wie vor dringend erforderlich. Trotzdem scheint die lange Zeit anthroposophisch geprägte Misteltherapie auf dem Weg in Richtung Schulmedizin. Zahlreiche Inhaltsstoffe sind inzwischen bekannt; die lange Zeit für die Wirkung verantwortlich gemachten Viscotoxine sind durch die Entdeckung der Mistellektine 1 bis 3 zunehmend in den Hintergrund der Diskussion gerückt. Vor 10 Jahren waren die in den Blättern und unverholzten Teilen der Mistel lokalisierten Lektine in keinem Lehrbuch zu finden.

Hauptsache, es hilft - egal wie?

Die ganze Zeit ein falscher Erklärungsansatz für die Wirkung des Halbparasiten? Die Mistellektine sind sehr instabile Glykoproteine und wurden daher lange Zeit nicht gefunden, erklärte Dr. Roger Limberg, Leiter des medizinisch-wissenschaftlichen Referats Onkologie bei Madaus. Im übrigen sei die Wirkung der Viscotoxine zumindest in vitro durchaus plausibel zu erklären. Im Reagenzglas wirken sie als Interkalatoren, Substanzen also, die mit der Tumor-DNA wechselwirken. Im Zellkern des Patienten seien die sehr komplexen Moleküle allerdings wenig effektiv.

Nicht so die Lektine: Sie heften laut Limberg mit ihrer A-Untereinheit bevorzugt an Tumorzellen an und leiten dann die Apoptose, den natürlichen Zelltod, der entarteten Zellen ein. Dabei entstehen apoptotische Vesikel/ Zellfragmente, die die Immunabwehr (Makrophagen) weiter stimulieren. Mit einem auf die Lektine standardisierten Mistel-Injektionspräparat habe man nach vierwöchiger Behandlung eine Steigerung der natürlichen Killeraktivität bei den Patienten erreichen können, berichtete er. Empfohlen werden 2,5 ml/kg Körpergewicht zweimal pro Woche über mindestens drei Monate. Als Injektionsorte werden Oberschenkel oder -arm empfohlen. "Keinesfalls tumornah oder in den Tumor", warnte Limberg.

Einstellung reicht nicht

"Allein mit der Standardisierung auf die Lektine ist schulmedizinischen Ansprüchen keineswegs Genüge getan", kritisierte Privatdozent Dr. Rolf Muschter, Oberarzt an der Urologischen Universitätsklinik des Klinikums Großhadern in München. Ergebnisse aus randomisierten, placebokontrollierten Studien gibt es bis heute nicht. Gezeigt sei für das Mistellektinpräparat bislang nur die Steigerung der immunologischen Tumorabwehr, räumte auch Limberg ein. Abhilfe versprechen nach seinen Worten jedoch derzeit in Kliniken und bei niedergelassenen Ärzten laufende klinische Studien. Sie sollen die durch Mistellektine erhoffte Verbesserung der Lebensqualität belegen und Aussagen zu einer möglichen Senkung von Zytostatikanebenwirkungen liefern. Geprüft wird darüber hinaus auch ihre Kombination mit anderen Antitumormitteln wie Tamoxifen.

PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Frankfurt    

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