Thrombozytenaggregationshemer und Antikoagulantien |
01.02.1999 00:00 Uhr |
PHARMACON DAVOS
Die Thrombozytenaktivierung, Ausgangspunkt der Thrombozytenaggregation und der Thrombusbildung, bietet verschiedene Ansätze für eine medikamentöse Intervention, so Professor Dr. Silvia Haas aus München in ihrem Davoser Vortrag zum Thema Thrombozytenaggregationshemmer und Antikoagulanzien. In der Praxis haben bisher Acetylsalicylsäure, Ticlopidin und Clopidogrel, die Glykoprotein IIb/IIIa-Inhibitoren, die unfraktionierten beziehungsweise niedermolekulare Heparine und das Hirudin den höchsten Stellenwert erreicht.
Die Acetylsalicylsäure (ASS)ist ein Cyclooxygenase-Hemmer, der in den Thrombozyten die Bildung des Thromboxans inhibiert, das die Adhäsion der Thrombozyten an der Gefäßwand und die Gefäßkontraktion fördert. Der Gegenspieler, das Prostacyclin aus dem Endothel, wird über denselben Biosyntheseweg gebildet. Um eine optimale Hemmung der Thromboxan-Synthese bei gleichzeitig geringer Synthesehemmung des Prostacyclins zu erreichen, darf ASS nur in geringeren Dosen (bis 325 mg) eingesetzt werden.
Ticlopidin und Clopidogrel sind ADP-Adenosyldiphosphat)-Antagonisten. Sie binden irreversibel am Adenylatcyclase-gekoppelten ADP-Rezeptor auf der Thrombozytenoberfläche. Dadurch wird die Exprimierung von Glykoprotein IIb/IIIa als Fibrinogenbindungsstellen beziehungsweise die Thrombozytenaggregation verhindert. Der Unterschied der beiden strukturähnlichen Substanzen liegt in der Pharmakokinetik. Bei Clopidogrel tritt die Wirkung bereits nach zwei Stunden ein, während Ticlopidin die volle Wirksamkeit erst nach Tagen entwickelt. Gegenüber ASS konnte in der CAPRIE-Studie eine gewisse Überlegenheit von Clopidogrel bezogen auf die Endpunkte Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere arterielle Verschlußkrankheit nachgewiesen werden. Als ersten nichtpeptischen Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten stellte Haas Tirofiban vor. Er habe in mehreren Studien seine Wirksamkeit bei instabiler Angina pectoris (PRISM-Plus-Studie) in Kombination mit Heparin und ASS, sowie als Prophylaktikum nach PTCA bezogen aus Restenosen (RESTORE-Studie) nachgewiesen.
Schließlich ging die Referentin noch auf die Unterschiede zwischen unfraktioniertem Heparin und niedermolekularen Heparin sowie Hirudin ein und arbeitete tabellarisch deren unterschiedlichen Angriffspunkte heraus.
Die Tatsache, daß Hirudin seine Wirkung über eine direkte Thrombinhemmung erreicht und im Gegensatz zu den Heparinen keinen Effekt auf die Blutplättchen hat, macht es zu einem idealen Antikoagulans bei Thrombin-induzierter Thrombozytenaggregation. Außerdem hat sich Hirudin auch als alternativ einsetzbares Antikoagulans bei Herapin-induzierter Thrombozytopenie (HIT) vom Typ II bewährt.
Die hauptsächlichen Anwendungsgebiete von Heparin und niedermolekularen Heparinen
liegen laut Haas auf dem Gebiet der venösen Thromboembolieprophylaxe und -therapie.
Während Heparin darüberhinaus auch einen festen Stellwert bei der Prophylaxe und
Therapie arterieller Thromboembolien hat, befänden sich niedermolekulare Heparine für
diese Indikationen in Deutschland noch im Zulassungsverfahren. Haas sieht bei den
niedermolekularen Heparinen den Vorteil darin, daß sie nicht mehr laborkontrolliert
appliziert werden müssen außer bei eingeschränkter Nierenfunktion. Hirudin wird
bevorzugt zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach großen orthopädischen Eingriffen
und bei HIT Typ II eingesetzt.
© 1999 GOVI-Verlag
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